Zusammenfassung
Akupunkturtherapie ist in Europa unter der Geburt vorwiegend als Analgesiemethode
bekannt. In der einschlägigen Literatur werden zur Geburtsvorbereitung vorwiegend
Akupunkturpunkte mit psychisch ausgleichender Wirkung angegeben. Ziel der vorliegenden
Studie ist die Untersuchung von morphologisch nachweisbaren Veränderungen wie Zervixlängenänderung,
des Bishop-Scores und der Geburtsdauer nach Akupunkturtherapie mit spezifischen Akupunkturpunkten,
die in der Literatur als geburtserleichternd beschrieben sind.
Fragestellung
Ist bei Erstgebärenden nach Akupunkturtherapie eine Veränderung hinsichtlich Geburtsdauer,
Zervixbefund und Zervixlänge im Vergleich zu einer nichtbehandelten Vergleichsgruppe
und einer mit als psychisch ausgleichend geltenden Akupunkturpunkten behandelten Kontrollgruppe
feststellbar?
Methode
Prospektiv randomisiert wurde ab der 36. SSW in wöchentlichem Behandlungsintervall
bei n = 329 Erstgebärenden mit unkompliziertem Schwangerschaftsverlauf eine Akupunkturtherapie
mit den Akupunkturpunkten Ma 36, Gb 34, MP 6 und Bl 67 bis zur Entbindung durchgeführt,
bei durchschnittlich 4,3 Behandlungssitzungen. Das Vergleichskollektiv umfasste n
= 325 erstgebärende Frauen, die keine Akupunkturtherapie erhalten hatten und an der
Klinik im Studienzeitraum entbunden wurden. Im Kontrollkollektiv wurden n = 224 Frauen
beobachtet, die eine als „psychisch ausgleichend“ geltende Akupunkturtherapie erhielten.
Die erhobenen Hauptparameter waren der Bishop-Score, die sonographisch ermittelte
Zervixlängendifferenz nach der vierten Akupunktursitzung bzw. in der 40. SSW (in der
nichtbehandelten Vergleichsgruppe), sowie die Geburtsdauer ab Beginn muttermundswirksamer
Wehentätigkeit.
Ergebnisse
Nach AT betrug die mittlere Geburtsdauer 470 ± 190 Minuten. Demgegenüber war sie bei
nichtbehandelten Frauen mit 594 ± 241 Minuten hochsignifikant (p < 0,0001 im t-Test)
länger. In der Kontrollgruppe mit dem psychisch ausgleichenden Akupunkturschema, das
als Plazebogruppe diente, wurde eine Geburtsdauer von 536 ± 200 Minuten (p < 0,002
im t-Test) ermittelt. Auch in der relativen Bishop-Score-Veränderung war nach Akupunkturtherapie
mit einer Differenz von 5,9 (± 1,3) Punkten eine hochsignifikant (p < 0,0001) stärkere
Reifung der Zervix als in der Kontrollgruppe mit 4,0 (± 0,9) und in der nicht akupunktierten
Vergleichsgruppe mit 3,6 (±1,0) Punkten zu verzeichnen. Dementsprechend unterscheidet
sich die sonographisch ermittelte Zervixlängenveränderung zwischen den drei Gruppen
signifikant. In der Studiengruppe betrug sie im Mittel 15,9 mm (± 4,8), in der Kontrollgruppe
9,8 mm (± 3,4) und in der nichtbehandelten Vergleichsgruppe 8,9 mm (± 3,3). Darüber
hinaus führt die morphologische Akupunkturtherapie hochsignifikant häufiger zu einer
zuvor nicht nachweisbaren Trichterbildung im Bereich des Os internum, welche als Zeichen
eines deutlich begünstigt abgelaufenen Reifungsprozesses gewertet werden kann.
Schlussfolgerung
Die Geburtsdauer stellt eine multifaktoriell beeinflusste Größe dar. Die hier vorliegenden
Ergebnisse, insbesondere die sonographisch ermittelte Zervixlängenveränderung sowie
die nachweisbare Trichterbildung zeigen aber einen deutlichen, erstmals nachgewiesenen,
morphologischen Effekt der Akupunkturtherapie im Sinne einer geburtsvorbereitenden
Reifungsbeschleunigung an der Zervix. Ferner konnte eine wesentlich günstigere Wehenkoordination
im Geburtsverlauf nach geburtsvorbereitender Akupunkturtherapie beobachtet werden,
die zusammen mit den Wirkungen der Zervixreifung zur Verkürzung der Eröffnungsperiode
und somit zu einer nachweisbaren Verkürzung der gesamten Geburtsdauer führt. Die Akupunkturtherapie
sollte als risikolose, additive, von den Schwangeren sehr gut angenommene und nachweislich
effiziente geburtsvorbereitende Methode allen Frauen bei ansonsten unkompliziertem
Schwangerschaftsverlauf empfohlen werden.
Summary
Objective
In Europe, acupuncture is used primarily for analgesia during birth. However, acupuncture
points with an emotionally balancing effect have been postulated to have a beneficial
effect during prenatal preparation. We studied morphologic features and the duration
of labor after acupuncture of acupoints specified for prenatal preparation.
Methods
329 primiparas with uncomplicated pregnancies of 36 weeks' duration or longer underwent
acupuncture of the points Ma 36, Gb 34, MP 6 and BI 67 at weekly intervals until delivery
(mean 4.3 sessions per subject). They were compared with 325 primiparas who did not
undergo acupuncture and delivered at our institution during the study period and 224
women who underwent nonspecific acupuncture. The Bishop score, the length of the cervix
(as measured by ultrasonography), and the duration of labor were recorded.
Results
The mean duration of labor in the patients receiving specific acupuncture, nonspecific
acupuncture and no acupuncture was 470 ± 190, 536 ± 200, and 594 ± 241 min., respectively
(p < 0.002, t-test). Cervical maturation was more pronounced in the treatment group
(relative Bisop score change 5.9 ± 1.3, 4.0 ± 0.9, and 3.6 ± 1.0 points, respectively;
p < 0.0001). Accordingly, the cervical length change differed significantly among
the groups (15.9 ± 4.8, 9.8 ± 3.4, and 8.9 ± 3.3 mm, respectively). Specific acupuncture
also was associated with a significant increase in the rate of de novo funneling at
the level of the internal os.
Conclusions
These results show that specific prenatal acupuncture can cause morphologic changes
at the cervix prior to delivery. Uterine contractions appeared to be better coordinated
in women who had received specific acupuncture, leading to more efficient and shorter
labor. This suggests that specific prenatal acupuncture should be considered for women
with uncomplicated pregnancies as they approach term.