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DOI: 10.1055/s-2001-14496
Häufige Formen infektiöser Diarrhoe nach Auslandsaufenthalt - Was ist gesichert und was wird praktisch getan?
Common forms of infectious diarrhoea after trips abroad: what is proven and what is actually done?Publication History
Publication Date:
11 September 2002 (online)
Epidemiologie und Meldevorschriften
Die durch Infektionen oder mikrobiell bedingte Intoxikationen ausgelösten Durchfall-erkrankungen gehören weltweit zu den häufigsten Infektionskrankheiten überhaupt und zählen in Entwicklungsländern zu den führenden Ursachen von Morbidität und Mortalität, insbesondere im Kindesalter [2].
Auch in Deutschland haben infektiöse Gastroenteritiden innerhalb der Gesamtmorbidität der akuten Erkrankungen und der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit eine große Bedeutung ( [Tab. 1]). Die tatsächliche Häufigkeit ist jedoch nicht bekannt. Viele Erkrankte suchen aufgrund eines leichten und kurzen Krankheitsverlaufes keinen Arzt auf, und die große Mehrzahl der Erkrankungen wird ätiologisch nicht geklärt. Aufgrund des im Allgemeinen leichten Krankheitsverlaufes ist die Rate der Krankenhausbehandlungen relativ gering und die Letalität unter unseren Bedingungen und bei Immunkompetenten niedrig.
Dennoch sind Durchfallerkrankungen ein häufiger Anlass für ambulante ärztliche Behandlung. So werden nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigungen in Deutschland pro Jahr etwa 2,5 Millionen bakteriologische Stuhluntersuchungen alleine im Rahmen der ambulanten kassenärztlichen Behandlung durchgeführt.
Nach dem alten Bundes-Seuchengesetz (BSeuchG) war bereits der Verdacht einer Enteritis infectiosa meldepflichtig. Es wurde jedoch nur ein kleiner Teil der Erkrankungsfälle gemeldet; vorwiegend solche, bei denen ein Nachweis spezifischer Enteropathogene gelang [Tab. 2] . Nach dem neuen Infektionsschutzgesetz (IfSG) ist eine Meldung bei Enteritisverdacht nur mehr erforderlich, wenn
eine Person betroffen ist, die tätig bzw. beschäftigt ist beim Herstellen, Behandeln oder Inverkehrbringen von bestimmten Lebensmitteln, wenn sie dabei mit diesen in Berührung kommt, oder in Küchen von Gaststätten und sonstigen Einrichtungen mit oder zur Gemeinschaftsverpflegung oder wenn zwei oder mehr gleichartige Erkrankungen auftreten, bei denen ein epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird.
Tab. 1 Epidemiologie der infektiösen Enteritis in Deutschland (aus 4). Erkrankungen pro Jahr (Schätzung) Meldezahlen pro Jahr gemeldete Todesfälle (1 998) stationäre Behandlungsfälle (1 997) Anteil importierter Infektionen (Schätzung) > 2,5 Millionen 200 000 - 300 000 316 128 551 15 - 20 %
Tab. 2 Melde- und Sentineldaten 1999 zur infektiösen Enteritis in Deutschland (aus 5). gemeldete Fälle insgesamt davon Salmonellosen davon Typhus/Paratyphus davon Shigellosen Campylobacter (Laborsentinel) Rotavirus-Enteritis (Sentinel) EHEC (Erfassungsprogramm) SRSV§ (Norwalk-like-Viren u. a.) 195.501 85 146 193 (Import: 87 %) 1 601 (Import: ca. 86 %*) ca. 24 % Anteil * ca. 24 % Anteil * 775 Erkrankungsfälle (68 HUS#) 72 Ausbrüche * Daten nur aus einigen Bundesländern oder Sentinel-Labors # HUS = hämolytisch-urämisches Syndrom § SRVS = small round structured viruses
Unabhängig davon ist nach dem neuen IfSG unverändert der Krankheitsverdacht, die Erkrankung und der Tod an Botulismus, Cholera, enteropathischem hämolytisch-urämischem Syndrom (HUS) und Typhus/Paratyphus meldepflichtig. Ansonsten sieht das IfSG nur mehr eine namentliche Meldepflicht beim Nachweis von Enteritiserregern vor. Zur Meldung verpflichtet ist hier in der Regel das untersuchende Labor und nicht mehr der behandelnde Arzt.
Erregerspektrum und Meldedaten
Ätiologisch ist eine Vielzahl verschiedener -vor allem bakterieller und viraler- Erreger beteiligt [Tab. 3]. Trotz der Meldepflicht nach dem BSeuchG liegen nur unvollständige Daten über die Häufigkeit der einzelnen Erreger vor. Zahlenmäßig im Vordergrund stehen bei den nachgewiesenen Enteropathogenen Salmonellen, Campylobacter und Rotaviren. In den letzten Jahren hat der Anteil importierter Durchfallerkrankungen zugenommen. Diese meist als sog. Reisediarrhoe auftretenden Erkrankungen werden vorwiegend durch bakterielle Erreger verursacht, insbesondere durch enterotoxinogene Escherichia coli (ETEC). Bei den gemeldeten Fällen von Shigellose und Typhus bzw. Paratyphus abdominalis handelt es sich heute ganz überwiegend um importierte Erkrankungen. Vor allem nach Rückkehr von tropischen Entwicklungsländern sind zusätzlich auch parasitäre Erreger zu berücksichtigen.
