Pneumologie 2001; 55(7): 324-325
DOI: 10.1055/s-2001-15615
EDITORIAL
Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Genotyp-korrigierte Normwerte für das Serum-ACE: brauchen wir die?

Do we need genotyp-corrected Standard Values for the Serum-ACE?D. Kirsten
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
31. Dezember 2001 (online)

Zur Diagnostik und Therapie der Sarkoidose gibt es trotz weiterhin unbekannter Ätiologie anerkannte Grundsätze, sogar Empfehlungen nationaler und internationaler Gesellschaften [1] [2]. Die Frage der Aktivität und damit letztlich der Behandlungsbedürftigkeit der Erkrankung spielt in diesen Empfehlungen eine wichtige Rolle.

Das von J. Lieberman in seiner Bedeutung für die Sarkoidose eher zufällig 1975 entdeckte ACE wurde in der ersten Phase der Begeisterung als ein diagnostischer Marker der Erkrankung angesehen [3]. Recht schnell musste man jedoch begreifen, dass andere Granulomatosen, insbesondere auch die Tuberkulose ebenfalls erhöhte ACE-Werte im Serum aufwiesen. Schwerer wog jedoch die Tatsache, dass das ACE im Serum bis zu 50 % im Normbereich bestimmt werden konnte und dies oft bei ausgeprägten aktiven Formen der Sarkoidose, insbesondere auch beim Löfgren-Syndrom. Dies führte zur allgemein akzeptierten Ansicht, dass das Serum-ACE als Verlaufsparameter, der die Granulomlast widerspiegelt, lediglich bei anfangs erhöhten Werten brauchbar ist. Dieses klinische Verhalten wurde durch die Tatsache bestärkt, dass die ACE-Werte intraindividuell sehr konstant bestimmt werden. Erste Hinweise auf eine genetische Ursache unterschiedlicher ACE-Aktivitäten im Serum verdanken wir einer französischen Familienstudie [4].

1992 wurde durch Rigat u. Mitarb. [5] dann der Deletions Insertions (D/I)-Polymorphismus des ACE-Gens nachgewiesen, der nun die teils großen interindividuellen Unterschiede der ACE-Werte erklärte.

Personen mit D-Allel-Homozygotie wiesen die höchsten ACE-Aktivitäten auf, homozygote Personen für das Insertions-Allel die niedrigsten Werte. Aus der Sarkoidose-Epidemiologie sind ethnische Unterschiede zur Häufigkeit und Organotrophie der Sarkoidose bekannt. So verwundert nicht, dass bei Personen mit anderer ethnischer Herkunft als Weiße unterschiedliche Gen-Loci gefunden wurden, die Einfluss auf die ACE-Aktivität haben.

Die Frage, wie über Gen-Polymorphismus die ACE-Aktivität beeinflusst wird, oder ob es andere genetische Varianten gibt, ist bislang unklar geblieben.

Es besteht jedoch aus klinischer Sicht ein Bedürfnis, ACE-Werte korrekt einschätzen zu können. Es ist deshalb ein großes Verdienst der Arbeitsgruppe von Joachim Müller-Quernheim sich dieser Frage für Deutschland angenommen zu haben. In der vorliegenden Arbeit von B. Ruprecht und Mitarbeitern aus Borstel (siehe Pneumologie 2001; 55; 326) wurde in einem großen Normkollektiv (n = 262) die ACE-Bestimmung im Serum in der üblichen Weise mit einem kinetischen Test bestimmt. Parallel dazu erfolgte die Bestimmung der beiden Genpolymorphismen aus genomischer DNA mit einer Polymerasekettenreaktionstechnik (PCR). In der beschriebenen Population (66 % Frauen!) wurde der Genotyp DD in rund 30 % und der Genotyp II in 21 % gefunden. Die restlichen (nahezu 50 %) fielen auf den heterozygoten Typ DI. Die Autoren kommen aufgrund ihrer Ergebnisse zu dem Schluss, dass der gegenwärtige meist angegebene Normalbereich des Serum-ACE-Spiegels von unter 55 U streng genommen nur für 21 % gilt. Ohne Genotyp-Korrektur liegt der Normalbereich zwischen 15 und 80 U. Dies zeigt, dass die meisten Patienten mit Sarkoidose in diesen Bereich der Varianz fallen, falls eine Genotyp-Korrektur nicht vorgenommen wird.

Aus den vorgelegten Daten der großen Stichprobe gesunder Personen aus Norddeutschland lassen sich meines Erachtens einige bemerkenswerte Schlussfolgerungen ableiten, die für klinisch praktische Belange wichtig sind:

Landesspezifische bzw. regionale Normbereiche für die Serum-ACE-Aktivität aufzustellen ist sinnvoll. Auch Personen ohne Sarkoidose können deutlich höhere Werte als 55 U aufweisen. Das spricht wiederum dafür, dass ein erhöhter ACE-Wert per se die Diagnose einer Sarkoidose nicht zulässt! Die ACE-Bestimmung im Serum als Verlaufsparameter bei gesicherter Diagnose und hohen Ausgangswerten z. B. > 80 U verlangt nicht nach einer Genotyp-Bestimmung. Eine Untersuchung des D/I-Genpolymorphismus bei Patienten mit hoher Krankheitsaktivität und „normalen ACE-Werten” ist durchaus anzuraten, da z. B. bei den Genotypen ACE-DI und ACE-DD neue Referenzbereiche gelten.

Literatur

  • 1 Deutsche Gesellschaft für Pneumologie . Deutsche Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der Sarkoidose.  Pneumologie. 1998;  52 26-30
  • 2 American Thoracic Society . Statement on Sarcoidosis.  Am J Respir Crit Care Med. 1999;  160 736-755
  • 3 Lieberman J. Elevation of serum angiotensin-converting enzyme (ACE) level in sarcoidosis.  Am J Med. 1975;  59 365-372
  • 4 Cambien F, Alhenc-Gelas F. et al . Familial resemblance of plasma angiotensin-converting enzym level: The Nancy Study.  Am J Hum Genet. 1988;  43 774-780
  • 5 Rigat B, Hubert C. et al . PCR detection of the insertions/deletions polymorphism of the human angiotensin-converting enzyme gene.  Nucleic Acids Res. 1992;  20 14333

Prof. Dr. D. Kirsten

Krankenhaus Großhansdorf
Zentrum für Pneumologie und Thoraxchirurgie

Wöhrendamm 80

22927 Großhansdorf

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