NOTARZT 2000; 16(2): 75-76
DOI: 10.1055/s-2000-161
DER TOXIKOLOGISCHE NOTFALL
Der toxikologische Notfall
Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Bewusstloser Heimwerker

F. Martens
  • Charité Campus Virchow Klinikum, Medizinische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin, Klinik für Nephrologie und internistische lntensivmedizin (Direktor: Prof. Dr. Ulrich Frei), Berlin
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
31. Dezember 2000 (online)

Der Fall

Der Notarzt wird in den Nachmittagsstunden in eine Hinterhauswohnung im dritten Stock gerufen. Die anwesenden Rettungssanitäter, die eine Beatmungsmaske mit angeschlossenem Sauerstoff auf Mund und Nase des Patienten drücken, berichten, dass die Lebensgefährtin den Rettungsdienst alarmiert habe, weil ihr Freund nicht ansprechbar auf dem Boden zwischen allerlei Farbtöpfen, Pinseln, Farbrollen und Möbelstücken gelegen habe. Sie sei ca. drei Stunden zuvor aus dem Haus gegangen. Zu diesem Zeitpunkt sei ihr Freund völlig unauffällig gewesen, lediglich sein Husten sei wieder besonders stark gewesen. Weitere, wegweisende fremdanamnestische Angaben sind sonst nicht zu erhalten.

Der Notarzt sieht einen ca. 40-jährigen, spontan atmenden Mann in farbverschmutzter Kleidung mit deutlicher Zyanose, der auf Schmerzreize nur minimale Reaktionen zeigt. Äußere Verletzungen sind nicht erkennbar. Die Pupillen sind eng und ohne Lichtreaktion. Das Monitor-EKG zeigt einen Sinusrhythmus von 64/min. Der Blutdruck beträgt 105/60 mm Hg. Über beiden Lungen ist leises Rasseln bei deutlich verlangsamter Atemfrequenz von 6/min auskultierbar.

Trotz fehlender anamnestischer Hinweise vermutet der Notarzt auf Grund der Bewusstlosigkeit, der langsamen, flachen Atmung und den engen Pupillen eine Opiatintoxikation. Frische Einstichstellen finden sich keine, allerdings zahlreiche, ältere Narben an beiden Unterarmen.

Mit dem ersten Blutstropfen nach Anlegen einer Venenverweilkanüle wird die Blutglukosekonzentration bestimmt: 70 mg/dl. Danach injiziert der Notarzt probatorisch 0,2 mg Naloxon. Etwa 30 s später vertieft und beschleunigt sich die Atmung, der Patient zeigt Spontanbewegungen. Nach weiteren 0,2 mg Naloxon erwacht der Patient und berichtet nach 2 - 3 min, dass er eine größere Dosis eines codeinhaltigen Hustensaftes zu sich genommen habe. Die Narben an beiden Unterarmen rühren von früherem i. v. Drogenabusus mit Heroin her.

Priv.-Doz. Dr. Frank Martens

Charité, Campus Virchow Klinik

Medizinische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin
Klinik für Nephrologie und internistische Intensivmedizin

Augustenburger Platz 1

13353 Berlin

eMail: E-mail: frank.martens@charite.de