Klin Monbl Augenheilkd 2001; 218(1): 55-60
DOI: 10.1055/s-2001-11262
FALLBERICHT

Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Einseitige Aplasie eines Musculus rectus lateralis[1] [2]

Unilateral aplasia of a lateral rectus muscle - a case report and literature reviewCarl-Christian Zöller, Michael Gräf, Herbert Kaufmann
  • Augenklinik für Schielbehandlung und Neuroophthalmologie, Justus-Liebig-Universität Gießen, Friedrichstraße 18,
  • 35385 Gießen (Direktor: Prof. Dr. med. H. Kaufmann), E-mail: CCZoeller@aol.com
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Publikationsdatum:
31. Dezember 2001 (online)

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Zusammenfassung

Hintergrund Aplasien äußerer Augenmuskeln sind relativ selten. Es wird der Fall einer M. rect. lat.-Aplasie vorgestellt und eine Literaturübersicht zu Augenmuskelaplasien gegeben.

Patient und Methoden Der gesunde Junge wurde erstmals im Alter von 7 Jahren in unserer Klinik untersucht. Die Familienanamnese war unauffällig. Eine Esotropie des rechten Auges bestand seit dem 1. Lebensmonat. Es erfolgten klinisch orthoptische Untersuchungen und eine Kernspintomographie. Zur Korrektur der Schielstellung wurde eine Muskeltransposition nach Hummelsheim durchgeführt.

Ergebnisse Das rechte Auge konnte nicht über die Mittellinie abduziert werden, das linke Auge 35°. Aus der Primärposition konnte das rechte Auge 20°, das linke Auge 15° gehoben werden. Im Abdecktest bestand eine Esotropie von 24° bei Rechts- und Linksfixation (RF/LF), die bei Auf- und Abblick gleich blieb. Außerdem bestand eine Hypertropie (+ VD) von 14° (LF) ohne dissoziierte Komponente, die im Linksblick auf 21° zu- und im Rechtsblick auf 0° abnahm. Funduskopisch wurde beidseits eine Exzyklostellung von 5 - 10° geschätzt. Eine Retraktion bei horizontaler Blickwendung fiel nicht auf. Die axiale Bulbuslänge betrug rechts 25,2 mm, links 24,6 mm. Kernspintomographisch wurde eine Aplasie des rechten M. rect. lat. nachgewiesen. Die anderen Augenmuskeln erschienen hypoplastisch. Intraoperativ war der rechte M. rect. lat. nicht auffindbar. Die übrigen inspizierten Muskeln inserierten regelrecht. Es wurde eine Transposition nach Hummelsheim durchgeführt. Acht Monate postoperativ war die horizontale Exkursion des rechten Auges auf 10° Abduktion bis 15° Adduktion eingeschränkt. Es bestand Orthotropie in Ferne und Nähe. Der alternierende Abdecktest ergab in Primärposition einen Restschielwinkel von + 2° (RF/LF) mit einer + VD von 2°, die im Rechtsblick auf 1° ab-, im Linksblick auf 17° zunahm und ein V-Symptom von 8°. Stereopsis war nicht nachweisbar (Titmus-Test). Der Bagolini-Lichtschweiftest war positiv.

Schlussfolgerung Die angeborene Aplasie eines oder mehrerer äußerer Augenmuskeln ist eine Seltenheit, die als Differentialdiagnose zu einer neurogenen Parese bedacht werden muss.

Background The congenital absence of an extraocular muscle is rare . The case of an unilateral lateral rectus muscle and a review of the literature are presented.

Patient and methods A healthy 7-year old boy with inconspicuous family history was seen in our clinic. The boy had been noted to have a right esotropia from infancy. Clinical orthoptical examinations and magnetic resonance imaging (MRI) were performed. The esotropia was corrected by transposition of the superior and inferior rectus muscle.

Results With correction of the myopic astigmatism the visual acuity of either eye was 0.8. The right eye could not abduct to pass the midline, the left eye passed the midline by 35°. From the primary position the right eye was able to elevate by 20° and the left eye to elevate 15°. The alternate prism and cover test showed in either eye fixation an esotropia of 24° without significant change in elevation or depression. Besides, there was a hypertropia (+ VD) of 14° which increased to 21° in left gaze and decreased to 0° in right gaze. Indirect ophthalmoscopy showed a bilateral excyclo position of approximately 5 - 10°. Retraction of either eye was not seen in any gaze direction. The axial length of the right/left eye was 25.2 mm/24.6 mm. Aplasia of the right lateral rectus muscle and hypoplasia of the left lateral rectus muscle could be demonstrated by magnetic resonance imaging. Intraoperatively the right lateral rectus muscle was absent. The vertical eye muscles inserted regularly. Hummelsheim's procedure was performed. Eight months postoperatively, the boy was orthotropic in primary position. The inferior oblique overaction was still present together with a "V" pattern of 8°. The Bagolini test was positive.

Conclusion The congenital absence of one or more extraocular muscles is a rare condition, which has to be considered as a differential diagnosis to neurogenic nerve palsy.

1 Manuskript erstmalig eingereicht am 14. 3. 00 und in der vorliegenden Form angenommen am 4. 4. 00.

2 Herrn Prof. Dr. G. Kommerell zum 65. Geburtstag gewidmet.

Literatur

1 Manuskript erstmalig eingereicht am 14. 3. 00 und in der vorliegenden Form angenommen am 4. 4. 00.

2 Herrn Prof. Dr. G. Kommerell zum 65. Geburtstag gewidmet.