Geburtshilfe Frauenheilkd 2000; 60(10): 523-526
DOI: 10.1055/s-2000-8034
Originalarbeit

Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Postpartale Blutungen und von Willebrand-Jürgens-Syndrom

Post Partum Uterine Bleeding and von Willebrand's DiseaseCh. Egarter, R. Hundegger, P. Husslein, A. Topcuoglu, A. Kyrle
  • Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Abteilung für Geburtshilfe und Gynäkologie, Wien
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Publication Date:
31 December 2000 (online)

Zusammenfassung

Fragestellung

Verschiedene Studien haben gezeigt, dass beim Auftreten von spezifischen Blutungsstörungen auf ein von Willebrand-Jürgens-Syndrom Subtyp I (vWJS I) mit einer höheren Inzidenz geschlossen werden kann. Wir haben in dieser Studie Patientinnen mit einem postpartalen Blutverlust von mehr als 500 ml retrospektiv auf das Vorliegen eines vWJS I abgeklärt.

Material und Methodik

Insgesamt 3565 Entbindungen des Jahres 1997 wurden durch Berechnung des Hämoglobinabfalls vom 1. auf den 3. Tag post partum untersucht. 14 Patientinnen wiesen einen Hämoglobinabfall von mehr als 8 % auf und wurden in unsere Studie inkludiert. Die Patientinnen nahmen für die Dauer von zwei aufeinander folgenden Menstruationszyklen keine Hormonmedikation ein. Die Blutabnahme erfolgte am 5. - 7. Tag des darauffolgenden dritten Menstruationszyklus, um repräsentative Spiegel des plasmatischen vWF : Ag und der Aktivitäten Faktor VIII : C zu erhalten. Darüber hinaus wurden noch die Aktivität Faktor II : C, V : C, VII : C, IX : C, X : C, XI : C und XII : C bestimmt. Alle Patientinnen wurden mittels Fragebogen nach zusätzlichen spezifischen Symptomen eines vWJS I befragt.

Ergebnisse

In allen Fällen waren das plasmatische vWF : Ag und die Aktivität Faktor VIII : C im Normbereich und zueinander gut korreliert, womit wir ein vWJS I ausschließen konnten. In 2 Fällen konnten wir eine isolierte verringerte Aktivität einzelner Gerinnungsfaktoren nachweisen. In einem Fall waren die Aktivität Faktor XI : C auf 46 % und Faktor XII : C auf 53 % verringert, die APTT auf 48,5 s erhöht. Im anderen Fall waren die Aktivität Faktor VII : C auf 69 % und der Normotest auf 62 % reduziert. Bei 10 (71 %) der 14 untersuchten Patientinnen konnten wir eine leichte Anämie diagnostizieren.

Schlussfolgerung

Aus unseren Ergebnissen lässt sich nicht ableiten, dass postpartale Blutungskomplikationen mit einer erhöhten Inzidenz des vWJS I einhergehen, sondern meist durch eine postpartale Atonie verursacht werden, so dass eine Abklärung auf ein vWJS I nur bei zusätzlichen anamnestischen Hinweisen erfolgen sollte.

Summary

Objective

An increased prevalence of type I von Willebrand's disease has been described in populations with bleeding disorders. We studied the prevalence of von Willebrand's disease in patients with increased postpartum blood loss.

Methods

Of 3565 deliveries in 1997, 14 mothers had a hemoglobin decrease of more than 8 g/dL between the first and third days postpartum. After two consecutive menstrual cycles without intake of hormonal agents, blood samples were obtained between days 5 and 7 of the next menstrual cycle. We measured the plasma level of the von Willebrand factor (vWF) and the activity of factors VIII : C, II : C, V : C, VII : C, IX : C, X : C, XI : C and XII : C. All women completed a questionnaire designed to elicit specific symptoms of von Willebrand's disease.

Results

All women had normal plasma levels of vWF and normal factor VIII : C activity, thus ruling out von Willebrand's disease. Two patients had decreased activity of individual coagulation factors (one with factor XI : C activity 46 %, factor XII : C activity 53 % and aPTT 48.5 sec and one with factor VII : C activity 69 % and normotest 62 %). Ten (71 %) of the 14 subjects had mild anemia.

Conclusion

The prevalence of type I von Willebrand's disease does not appear to be increased in women with increased postpartal blood loss.

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Prof. Dr. Ch. Egarter

Abteilung für Geburtshilfe und Gynäkologie Universitätsklinik für Frauenheilkunde

Währinger Gürtel 18 - 20

1090 Wien

Österreich