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DOI: 10.1055/s-2000-7664
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York
»Seabluehistiocyte«-Syndrom
Publication History
Publication Date:
31 December 2000 (online)

Frage: Anlässlich einer Vorsorgeuntersuchung wurde bei einem Kollegen eine erhebliche Erhöhung der Transaminasenwerte (GOT 387, GPT 882 U/l) gefunden. Die serologischen Untersuchungen auf alle Hepatitisformen waren negativ. Eine Immunhepatitis wurde ausgeschlossen, ebenso eine primäre Siderose der Leber.
Im histologischen Befund eines Leberblindpunktates wurde eine Ceroidspeicherkrankheit, das sogenannte »sea blue histiocyte«-Syndrom diagnostiziert. Welche Bedeutung hat dieser Befund hinsichtlich Verlauf, Therapie und Prognose?
Antwort: Der Befund eines »sea-blue histiocyte syndrome« in einem Leberblindpunktat ist für sich alleine hinsichtlich Verlauf, Therapie und Prognose nicht zu bewerten, da es offensichtlich eine Vielzahl von Erkrankungen gibt, bei denen sich dieses Bild darstellt.
Möschlin beschrieb bereits 1947 in einem Milzbiopsat Makrophagen mit dicht gepackten Ganula, die bei der Giemsa-Färbung eine tiefblaue Farbe annahmen; er nannte sie »blaue Pigmentmakrophagen«. Der Begriff »syndrome of the sea-blue histiocyte« (SBH) wurde von Silverstein et al. 1970 eingeführt [1]. Er beschrieb neun Patienten, die alle eine Splenomegalie und im Knochenmark seeblaue Histiozyten zeigten. Das klinische Spektrum dieser sieben weiblichen und zwei männlichen Patienten im Alter von 6 bis 61 Jahren reichte von einer relativ gutartigen milden thrombozytopenischen Purpura über Myelofibrose bis hin zur Leberzirrhose und Leberversagen [1]. Biochemisch wurde eine abnorme Akkumulation von Glykophingolipiden und Phospholipiden, assoziiert mit einer abnorm hohen Ausscheidung von Mukopolysacchariden gefunden.
Dieser Befund entspricht wohl einem primären familiären SBH als einer sehr seltenen angeborenen Störung des Lipidstoffwechsels, die wahrscheinlich autosomal-rezessiv vererbt wird. Die charakteristischen Histiozyten infiltrieren diffus das Knochenmark und finden sich meistens auch in Leber und Milz. Die verminderte Aktivität der Sphingomyelinase deutet darauf hin, dass zumindest einige Fälle dieses Syndroms einer Erwachsenenform der Niemann-Pick-Erkrankung mit Leberbeteiligung entsprechen, die ohne typische neurologische Symptome, Makuladegeneration oder Pigmentierungen verlaufen kann [2] [3] . Die HDL-Cholesterinwerte können sehr niedrig sein [4].
Seeblaue Histiozyten werden aber auch bei einer Vielzahl anderer Erkrankungen im Knochenmark nachgewiesen, somit ist dieser Befund nicht spezifisch. Eine Medline-Suche ergab 78 Publikationen über das SBH seit 1970, vorwiegend nicht-englischsprachige Fallberichte. Ein SHB wurde beispielsweise bei Mononukleose mit Porphyrie, familiärem Lezithin:Cholesterinacyltransferase-Defizit, Cholesterinester-Speicherkrankheit, langer parenteraler Ernährung und insbesondere bei hämatologischen Erkrankungen wie Eisenmangel- oder Sichelzellanämie, Thalassämie, Leukämien, Morbus Hodgkin, multiplem Myelom und idiopathischer thrombozytopenischer Purpura beschrieben. Ob in diesen Fällen die (erworbene oder sekundäre) seeblaue His-tiozytose die Folge einer Überladung der Zellen mit normalen Enzymen oder Ausdruck eines milden Enzymdefektes ist, ist unklar.
Bei dem beschriebenen asymptomatischen 57-jährigen Patienten wurde zufällig eine Transaminasenerhöhung festgestellt. Die Vorgeschichte war völlig unauffällig, eine genetische Belas-tung für Speicherkrankheiten lag nicht vor. Die Sonographie des Abdomens zeigte eine Leberparenchymverfettung, aber keine Milzvergrößerung. Umfassende serologische Untersuchungen ergaben keinen Hinweis auf eine infektiöse oder Autoimmun-Hepatitis. Anmerkenswert waren lediglich eine minimale Thrombozytopenie und der Verdacht auf eine Autoimmunhepatitis. Die Transaminasen waren im Verlauf von einigen Wochen rückläufig, so dass der Patient eine Knochenmarkpunktion zur weiteren Abklärung ablehnte.
Eine Aussage über die Prognose des SBH ist in diesem Fall somit nicht möglich. Es wird sich am ehesten um ein sekundäres SHB handeln, dessen Ätiologie (noch) unbekannt ist. Die Vielzahl der hämatologischen und prognostisch entscheidenden Erkrankungen, bei denen ein SBH beschrieben wurde, muss durch eine Knochenmarkpunktion weiter abgeklärt werden. Ein primäres SBH im Sinne einer Erwachsenenform des Niemann-Pick-Syndroms hat normalerweise eine gute Prognose, je später diagnostiziert, desto besser. Für die Diagnose und Typisierung wird in Speziallaboratorien die Bestimmung der Sphingomyelinaseaktivität in kultivierten Fibroblasten durchgeführt.
Literatur
- 1 Silverstein M N, Ellefson R D, Ahern E J. The syndrome of the sea-blue histiocyte. N Engl J Med. 1970; 282 1-4
- 2 Sawitsky A, Rosner F, Chodsky S. The sea-blue histiocyte syndrome, a review: Genetic and biochemical studies. Sem Hematol. 1972; 9 285-297
- 3 Fried K, Beer S, Krespin H I, Leiba H, Djaldetti M, Zitman D, Klibansky C. Biochemical, genetic and ultrastructural study of a family with the sea-blue histiocyte syndrome/chronic non-neuropathic Niemann-Pick disease. Eur J Clin Invest. 1978; 8 249-253
- 4 Viana M B, Giugliani R, Leite V H, Barh M L, Lekhwani C, Slade C M, Fensom A. Very low levels of high density lipoprotein cholesterol in four sibs of a family with non-neuropathic Niemann-Pick disease and sea-blue histiocytosis. J Med Gen. 1990; 27 499-504
Prof. Dr. Dr. Hanns-Ulrich Marschall
Karolinska
Institutet Department of Medicine Division of
Gastroenterology and Hepatology
Huddinge University
Hospital K63
141 86 Stockholm
Schweden
Email: E-Mail:hanns-ulrich.marschall@mbb.ki.se