Pneumologie 2001; 55(7): 347-356
DOI: 10.1055/s-2001-15614
ÜBERSICHT
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Die Tuberkulosesituation in Deutschland 1999

The Tuberculosis Situation in Germany in 1999R. Loddenkemper1 , B. Hauer1 , D. Sagebiel1 , A. Gartzke1 , M. Forßbohm2
  • 1Deutsches Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose (DZK), Lungenklinik Heckeshorn, Berlin
  • 2Gesundheitsamt Wiesbaden
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
31. Dezember 2001 (online)

Einleitung

Auch heute noch ist die Tuberkulose bei Jugendlichen und Erwachsenen weltweit die am häufigsten zum Tode führende Infektionskrankheit, die Zahl der jährlichen Todesfälle wird von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) auf 2 - 3 Millionen geschätzt. Es wird davon ausgegangen, dass ein Drittel der Weltbevölkerung mit dem Tuberkulosebakterium infiziert ist, wobei jedoch im Laufe ihres Lebens nur ca. 5 - 10 % der Infizierten eine aktive Tuberkulose entwickeln. Die Zahl der jährlichen Neuerkrankungen wird weltweit auf insgesamt 8,4 Millionen geschätzt, wobei über 95 % aller Tuberkulosefälle in den so genannten Entwicklungsländern auftreten [14]. Neben Faktoren wie Armut, Mangelernährung, schlechter medizinischer Versorgung und Migration trägt insbesondere die HIV-Epidemie wesentlich zu einer Verschlechterung der weltweiten Tuberkulosesituation bei.

Für Deutschland ist aufgrund der geografischen Nähe vor allem die Entwicklung in Osteuropa und der ehemaligen Sowjetunion von epidemiologischer Bedeutung. Als Folge der (gesundheits-)politischen Veränderungen zeigt sich, nach einem zuvor über Jahrzehnte zu beobachtenden stetigen Rückgang, seit Anfang der 90er Jahre insbesondere in den Neuen Unabhängigen Staaten (NUS) eine deutliche Zunahme der Tuberkuloseinzidenzen. Aber auch die Mortalität, ein Indikator für die Qualität der Tuberkulosetherapie, ist deutlich angestiegen [7].

Aus Osteuropa wird gegenwärtig eine Viertelmillion neuer Tuberkulosefälle pro Jahr berichtet. Die höchste Rate an Neuerkrankungen wurde für 1999 - mit steigender Tendenz - aus den NUS, und hier insbesondere aus Kasachstan (154/100 000) und aus Kirgistan (137/100 000), gemeldet [14]. Besorgniserregend ist in diesem Zusammenhang, dass HIV offensichtlich nun auch in Osteuropa und den NUS auf dem Vormarsch ist [8] [9].

Ein besonders schwer wiegendes Problem ist die weltweite Zunahme medikamentenresistenter Tuberkulosestämme. Auch hier sind die osteuropäischen Staaten verstärkt betroffen, insbesondere in Gefängnissen und ähnlichen Einrichtungen ist die Lage sehr ernst [3] [15]. Ursächlich für die Entwicklung von Resistenzen ist in erster Linie eine inadäquate Tuberkulosetherapie, bedingt durch fehlerhafte Verordnungen und/oder durch den Mangel an Medikamenten. Auch die ungenügende Kontrolle der Therapie sowie eine mangelhafte Patientenmitarbeit begünstigen die Entstehung von Resistenzen. Schätzungen gehen von 50 Millionen Menschen aus, die bereits weltweit mit multiresistenten Bakterienstämmen (MDR-TB = multidrug-resistant tuberculosis, d. h. Resistenz gegen mindestens INH und RMP) infiziert sind.

Literatur

  • 1 Deutsches Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose .26. Informationsbericht 2000. Frankfurt/Main: pmi Verlagsgruppe (erhältlich beim DZK) 2000
  • 2 Deutsches Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose .25. Informationsbericht 1999. Frankfurt/Main: pmi Verlagsgruppe (erhältlich beim DZK) 1999
  • 3 Espinal M. et al . Global Trends in Resistance to Antituberculosis Drugs.  N Engl J Med. 2001;  Vol. 344, No. 17 1294-1303
  • 4 Forßbohm M. Studie des DZK zur Epidemiologie der Tuberkulose - Zwischenbericht 1999. In: Deutsches Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose, 26. Informationsbericht 2000 Frankfurt/Main: pmi Verlagsgruppe 2000
  • 5 Iseman M D. Treatment of multidrug-resistant tuberculosis.  N Engl J Med. 1993;  329 784-791
  • 6 Auswertung von R. Küchler (Berlin), U. Müller-Brundaler und R. Urbanczik (Schiffweiler); Korrespondenz bitte an Dr. R. Küchler, Krankenhaus Neukölln, Rudower Str. 98, 12351 Berlin. 
  • 7 Loddenkemper R, Hauer B, Sagebiel D, Forßbohm M. Tuberkuloseepidemiologie in Deutschland und der Welt mit Schwerpunkt Osteuropa.  Bundesgesundheitsblatt. 1999;  42 683-693
  • 8 Perelman M I. Tuberculosis in Russia.  Int J Tuberc Lung Dis. 2000;  4 (12) 1097-1103
  • 9 Robert Koch-Institut .HIV-Infektionen/AIDS - globale Situation Ende 1998. Epidemiologisches Bulletin 1999; 20/99
  • 10 Robert Koch-Institut . Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut (STIKO): Impfempfehlungen.  Epidemiologisches Bulletin. 1998;  15 109-112
  • 11 Robert Koch-Institut . Zur Struktur der Tuberkulosemorbidität in Deutschland - Ergebnisse der Studie des DZK zur Epidemiologie der Tuberkulose.  Epidemiologisches Bulletin. 1998;  49 349-351
  • 12 Statistisches Bundesamt Wiesbaden .VII B-176. 
  • 13 Statistisches Jahrbuch 2000 für die Bundesrepublik Deutschland. Metzler-Poeschel Verlag, Stuttgart
  • 14 WHO Report 2001. Global Tuberculosis Control WHO/CDS/TB2001.287. 
  • 15 WHO/IUATLD .Antituberculosis drug resistance in the world. Report No. 2. Prevalence and trends. WHO/CDS/TB/2000.278. 

Prof. Dr. R. Loddenkemper

Generalsekretär Deutsches Zentralkomitee
zur Bekämpfung der Tuberkulose
Lungenklinik Heckeshorn

Zum Heckeshorn 33

14109 Berlin

eMail: E-mail: loddheck@zedat.fu-berlin.de

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