Psychother Psychosom Med Psychol 2001; 51(6): 231
DOI: 10.1055/s-2001-14304
EDITORIAL
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Aus der Traum - Dienstleistung via Internet?

A Lost Dream - Service via Internet?
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Publication Date:
31 December 2001 (online)

Es war einmal - und das ist gar nicht so lange her -, da wurde verbreitet, Psychotherapeuten, medizinische Psychologen, Psychosomatiker, würden in naher Zukunft unter einem Internetportal vereint ihre Dienste anbieten. Was bei der Deutschen Bahn und der Lufthansa zu funktionieren scheint, schien auch manchen aus der Zunft nicht unbillig:

„Suche Therapeuten mittleren Alters, glücklich verheiratet, eklektisch-analytischer Orientierung mit mindestens fünf erfolgreich abgeschlossenen Bulimiebehandlungen etc.”

Angeboten wird so etwas schon seit einiger Zeit in den USA, z. B. in folgender Form unter http://www.mentalhealthnet. org/homepage/about/

„Mental Health Network is the global professional meeting place and information source on Internet for the mental health community. This information and communication service is offered to you by the World Federation for Mental Health (WFMH) in cooperation with Internet-information provider VercomNet. The purpose of this Internet program is to further develop mental health science and practice and to stimulate international cooperation in the field of mental health, by providing the global mental health community with facilities to publish and search for information, to exchange knowledge and to maintain relations on a global scale”.

Wer also an einem breiten Themenspektrum zu Fragen der seelischen Gesundheit (mental health) interessiert ist, der klicke sich mal bei diesem Netzwerk ein. Eine kleine tour d'horizon empfiehlt sich dem Ratlosen; der Experte wird vermutlich zuerst nachschauen wollen, ob er oder sie denn in seinem oder ihrem Fachgebiet auch genannt sind. Wenn das nicht der Fall sein sollte, dann wird dieses Netzwerk nicht mehr lange unter den favourite Addressen stehen.

Für Patienten oder solche, die es werden wollen, gibt es eine „patient/consumer search engine” - was also früher mal der Rat des Nachbarn oder des Arbeitskollegen war, wird nun mit einer „Maschine” betrieben. Nun ja. An anderer Stelle haben sich schon echte Horrorvisionen ausgebreitet.

„Another way to browse the system is to enter one of the Knowledge Center websites on specific mental health disorders or areas of expertise, by clicking on ,Knowledge Centers‘ and selecting the subspeciality of your interest. This could be an excellent source if you are looking for information or contacts in a more specified area of mental health science and practice.”

So klingt das doch ganz vernünftig; doch der Pferdefuß kommt dann gleich: „Knowledge Centers are made possible by educational grants of the mental health industry.”

Am Ende solcher Mausbewegungen stehen also die Anzeigen der Pharmaindustrie, vornehm als Mental Health Industry geliftet. Ob das der richtige Weg zur Verbesserung der Versorgung ist, mag bezweifelt werden. Immer deutlicher zeigt sich, dass gute Leistung ohne gutes Geld nicht zu bekommen ist. Die kollektiven Suchbewegungen über den richtigen, vernünftigen Weg zur Nutzung des neuen Mediums werden wohl noch eine Zeit dauern. Diese Zeit sollte man jedoch nutzen um sich kundig zu machen, zum Beispiel bei Nicola Dörings sachkundigem Artikel über „Selbsthilfe, Beratung und Therapie im Internet”, der sich in dem sehr informativen Übersichtsband von Bernard Batinic findet.

Literatur

  • 1 Batinic B. Internet für Psychologen. 2. Auflage. Göttingen; Hogrefe 2000
  • 2 Kächele H. Wege und Umwege zur Psychotherapie - und Irrwege?.  Psychotherapie Forum. 2000;  8 14-21

Horst Kächele, Ulm