Dtsch Med Wochenschr 2000; 125(37): 1064
DOI: 10.1055/s-2000-7351
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Brugada-Syndrom

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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
31. Dezember 2000 (online)

Das kardiale Aktionspotential ist zu jedem Zeitpunkt des elektrischen Herzzyklus das Resultat einer fein abgestimmten Aktivierung und Inaktivierung depolarisierender und repolarisierender transmembraner Ionenströme. Die molekularbiologische Analyse myokardialer Ionenkanäle und ihrer Mutationen haben unsere Kenntnisse über die Bedeutung einer gestörten Repolarisation des Herzens als zellulärer Ursache lebensbedrohlicher ventrikulärer Arrhythmien in den vergangen Jahren dramatisch erweitert. So konnte nachgewiesen werden, dass dem autosomal-rezessiv vererbten Jervell-Lange-Nielson-Syndrom sowie dem autosomal-dominant vererbten Romano-Ward-Syndrom Mutationen eines myokardialen Kaliumkanals (KVLQT1) oder seiner regulatorischen Untereinheit (minK) zugrunde liegen. Im EKG findet sich eine Verlängerung des QT-Intervalls, das mit rezidivierenden Synkopen und plötzlichem Herztod assoziiert ist. Eine andere Ursache des langen QT-Syndroms liegt in einer Mutation des SCN-5a-Gens, das für den kardialen Natriumkanal kodiert (LQT 3).

1992 beschrieben Brugada und Brugada (1) Patienten mit einer ST-Streckenhebung in den Ableitungen V1-3, normalem QT-Intervall und Rechtsschenkelblock, die einen plötzlichen Herztod überlebt hatten. Derartige Veränderungen werden seither als Brugada-Syndrom bezeichnet und stellen eine abgrenzbare Unterform des idiopathischen Kammerflimmerns dar. Etwa 3 % aller Überlebenden eines plötzlichen Herztodes haben ein idiopathisches Kammerflimmern. Genetische Studien haben zeigen können, dass es sich bei dem Brugada-Syndrom ebenso wie beim kongenitalen Long-QT-Syndrom-3 um allelische Defekte der a-Untereinheit des kardialen Natriumkanalgens handelt (3, 6). Die Erkrankung ist besonders häufige Ursache des plötzlichen Herztodes bei jungen Männern südostasiatischer Abstammung, kommt jedoch ebenso bei Europäern vor. Inzwischen konnten 3 SCN-5a-Mutationen beim Brugada-Syndrom nachgewiesen werden. Hierbei handelt es sich um Punktmutationen in relevanten Proteinsequenzen, Deletion einer DNA-Sequenz mit Fehlablesen durch die RNA oder Verlust eines DNA-Bruchstücks (3). Elektrophysiologische Untersuchungen exprimierter Kanalmutanten zeigen, dass die meisten bisher bekannten Mutationen zur einer Verminderung des Natriumstroms in die Herzmuskelzelle führen.

Obwohl die Threonin 1620 Methionin-Mutation beim Brugada-Syndrom in enger topologischer Nachbarschaft zu den Veränderungen beim LQT-3-Syndrom liegt (Position 1623), sind die biophysikalischen Eigenschaften des Natriumkanals in beiden Fällen völlig unterschiedlich. Die Mutation beim LQT-3-Synddrom führt zu einer Verlängerung der QT-Zeit im Oberflächen-EKG. Rekombinante R 1623 Q-Kanälen zeigen sehr langsame Inaktivierung und so einen großen persistierenden Natriumeinstrom in der Zelle. Im Gegensatz hierzu weisen Patienten mit T 1620 M-Brugada-Syndrom keine Verlängerung der QT-Zeit auf. Diese Befunde zeigen, dass das Brugada-Syndrom und das LQT-3-Syndrom verschiedene Erkrankungen sind.

Die Expressionen mutierter Kanäle im Herzen von Patienten mit Brugada-Syndrom führen zur Heterogenität der Refraktärzeiten im Myokard, die als Substrat für die Entwicklung von Reentry-Tachykardien angesehen wird. Allerdings sind nicht alle klinischen Phänomene durch die genannten Veränderungen in der Kinetik des kardialen Natriumkanals erklärbar. So finden sich bei Patienten mit Brugada-Syndrom immer wieder eine vorübergehende Normalisierung des EKGs und in der Folge wiederkehrende typische Veränderungen (2). Familienuntersuchungen von Brugada et al. (3) zeigen, dass Patienten mit intermittierenden Veränderungen eine ebenso häufige Inzidenz lebensbedrohlicher Tachyarrhythmien aufweisen wie Patienten mit persistierender ST-Streckenhebung. Durch Gabe eines Klasse Ic-Antiarrhythmikums (Ajmalin 1mg/kg Körpergewicht oder Flecainid 2mg/kg Körpergewicht) ließen sich in dieser Studie bei allen Patienten, die die Mutation des kardialen Natriumkanals aufwiesen, die typischen EKG-Veränderungen provozieren, jedoch bei keinem Patienten der nicht betroffenen Kontrollgruppe. Die Arbeit von Carlsson et al. (S. 1076 dieses Heftes) bietet hierfür ein sehr gutes Beispiel.

Literatur

  • 1 Brugada P, Brugada J. Right bundle branch block, persistent ST segment elevation and sudden cardiac death.  J Am Coll Cardiol.. 1992;  20 1391
  • 2 Brugada J, Brugada P. What to do in patients with no structural heart disease and sudden arrhythmic death?.  Am J Cardiol. 1996;  78 69-75
  • 3 Brugada R, Brugada J, Antzelevitch C. et al . Sodium channel blockers identify risk for sudden death in patients with ST-segment elevation and right bundle branch block but structurally normal hearts.  Circulation. 2000;  101 510-515
  • 4 Chen Q, Kirsch G E, Zhang D. et al . Genetic basis and molecular mechanism for idiopathic ventricular fibrillation.  Nature. 1998;  392 293-296
  • 7 Tung R T, Shen W K. et al . Idiopathic ventricular fibrillation in out-of-hospital cardiac arrest survivors.  Pacing Clin Electrophysiol.. 1994;  17 1405
  • 8 Whang Q, Shen J, Splawski I. et al . SCN5A mutations associated with an inherited cardiac arrhythmia, long QT syndrome.  Cell. 1995;  80 805-811

Prof. Dr. D. J. Beuckelmann

Klinik III für Innere Medizin Universität zu Köln

Joseph-Stelzmann-Str. 9

50924 Köln