Dtsch Med Wochenschr 2001; 126(11): 318-319
DOI: 10.1055/s-2001-11859
Leserbriefe
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Atemwegsstents: Weniger Skepsis - mehr Chance

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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
28. April 2004 (online)

Mit großem Interesse haben wir die Übersichtsarbeit über Atemwegsstents gelesen, deren Untertitel ein »skeptisches Plädoyer für die Palliativmedizin« verspricht [3]. Während sich die skeptische Grundhaltung des Artikels besonders im »Fazit« sehr deutlich manifestiert, bleibt der Aspekt »Plädoyer für« weitgehend verborgen. Hier wird einem breiten medizinischen Leserkreis aus der Feder des ausgewiesenen Spezialisten die tracheobronchiale Stentimplantation als »fragwürdige Intervention« dargestellt. Als Palliation verzögere sie zwar günstigstenfalls den Tod, mache das Sterben jedoch keinesfalls leichter, schmerzfreier, erträglicher oder würdiger. Dem soll hier mit aller Deutlichkeit widersprochen werden.

Die Studien zum Thema sind limitiert, da ein kontrolliertes oder verblindetes Studiendesign ethisch nicht vertretbar oder nicht möglich ist. Der Effekt der Stentimplantation ist jedoch durch die eindrucksvolle klinische Besserung belegt. Wenn bei schwer dyspnoeischen Patienten die Luftnot deutlich vermindert werden kann und im Kontext maligner Grunderkrankungen Zeit für eine tumorspezifische Therapie gewonnen wird, so ist ein palliativer Therapieerfolg erreicht. In diesem Zusammenhang wird eine Einordnung der Stentimplantation in multimodale Therapiekonzepte [6] vermisst. In eigenen Untersuchungen konnten wir den Wert einer Kombination von unspezifisch palliativen (Stent) und tumor-spezifischen Therapieverfahren (Radiatio, Chemotherapie) bei Bronchialkarzinomen und Lymphomen zeigen [1] [4]. Im Rahmen solcher Konzepte ist auch eine vorübergehende Stentversorgung, eine so genannte intermediäre Stentimplantation möglich. In einzelnen Fällen kann dieses Konzept sogar ambulant durchgeführt werden [5].

Wassermann [3] sieht die Stentimplantation im Rahmen nicht-tumorbedingter Atemwegsstenosen äußerst kritisch. Es ist richtig, dass die chirurgische Therapie hier die Behandlung der Wahl darstellt. In der klinischen Praxis ist jedoch eine solche - in der Regel aufwendige - Operation wegen bestehender Begleiterkrankungen oder verminderten Allgemeinzustandes nicht allen Patienten zuzumuten. Darüber hinaus ist die chirurgische Therapie nicht in jedem Fall erfolgreich und hinterlässt, insbesondere nach mehrfachen Eingriffen, nicht selten funktionell relevante narbige Stenosen. Diesen Patienten kann durch eine intermediäre oder definitive Stentimplantation auch längerfristig geholfen werden [Abb. 1]. In einer eigenen Untersuchung, in der 42 Patienten mit nicht-tumorösen Trachealstenosen ohne operative Option mit Dumon-Stents versorgt wurden, konnten die Endoprothesen in einem intermediären Therapiekonzept bei 12 Patienten nach 20 Monaten (im Mittel) entfernt werden, ohne dass während des Follow-up (19 Monate) eine erneute Stentimplantation erforderlich wurde. Bei 18 definitiv versorgten Patienten beträgt die mittlere Nachbeobachtungszeit 48 Monate, der längste Verlauf beträgt ohne wesentliche Komplikationen 61 Monate [2].

Abb. 1 Subglottische Trachealstenose nach Langzeitintubation vor und nach Silikonstent-Implantation (DUMON-Stent 16 x 50 mm).

Die Implantation eines Atemwegsstents ist eine in der Pneumologie weithin etablierte und akzeptierte Therapie bei tumorbedingten und nicht-tumorösen Stenosen der großen Atemwege. Sie stellt das einzige Rekanalisierungsverfahren dar, welches sowohl bei intraluminaler Obstruktion als auch bei Infiltration und Kompression von außen eingesetzt werden kann. Die sofortige symptomatische und funktionelle Verbesserung ist in den zitierten Studien und mit unseren eigenen Ergebnissen gut belegt [3] [4]. Die Tatsache, dass die bronchologische Intervention bei den schwerstkranken Patienten mit Komplikationen verbunden sein kann, ist nach unserer Einschätzung Zeichen für Verbesserungsbedarf, aber kein grundsätzliches Argument gegen die Stentimplantation. Wir plädieren für weniger Skepsis!

Abschließend ist die Forderung nach systematischer vergleichender Evaluation der verfügbaren Stents in prospektiven Studien zu unterstreichen.

Literatur

  • 1 Schmidt B, Massenkeil G, John M, Arnold R, Witt C. Temporary Tracheobronchial stenting in malignant lymphoma.  Ann Thorac Surg. 1999;  67 1448-1450
  • 2 Schmidt B, Olze H, Borges A C, John M, Liebers U, Kaschke O, Haake K, Witt C. Endotracheal balloon dilatation and stent implantation in benign stenoses.  Ann Thorac Surg. (in press); 
  • 3 Wassermann K. Atemwegsstents - Ein skeptisches Plädoyer für die Palliativmedizin.  Dtsch med Wschr. 2000;  125 429-435
  • 4 Witt C, Dinges S, Schmidt B, Ewert R, Budach V, Baumann G. Temporary tracheobronchial stenting in malignant stenoses.  Eur J Cancer. 1997;  33 204-208
  • 5 Witt C, Liebers U, Schmidt B, Fietze I, Borges A -C, Baumann G, Budach V. Endobronchiale intermediäre Stentimplantation mittels Fiberbronchoskop bei stenosierenden Tumoren - zukünftig auch ein ambulantes Prozedere?.  Atemw-Lungenkrankh. 1997;  23 173-177
  • 6 Witt C, Schmidt B, Geisler A, Borges A C, John M, Fietze I, Romaniuk P. Value of Bronchial Artery Embolization with Platinum Coils in Tumorous Pulmonary Bleeding.  Eur J Cancer. 2000;  36 1949-1954

Dr. B. Schmidt
Prof. Dr. C. Witt

Schwerpunkt Pneumologie Medizinische Klinik m.S. Kardiologie, Angiologie, Pneumologie Universitätsklinikum Charité Humboldt-Universität zu Berlin

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