Dtsch Med Wochenschr 2000; 125(34/35): 1028-1029
DOI: 10.1055/s-2000-7168
Leserbriefe
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Publikation negativer Ergebnisse in der experimentellen Forschung

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Publication Date:
31 December 2000 (online)

Mit Interesse haben wir den Beitrag von Vogel und Windeler zu »Einflussfaktoren auf die Publikationshäufigkeit klinischer Forschungsergebnisse am Beispiel medizinischer Dissertationen« gelesen[3]. In der Tat ist wohl ein negatives Ergebnis eine primäre Determinante, dass eine Studie eher nicht zur Veröffentlichung gelangt [1] [2]. Wir stimmen mit den Autoren überein, dass hierfür zum einen die Zurückhaltung von Herausgebern medizinischer Zeitschriften Manuskripte mit vermeintlich uninteressanten, negativen oder statistisch nicht signifikanten Ergebnissen anzunehmen Ausschlag gebend ist, zum anderen aber auch nur wenig Interesse der Untersucher vorliegt, eine derartige Studie zu publizieren, da die Wichtigkeit als eher gering eingeschätzt und von mangelndem Interesse der Leserschaft ausgegangen wird. Die Autoren weisen in ihrem Beitrag zurecht darauf hin, dass auf Grund dieses Bias die Meinungsbildung über systematische Reviews bzw. Meta-Analysen beeinträchtigt wird. Sie weisen weiter darauf hin, dass durch konsequente Publikation auch negativer Ergebnisse die doppelte Durchführung von Studien vermieden, entsprechend Forschungsgelder eingespart, und unwirksame bzw. nebenwirkungsreiche Therapien für Patienten reduziert werden könnten.

Wir möchten zu dem Beitrag von Vogel und Windeler hinzufügen, dass die Zurückhaltung, Studien mit negativen Ergebnissen zu publizieren, nicht nur die klinische Forschung, sondern (in besonderem Maße) auch die experimentelle Forschung beeinträchtigt. Bei den sich hieraus ergebenden doppelt durchgeführten Studien steht neben der Verschwendung von Forschungsgeldern der dann auch kritisch zu bewertende Einsatz von Tierversuchen im Vordergrund. Die Genehmigung eines Tierversuchsvorhabens mit biomedizinischer Fragestellung ist entscheidend von der wissenschaftlich begründeten Darlegung abhängig, dass das angestrebte Versuchsergebnis noch nicht hinreichend bekannt ist. Eine Überprüfung eines hinreichend bekannten (auch negativen) Versuchsergebnisses durch einen Doppel- oder einen Wiederholungsversuch kann nur dann zur Genehmigung gelangen, wenn wissenschaftlich begründet dargelegt wird, dass eine derartige Überpüfung unerlässlich ist. Dies unterstreicht die besondere Bedeutung der Veröffentlichung auch negativer Ergebnisse bei tierexperimentellen Studien. Man mag die zunehmende Flut an Publikationen in der biomedizinischen Forschung, welche sich bei konsequenter Veröffentlichung von Studien mit negativen Ergebnissen noch ausdehnen würde, als bedrohlich erachten, die Verwendung elektronischer Datenbanken erlaubt heute jedoch ohne Schwierigkeit, Inhalte zielsicher zu suchen, und so die redundante Planung einer bereits von anderen durchgeführten Studien zu vermeiden.

Unter Berücksichtigung aktueller Ergebnisse der Grundlagenforschung wird es im Bereich der experimentellen Forschung immer wieder naheliegende, attraktive Arbeitshypothesen zu neuen pathophysiologischen Mechanismen und entsprechenden therapieverfahren geben, die eine Herausforderung darstellen, überprüft zu werden. Zeigen sich hierbei negative Ergebnisse, d. h. die Arbeitshypothese muss verworfen werden, so bewirkt eine Nicht-Veröffentlichung dieser Resultate, dass andere Untersucher sich weiterhin der Herausforderung der Überprüfung der nahe liegenden Arbeitshypothese stellen. Um dies zu vermeiden, bleibt zu wünschen, dass (i) Gutachter und Herausgeber medizinischer Zeitschriften bei ihrer Entscheidung zur Annahme eines Manuskripts zur Publikation primär die Wichtigkeit der Studie und die Attraktivität der überprüften Arbeitshypothese und nicht nur das signifikante Ergebnis berücksichtigen, und (ii) Untersucher auch bei negativem Ergebnis einer Studie ihrer Verantwortung nachkommen, dieses der wissenschaftlichen Öffentlichkeit zu vermitteln. Wie von Christian Gluud postuliert[2], könnte dann das Positive der »negativen Studien« bei geringerer Belastung für Mensch und Tier zu einem rascheren Erkenntnisgewinn in der biomedizinischen Forschung beitragen.

Literatur

  • 1 Angell M. Negative studies.  New Engl J Med. 1989;  32 464-466
  • 2 Gluud C. »Negative trials« are positive!.  J Hepatol. 1998;  28 731-733
  • 3 Vogel U, Windeler J. Einflussfaktoren auf die Publikationshäufigkeit klinischer Forschungsergebnisse am Beispiel medizinischer Dissertationen.  Dtsch med Wschr. 2000;  125 110-113

Prof. Dr. Michael D. Menger
Prof. Dr. Brigitte Vollmar

Institut für Klinisch-Experimentelle Chirurgie

Universität des Saarlandes

66 421 Homburg/Saar