Dtsch Med Wochenschr 2001; 126(20): 605
DOI: 10.1055/s-2001-14105
Pro & Contra
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Stellenwert der Glitazone in der Therapie des Typ-2-Diabetes: Pro

Value of glitazones in the treatment of type 2 diabetes: in favour
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Publication Date:
31 December 2001 (online)

Die Thiazolidindione oder Glitazone sind eine neue Substanzgruppe zur Behandlung des Typ-2-Diabetes. Der erste Vertreter dieser Substanzgruppe, Troglitazon, wurde 1997 in den USA zur Behandlung des Typ-2-Diabetes zugelassen, nach breiter Anwendung wurde Troglitazon aber im letzten Jahr wegen hepatotoxischer Nebenwirkungen mit welt weit über 60 Todesfällen vom Markt genommen. Die beiden in Deutschland verfügbaren Glitazone, Rosiglitazon (Avandia®) und Pioglitazon (Actos®), sind in den USA seit 1999 zugelassen und inzwischen millionenfach verwendet. Eine - reversible - Hepatotoxizität wurde im Zusammenhang mit der Einnahme von Rosiglitazon lediglich in Einzelfällen beschrieben [1] [2].

Die Blutzucker(BZ)-senkende Wirkung beider Glitazone ist in klinischen Studien gut belegt (Übersicht bei 3). In randomisierten, plazebokontrollierten Studien über 6 Monate senkte Rosiglitazon bei einer Tagesdosis von 4-8 mg den Nüchtern-BZ im Vergleich zu Plazebo um 50-80 mg/dl, das HbA1c um 0,8 bis 1,5 Prozentpunkte. Dieser BZ-senkende Effekt hielt auch bei einer Fortführung der Studien über 6 Monate hinaus an und nahm tendenziell sogar zu [4]. Pioglitazon senkte den Nüchtern-BZ in einer Tagesdosis von 15-30 mg über 3-6 Monate um 30-50 mg/dl, das HbA1c im Vergleich zu Plazebo um 0,8 bis 1,6 Prozentpunkte. Mit beiden Substanzen lassen sich in Kombination mit Sulfonylharnstoffen, Metformin oder einer Insulintherapie ähnliche Effekte erzielen [5]. Die BZ-Senkung durch die Glitazone beruht vor allem auf einer Reduktion der peripheren Insulinresistenz mit verbesserter Glukoseaufnahme in die Muskelzellen, in geringerem Ausmaß auch auf einer reduzierten hepatischen Glukoneogenese. Diese Effekte werden über eine Aktivierung des nukleären »peroxisome-proliferator-activated receptor γ«, PPARγ, vermittelt [6].

Neben der mit anderen oralen Antidiabetika vergleichbaren BZ-senkenden Wirkung liegt eine wesentliche Bedeutung der Glitazone - die aufgrund ihrer Neuheit natürlich noch nicht an klinischen Endpunkten belegt ist - in ihren Wirkungen auf andere Risikofaktoren der Arteriosklerose. Der Typ-2-Diabetes ist über die Insulinresistenz eng mit der Hyperlipidämie und der arteriellen Hypertonie verbunden, und die koronare Herzkrankheit ist die bei weitem häufigste Todesursache bei Patienten mit Typ-2-Diabetes. Die heute übliche, zum Teil noch eher BZ-fokussierte Pharmakotherapie des Typ-2-Diabetes kann dieser Tatsache nur unzureichend Rechnung tragen und wird zunehmend durch eine Polypharmakotherapie mit Lipidsenkern, Antihypertensiva und Thrombozytenaggregationshemmern abgelöst. Hier deuten sich multiple günstige Effekte der Glitazone an: die Glitazone senken die Triglyzeride, erhöhen das HDL- und zum Teil aber auch das LDL-Cholesterin - dies aber in Verbindung mit einer Verschiebung zu größeren, weniger leicht oxidierbaren und damit auch weniger atherogenen LDL-Partikeln. Die Thrombozytenaggregation wird gehemmt, PAI-1 und Fibrinogen gesenkt, auch eine eventuell bestehende Mikroalbuminurie wird gesenkt. Die Glitazone senken den Blutdruck, sie verbessern - gemessen am Unterarmblutfluss und der Relaxationsfähigkeit der Koronararterien - die Endothelfunktion, und die Migration glatter Muskelzellen wird gehemmt [7] . Die Bedeutung einer Stimulation von CD-36, einem scavenger receptor, durch die Glitazone ist allerdings noch unklar [8]. Obwohl es sich bei all diesen Beobachtungen jeweils nur um Teilaspekte der Arteriosklerose-Entwicklung handelt, spricht damit doch vieles für eine anti-atherogene Wirkung der Glitazone.

