Pneumologie 2001; 55(8): 361-362
DOI: 10.1055/s-2001-16205
EDITORIAL
Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

PET - Quo vadis?

PET - Quo vadis?R. M. Huber, M. Thomas
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
31. Dezember 2001 (online)

Jährlich sterben mehr Menschen am Bronchialkarzinom als am Dickdarm-, Mamma- und Prostatakarzinom zusammengenommen. Um die 5-Jahres-Überlebensrate von 14 % zu verbessern bzw. die Letalität des Bronchialkarzinoms zu senken sind 3 Strategien bedeutsam: a) Raucheraufklärungs- und -Entwöhnungsprogramme bzw. „Anti-Raucher-Kampagnen”, b) Evaluation von Konzepten zur Frühdiagnostik, die durch eine Vorverlegung des Diagnosezeitpunkts einen höheren Patientenanteil zu kurativen Behandlungsansätzen führen, und c) eine Weiterentwicklung von solchen Diagnose- und Therapiealgorithmen, die eine Verbesserung der Heilungsraten und ein längeres und besseres Überleben ermöglichen.

Die Positronen-Emissions-Tomographie (PET) ist eine faszinierende neue diagnostische Möglichkeit. Im Gegensatz zu allen anderen bildgebenden Verfahren erfasst sie primär funktionelle/metabolische Vorgänge und liefert deshalb andere bzw. ergänzende Informationen bei Tumoren. Welchen Beitrag kann die PET im Szenario des Bronchialkarzinoms leisten? Könnte ein PET-Staging z. B. eine genauere Zuordnung von Patientengruppen eines bestimmten Prognoseprofils zu einem Therapieansatz ermöglichen, der die Überlebensrate dieser Patienten verbessert, und mit welchen Kosten ist dann zu rechnen?

In dieser Ausgabe der PNEUMOLOGIE finden sich ein Beitrag von Hellwig u. Mitarb. [4], der die Literatur zum PET beim Bronchialkarzinom aufarbeitet sowie eine Originalarbeit aus Homburg zur PET-Diagnostik beim Bronchioloalveolarzellkarzinom (BAC) [5]. In der Literaturübersicht werden die Daten von 70 Originalarbeiten in Form von Vierfeldertafeln rekonstruiert und in den Indikationsbereichen peripherer Rundherd, N-Staging-, M-Staging, Rezidivdiagnostik, Therapiemonitoring und Prognose analysiert. Zudem werden die Ergebnisse bei der Rundherd-Diagnostik, dem N- und dem M-Staging denen der Computertomographie gegenübergestellt. Es zeigt sich jeweils eine Überlegenheit der PET. Dies gilt wohl auch für das BAC [5]. Auf der Grundlage dieser Literaturanalyse wurden in der Konsensuskonferenz Onko-PET 1a-Indikationen (klinischer Nutzen ist ohne Einschränkung erwiesen) für die Dignitätsbeurteilung pulmonaler Herde bei Patienten mit erhöhtem Op-Risiko, für das N- und M-Staging sowie für die Rezidivdiagnostik des Bronchialkarzinoms gestellt.

Soll nun jeder Patient mit Bronchialkarzinom oder Verdacht auf ein Bronchialkarzinom eine PET erhalten? Ist im Therapie-Verlauf und in der Nachsorge eine PET erforderlich? Diese Fragen sollten unter dem Gesichtspunkt der Verbesserung des „outcome” von Patienten mit Bronchialkarzinomen beleuchtet und auch unter Berücksichtigung der Kosten (pro PET-Untersuchung ca. 1000 Euro) entschieden werden. Dazu sind prospektiv angelegte Studien erforderlich, in denen die PET in einem fest vorgegebenen diagnostischen Algorithmus überprüft wird. Solche Daten sind zur Zeit kaum vorhanden. Derartige Studien liegen zur Zeit sicher nicht vor für die Verlaufsbeobachtung unter Therapie und die Nachsorge. Besser erfüllt sind diese Vorgaben für den unklaren peripheren Herd bei Patienten mit erhöhtem Operations-Risiko, wenngleich Überlebensanalysen fehlen. Ist in einem solchen Fall die PET positiv, kann die Aussage getroffen werden, dass die Wahrscheinlichkeit für ein Malignom bei 90 % liegt; ist die PET negativ, werden dennoch in 10 % der Fälle Malignome übersehen [4]. Gerade angesichts der ungünstigen 5-JahresÜberlebensrate von 14 % unter allen Patienten mit Bronchialkarzinomen und des daraus resultierenden Impetus, durch eine Vorverlegung des Diagnosezeitpunktes Betroffene möglichst in kurativen Konzepten zu behandeln, stellt sich allerdings die Frage, ob bei operablen Patienten ein negativer prädiktiver Wert der PET in Rundherddiagnostik von 90 % akzeptiert werden soll.

