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DOI: 10.1055/s-2001-12533
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York
Taschentuch als Atemschutz
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
31. Dezember 2001 (online)
Der Fall
Der Notarzt wird unter dem Stichwort „Menschenrettung” zu einem Hotel gerufen. Aus einem Fenster in der dritten Etage quillt dichter, schwarzer Rauch. Mehrere Löschzüge stehen bereits vor dem Hotel. Von der lokalen Einsatzleitung wird bekannt, dass ein Feuer in einem Gästezimmer entstanden sei. Im Hotel hielten sich zu diesem Zeitpunkt mindestens 130 Personen auf. Patienten seien zu diesem frühen Zeitpunkt noch nicht gefunden worden. Alle Personen aus der Halle und den ersten beiden Stockwerken hätten das Hotel kurz nach dem Feueralarm bereits verlassen.
Wenige Minuten später wird ein vollständig verrußter Feuerwehrmann von zwei Kollegen aus dem Hotel geschleppt. Einer davon drückt ihm die Maske seines Pressluftatmers auf Mund und Nase. Die erste Untersuchung ergibt einen spontan atmenden Patienten, der auf Schmerzreize nicht reagiert. Verbrennungen sind nicht zu entdecken. Schließlich wird bekannt, dass der Feuerwehrmann als Leiter seines Angriffstrupps mit dem Feuerwehrfahrstuhl in die dritte Etage gefahren war. Dort hatte sich die Fahrstuhltür geöffnet und dichter Rauch war in die Kabine gedrungen. Die Störung der eingebauten Lichtschranke verhinderte den Türschluss der Aufzugkabine und damit die sofortige Flucht. Da der Feuerwehrmann bis auf ein Taschentuch keinerlei Atemschutz mitgenommen hatte, kam es zu einer schweren Rauchinhalation. Erst die mit Pressluftatmer ausgerüsteten Kollegen, die über die Treppe gekommen waren, konnten ihn dann retten.
Da auch wenige Minuten nach Atmen reinen Sauerstoffes keine Änderung der Bewusstseinslage auftrat, wurde der Patient nach Legen mehrerer periphervenöser Zugänge unter Analgosedierung orotracheal intubiert und mit reinem Sauerstoff und PEEP 8 beatmet. Wegen einer jetzt deutlich vernehmbaren Bronchialspastik erhielt er Theophyllin sowie 250 mg Methylprednisolon intravenös. Danach wurde er in ein nahe gelegenes Großkrankenhaus eingeliefert. Dort ergab sich ein Carboxyhämoglobin von 30 %; eine Zyanidanalyse konnte das Labor nicht vornehmen. Bereits im ersten Röntgenbild des Thorax zeigten sich ausgeprägte interstitielle Veränderungen, die in den Folgestunden noch an Dichte zunahmen, so dass von einer schweren Lungenschädigung auszugehen war. Unter Fortführung der Beatmung, Gabe von Kortikosteroiden und schleimlösender Mittel sowie medikamentöser Behandlung der anfänglich noch vorhandenen Bronchialspastik erholte sich der Patient innerhalb von 9 Tagen und konnte am 15. Tag in eine Rehabilitationseinrichtung verlegt werden.
Es muss erwähnt werden, dass in dem Hotel kein weiterer Mensch zu Schaden kam.
Priv.-Doz. Dr. Frank Martens
Charité, Campus Virchow Klinikum
Medizinische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin
Klinik für Nephrologie und internistische Intensivmedizin
Augustenburger Platz 1
13353 Berlin
eMail: frank.martens@charite.de