Die Einführung der Glitazone stellt damit einen vielversprechenden, vermutlich weit über die BZ-senkende Wirkung hinausreichenden Ansatz in der Pharmakotherapie des Typ-2-Diabetes dar. Wie bei jedem neuen Pharmakon muss ihr Einsatz unter sorgfältiger, individueller Nutzen-Risiko-Abschätzung erfolgen, und die Kontraindikationen wie Herzinsuffizienz, vorbestehende Hepatopathie oder Anämie sind strikt zu beachten. Die europäische Zulassungsbehörde für Pharmaka hat dem Rechnung getragen und den Einsatz der Glitazone vorerst nur in Kombination mit Sulfonylharnstoffen oder Metformin zugelassen. Auch auf die Entwicklung von unerwünschten Wirkungen wie Gewichtszunahme, Hepatopathie oder auch einer Anämie ist natürlich zu achten, und die entsprechenden Kontrollen sind einzuplanen. Der tatsächliche Nutzen der Glitazone ist im Rahmen von groß angelegten Endpunktstudien zu klären - diese sind initiiert und werden uns in einigen Jahren einen »evidence-based« Einsatz der Glitazone ermöglichen.

Literatur

  • 1 Forman L M, Simmons D A, Diamond R H. Hepatic failure in a patient taking rosiglitazone.  Ann Intern Med. 2000;  132 118-121
  • 2 Al-Salman J, Arjomand H, Kemp D G, Mittal M. Hepatocellular injury in a patient receiving rosiglitazone. A Case report.  Ann Intern Med. 2000;  132 121-124
  • 3 Füchtenbusch, M, Standl E, Schatz H. Clinical efficacy of new thiazolidinediones and glinides in the treatment of type 2 diabetes mellitus.  Exp Clin Endocrinol Diabetes. 2000;  108 151-163
  • 4 Phillips L S, Grunberger G, Miller E, Patwardhan R, Rappaport E B, Salzman A. Rosiglitazone Clinical Trials Study Group . Once- and twice-daily dosing with rosiglitazone improves glycemic control in patients with type 2 diabetes.  Diabetes Care. 2001;  24 308-315
  • 5 Wolffenbuttel B H, Gomis R, Squatrito S, Jones N P, Patwardhan R N. Addition of low-dose rosiglitazone to sulphonylurea therapy improves glycaemic control in Type 2 diabetic patients.  Diabet Med. 2000;  17 40-47
  • 6 Lehmann J M, Moore L B, Smith-Oliver T A, Wilkison W O, Willson T M, Kilewer S A. An antidiabetic thiazolldinedione is a high affinity ligand for peroxisome proliferator-activated receptor gamma (PPAR gamma).  J Biol Chem. 1995;  270 12953-12956
  • 7 Parulkar A A, Pendergrass M L, Granda-Ayala R, Lee T R, Fonseca V A. Nonhypoglycemic effects of thiazolidinediones.  Ann Intern Med. 2001;  134 61-71
  • 8 Tontonoz P, Nagy L. Regulation of macrophage gene expression by peroxisome-proliferator-activated receptor gamma: Implications for cardiovascular disease.  Curr Opin Lipidol. 1999;  10 485-490

Korrespondenz

Priv.-Doz. Dr. Martin Pfohl

BG-Kliniken Bergmannsheil Medizinische Universitätsklinik Kernklinik, Endokrinologie und Stoffwechsel

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