Tab. 3 Erreger von Durchfallerkrankungen. Viren Bakterien Parasiten Rotaviren * Enterale Adenoviren Norwalk-Viren Norwalk-like Viren Caliciviren Astroviren Coronaviren Enterotoxische Escherichia coli (ETEC) Enteropathogene Escherichia coli (EPEC) * Enteroaggregative Escherichia coli (EAEC) * Enteroinvasive Escherichia coli (EIEC) Enterohämorrhagische Escherichia coli (EHEC) Salmonella spp. * Shigella spp. * Campylobacter jejuni * Yersinia spp. * Aeromonas hydrophila* Plesiomonas shigelloides * Clostridium difficile * Vibrio cholerae O1 und O139 $ Nicht-O1/O139 Vibrio cholerae Vibrio parahaemolyticus Vibrio vulnificus Staphylococcus aureus (Toxin) Bacillus cereus (Toxin) Clostridium perfringens Chlamydia trachomatis (LGV #) * Tropheryma whippelii * Giardia lamblia * Entamoeba histolytica * $ Blastocystis hominis # * Dientamoeba fragilis * Isospora belli * Balantidium coli * Cryptosporidium parvum * Cyclospora cayetanensis * $ Enterocytozoon bieneusi § * Encephalitozoon intestinalis § * Trichuris trichiura * $ Schistosoma spp. * $ Strongyloides stercoralis * $ Capillaria philippinensis * $ Trichinella spiralis * Ancylostoma duodenale * $ Necator americanus * $ * mögliche Ursache chronischer Diarrhoen (Dauer > 3 Wochen) # LGV = Lymphogranuloma venereum § überwiegend oder ausschließlich bei Immunkompromittierten $ nur als importierte Infektionkurzgefasst: Durchfallerkrankungen gehören weltweit zu den häufigsten Infektionskrankheiten. Auch in Deutschland haben infektiöse Gastroenteritiden eine große Bedeutung; etwa 2,5 Millionen bakteriologische Stuhluntersuchungen werden jährlich bei uns durchgeführt. Das Erregerspektrum umfasst eine Vielzahl bakterieller, viraler und parasitärer Erreger, die zu einem großen Teil aus dem Ausland importiert werden.
Literatur
- 1 Anonymous. World Health Report 1998. WHO, Geneva 1998
- 2 Anonymous. World Health Report 2000. WHO, Geneva 2000
- 3 Anonymous. The management and prevention of diarrhoea. Practical guidelines. WHO, Geneva 1993
- 4 Anonymous. Gesundheitswesen, Fachserie 12, Reihe 2: Meldepflichtige Erkrankungen und Reihe 6.2: Diagnosedaten der Krankenhauspatienten. Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 1999
- 5 Anonymous. Epidemiologisches Bulletin: Darminfektionen I 23 : 183 - 187 und Darminfektionen II 34 : 271 - 275,. Robert Koch-Institut, Berlin 2000
- 6 Classen M, Diehl V, Koch K M, Kochsiek K, Pongratz D, Scriba P C. (Hrsg.) .Differentialdiagnose Innere Medizin. Urban und Schwarzenberg, München Wien Baltimore 1998
- 7 Diesfeld H J, Krause G. Praktische Tropen- und Reisemedizin. Georg Thieme Verlag, Stuttgart New York 1997
- 8 Graninger W, Zedtwitz-Liebenstein K, Laferl H, Burgmann H. Quinolones in gastrointestinal infections. Chemotherapy. 1996; 42 43-53 (Suppl 1)
- 9 Jelinek T, Nothdurft H D, Löscher T. Malaria in Nonimmune Travelers: A Synopsis of History, Symptoms, and Treatment in 160 Patients. J Travel Med. 1994; 1 199-201
- 10 Kollaritsch H, Kremsner P, Wiedermann G, Scheiner O. Prevention of Traveler’s Diarrhea: Comparison of Different Non-antibiotic Preparations. Trav Med Internat. 1989; 6 9-17
- 11 Petruccelli B P, Murphy G S, Sanchez J L, Walz S, DeFraites R, Gelnett J, Haberberger R L, Echeverria P, Taylor D N. Treatment of traveler’s diarrhea with ciprofloxacin and loperamide. J Infect Dis. 1992; 165 557-560
- 12 Petrucelli B P, Kollaritsch H, Taylor D N. Treatment of Traveler’s Diarrhea. Decker In: Steffen/DuPont (eds) Textbook of Travel Medicine and Health 1997: 92-100
- 13 Salam I, Katelaris P, Leigh-Smith S, Farthing M J. Randomised trial of single-dose ciprofloxacin for travellers’ diarrhoea. Lancet. 1994; 344 1537-1539
- 14 Silberschmidt G, Schick M T, Steffen R, Kilpatrick M E, Murphy J R, Oyofo B A, el-Etr S, Gyurech D, Mourad A S, Mathewson J T. et al . : Treatment of travellers’ diarrhoea: zaldaride compared with loperamide and placebo. Eur J Gastroenterol Hepatol. 1995; 7 871-875
Korrespondenz
PD Dr. Hans Dieter Nothdurft
Abt. für Infektions- und Tropenmedizin
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