Aktuelle Urol 2000; 31(7): 434-436
DOI: 10.1055/s-2000-9485
FALLBERICHT
Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Harnleiterstenosen nach Antirefluxplastik

J. Steffens
  • Klinik für Urologie und Kinderurologie St. Antonius-Hospital Eschweiler Akademisches Lehrkrankenhaus der RWTH, Aachen
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Publication Date:
31 December 2000 (online)

Kommentar

Der vorgestellte Fall ist leider kein Einzelfall. Die spärlichen Berichte in der Literatur kaschieren die Realität, dass die beidseitige Antirefluxoperation mit dem Risiko der bilateralen Läsion des Ganglion pelvicums behaftet ist, wovon sowohl die Operationen nach Lich-Gregoir als auch Politano-Leadbetter betroffen sind. Einseitige Läsionen sind dem gegenüber harmlos und das beidseitige Verfahren von Cohen ebenso von dieser Komplikation ausgeschlossen.

Pathophysiologisch entsteht die Läsion, wie wir sie an der nach Thiel konservierten Leiche nachstellten, durch die Mobilisation des Ureters 1 - 11/2 cm dorsal seiner Einmündung in die Blase. Beidseitig führt diese zur kompletten Retention oftmals über Monate, manchmal irreversibel. Einseitig übernimmt die Gegenseite die Entleerungsfunktion und erhält die afferente Sensibilität über den Parasympathicus im Trigonumbereich und Sympathicus am Blasenscheitel.

Im vorliegenden Fall lag präoperativ keine neurogene Blase vor, aber eine noch in ihrer neurogenen Entwicklung befindliche, die erst nach dem ersten Lebensjahr ihre volle Funktionsfähigkeit erlangt. Vor der Zweitoperation wäre eine Restharnprüfung über einen Zystofix notwendig gewesen, um die neurogene Komponente auszuschließen. Die beidseitige Reimplantation nach missglücktem Politano ist ein riskantes Unternehmen. Weniger riskant - bei restharnfreier Entleerung - ist der einseitige Psoas-Hitch. Die Augmentation und Reimplantation als Dritteingriff endet nicht selten im CIC. Eine Reihe von Patienten endet in der supravesikalen Harnableitung.

Zusammenfassend ist diese Komplikation, wie vom Autor vermerkt, vermeidbar, wenn

nach dem ersten Lebensjahr operiert wird, und nicht beidseitig in einer Sitzung.

Vier von mir operierte, identische Fälle, die mir zugewiesen wurden, werfen die Frage auf, ob nicht ein einziger bereits zu viel ist. Auch hundert erfolgreich beidseitig operierte Fälle ändern daran nichts. Vielmehr brachten sie die Antirefluxoperation ins Zwielicht, da sich hinter 96 % - 98 % erfolgreich operierten Kindern Katastrophen wie die geschilderte verbergen. Dem Autor ist zu diesem mutigen Fallbericht zu gratulieren.

Im Allgemeinen werden die Röntgenbilder dieser Fälle in der Lobby bei Kongressen gezeigt mit der Frage, was jetzt zu tun sei. Fast nie werden sie publiziert, sondern wie oben beschrieben, mit geringer Aussicht auf Erfolg rekonstruiert und später abgeleitet. Die konservativen Guidelines der AUA zur Therapie des vesikorenalen Refluxes sind nicht eine Konsequenz der hohen operativen Erfolgsrate, sondern der nie ausgesprochenen oder veröffentlichten irreversiblen Katastrophen in Einzelfällen.

R. Hohenfellner, Mainz

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