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DOI: 10.1055/s-2000-6908
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York
Obere gastrointestinale Blutung
Publication History
Publication Date:
31 December 2000 (online)
Einleitung
Einlieferung eines ca. 70-jährigen Patienten durch den begleitenden Notarzt in die interdisziplinäre Notaufnahme der Klinik. Der Notarzt berichtet, den Patienten in wachem, orientiertem Zustand mit kaffeesatzgetränkten Textilien zu Hause vorgefunden zu haben. Schmerzen habe der Patient nicht beklagt. In Anwesenheit des Notarztes war es zu einer erneuten Episode von Hämatemesis gekommen, jedoch diesmal überwiegend frisch blutig. Die Kreislaufverhältnisse seien unter laufender Infusionstherapie noch weitgehend stabil gewesen (Blutdruck 110/90 mmHg, Herzfrequenz 85/min).
Bei der Aufnahme erheben Sie ergänzend: keine stärkeren abdominellen Schmerzen, kein Fetor alkohol., palpatorisch weiches Abdomen, rektal-digital kein Blut am Fingerling, kein Ikterus, keine Spider naevi, keine sichtbaren Kollateralkreisläufe, eine Ulkusanamnese wird ebenso verneint wie regelmäßiger stärkerer Alkoholkonsum. Aufgrund rheumatischer Beschwerden werden allerdings regelmäßig Schmerzmedikamente eingenommen. Der Hämoglobinwert wird mit 80 g/l (Norm: 140 - 160 g/l), der Hämatokrit mit 0,28 l/l (Norm: 0,47 - 0,62) in der Blutgasanalyse bestimmt.
Was ist Ihre Arbeitsdiagnose und welche primären diagnostisch-therapeutischen Maßnahmen veranlassen Sie?
Arbeitsdiagnose ist eine protrahierte Blutung aus Magen oder Duodenum mit erneutem Blutungsschub kurz vor Eintreffen des Notarztes. Eine Ösophagus- oder Fundusvarizenblutung erscheint aufgrund des Blutungsverlaufes und fehlender Stigmata eines Alkoholabusus primär nicht wahrscheinlich. Die Möglichkeit einer Leberzirrhose anderer Genese, z. B. Hepatitis B/C ist jedoch zu bedenken. Wahrscheinlichste Ursache ist eine Ulkusblutung. Das sog. Kaffeesatz-Erbrechen setzt eine gewisse Kontaktzeit von Blut und Magensaft voraus (protrahierte Blutung), die frisch blutige Hämatemesis-Episode spricht für einen akuten Blutungsschub. Die fehlende Ulkusanamnese und der nicht akute klinische Abdominalbefund sprechen keineswegs gegen eine Ulkusblutung. Insbesondere bei positiver Medikamentenanamnese ist die Ulkusblutung bei ca. 50 % der Patienten die Primärmanifestation der Ulkuskrankheit.
Der erste diagnostisch-therapeutische Abschnitt sollte im Idealfall aus zwei parallel agierenden Einheiten bestehen.
Eine Einheit sorgt mit entsprechender Volumensubstitution und ggf. medikamentösen Maßnahmen für die Sicherstellung von Kreislaufstabilität und die Erhebung des Laborstatus, insbesondere dringlicher Klärung der Hämoglobin (Hb)-, Hämatokrit (Hk)- und Gerinnungssituation. Ergänzend werden Leber-, Pankreas- und Nierenwerte bestimmt. In Abhängigkeit von Hb- und Hk-Wert sollte die Bereitstellung von Erythrozytenkonzentraten und fresh-frozen-plasma-Einheiten veranlasst werden. Hb- und Hk-Bestimmung sollten mit Hilfe einer Blutgasanalyse innerhalb weniger Minuten nach Eintreffen des Patienten in der Klinik durchführbar sein. Ob o. g. Maßnahmen von Chirurgen, Internisten oder anästhesiologischem stand-by durchgeführt werden, hängt mehr von der lokalen Klinik- und Ausbildungsstruktur als von formalen Fachgrenzen ab.
Parallel hierzu sollte die Notfallendoskopie durch ein separates Team als Primärdiagnostikum der Wahl in die Wege geleitet werden. Idealerweise wird die Endoskopie auf einer Intensivstation oder in einer für intensivmedizinische Notfallmaßnahmen ausgerüsteten Endoskopieabteilung durchgeführt. Aufgrund inzwischen flächendeckender Endoskopieverfügbarkeit, großlumiger Arbeitskanäle der Blutungsendoskope und der im vorliegenden Fall zwar unwahrscheinlichen, aber nicht auszuschließenden Möglichkeit von Ösophagusvarizen ist das primäre Legen von Magensonden nicht mehr indiziert. Lediglich der seltene Fall einer endoskopisch nicht zu behebenden Magentamponade ist noch eine Indikation für eine großlumige gastrale Spülsonde. Ob die Endoskopie am intubierten Patienten erfolgt, ist in Abhängigkeit vom Aspirationsrisiko zu entscheiden.
Welche Informationen sind von der Endoskopie zu erwarten?
Die Endoskopie bis in die Pars descendens duodeni sollte über Lokalisation, Ursache und Aktivität der Blutung Auskunft geben. Die Einteilung der Blutungsaktivität sollte nach der Forrest-Klassifikation erfolgen. Sie erlaubt in Zusammenschau mit Art und Lokalisation der Blutungsquelle eine prognostische Einschätzung und entsprechende Planung des Therapiekonzeptes (s. u.).
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Dr. med. D. Psathakis
Klinik für Chirurgie
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