Auch bei der Diagnostik von Fernmetastasen und beim mediastinalen Staging ist der Einfluss der PET auf das „outcome” unseres Erachtens nicht abschließend zu beantworten: Inwieweit der zusätzliche Einsatz der PET beim mediastinalen N-Staging dazu beitragen kann, die Prognose zu verbessern, ist auch daran gebunden, welche Therapieoptionen für Patienten mit einem frühzeitig diagnostizierten „N2-Status” zur Verfügung stehen bzw. welche Form der Therapie praktiziert wird. Patienten mit mediastinoskopisch gesichertem N2-Status haben trotz OP und Radiotherapie - selbst nach einer primären R0-Resektion - keine günstige Prognose. Die 5-Jahres-Überlebensrate liegt < 10 % [1]. In 2 kleineren randomisierten Studien konnte gezeigt werden, dass solche Patienten nach einer neoadjuvanten Chemotherapie signifikant günstigere Langzeitüberlebensraten haben [6] [8]. Die in beiden Studien kleine Anzahl von jeweils 60 Patienten und die heterogenen Patientenkollektive erschweren die Empfehlung dieses Vorgehens als allgemein verbindlichen Therapiestandard. Allerdings bestätigen die inzwischen vorliegenden Langzeitergebnisse die Richtigkeit des Konzeptes [7] [9]. Letztlich kann daher schon eine Empfehlung für multimodale Therapiekonzepte im Stadium III A (N2) ausgesprochen werden. Die Behandlung sollte jedoch in hierfür ausgewiesenen Abteilungen oder Kliniken unter Studienbedingungen erfolgen [2]. Nach eigener Schätzung liegt die Anzahl der jährlich in Deutschland in multizentrisch durchgeführte multimodale Therapiestudien eingebrachten Patienten mit einem N2-Status jedoch lediglich bei 200 - 300. Demgegenüber ist von jährlich ca. 9000 neu diagnostizierten Patienten mit nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinomen im Stadium III auszugehen.

In einer kürzlich publizierten, sehr klar angelegten Studie aus den Niederlanden wurde der Stellenwert der PET beim mediastinalen Staging zwar nicht im Hinblick auf den Endpunkt „Überleben” (also welche Steigerung der Langzeitüberlebensrate wird möglich, wenn beim Primärstaging PET eingesetzt wird), aber im Hinblick auf den Zugewinn an diagnostischer Genauigkeit untersucht [5]. 102 konsekutiv in der Universität Groningen zur OP vorgestellte Patienten mit einem nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinom erhielten routinemäßig ein Thorax-CT, eine PET und wurden allesamt (unabhängig von der Lymphknoten-Größe im CT!) mediastinoskopiert. Nach Ausschluss von 15 in der Mediastinoskopie positiven Patienten wurden die verbleibenden 87 thorakotomiert. Von diesen hatten 17 mediastinale Lymphknoten(LK-)Metastasen (N2). In dieser Studie war die PET 39-mal mediastinal positiv und in 3 Fällen mit histologisch verifizierten mediastinalen LK-Metastasen negativ. Es zeigten sich eine Sensitivität, eine Spezifität und ein negativer bzw. positiver prädiktiver Wert von 91 %, 86 %, 95 % bzw. 74 %. Demgegenüber hatten im CT 48 Patienten mediastinale LK >1 cm, davon waren bei 24 Patienten die LK histologisch befallen (Sensitivität 75 %; Spezifität 50 %). Hätte man in dem gesamten Kollektiv der 102 Patienten solche mit mediastinalen LK > 1 cm im CT mediastinoskopiert, wären 48 Mediastinoskopien (MSK) erfolgt und im besten Falle 24-mal eine N2-Situation diagnostiziert worden. Hätte man - in einer „PET-Strategie” - nur die im PET positiven Patienten mediastinoskopiert, wären - nach 102 PET-Untersuchungen - nur 39 Patienten mediastinoskopiert worden und im besten Falle 29-mal eine N2-Situation diagnostiziert worden. Unter Zugrundelegen eines Kostenanteiles von DM 2000 für eine PET bzw. Mediastinoskopie kostet in der „PET-Strategie” eine eingesparte Mediastinoskopie ca. 20 000 und ein prätherapeutisch potenziell zusätzlich gesicherter N2-Status ca. 45 000 DM. Hier sind weitere Studien erforderlich, die deutlich machen, welcher Überlebensvorteil für eine Patientengruppe erwächst, wenn beim Staging in einem definierten Algorithmus eine „PET-Strategie” erfolgt.

Für das metastasierte Stadium wird eine Sensitivität und Spezifität von 94 % bzw. 97 % angegeben (336 Patienten), wobei Hirnmetastasen kaum erkannt werden. Es fehlen aber ebenfalls die Studien zum Algorithmus unter Einschluss der PET, um Kosten und Vorteil für den Patienten zu evaluieren.

Die PET ist sicher für einige Indikationen ein Zugewinn. Es ist aber noch nicht ausreichend für jede der angeführten Indikationen in Algorithmen geprüft, ob durch ihren Einsatz eine Verbesserung der Heilungsraten und ein längeres und besseres Überleben möglich ist. In gewissem Umfang erfüllt sind diese Vorgaben für den unklaren peripheren Herd bei Patienten mit erhöhtem Operationsrisiko. Nicht abschließend zu beantworten ist dies für das mediastinale N-Staging und die Diagnostik der Fernmetastasen. Für die Verlaufsbeobachtung unter Therapie und die Nachsorge ist die PET derzeit nicht zu empfehlen.

Literatur

  • 1 Andre F, Grunenwald D, Pignon J P. et al . Survival of patients with resected N2 non-small-cell lung cancer: evidence for a subclassification and implications.  J Clin Oncol. 2000;  18 2981-2989
  • 2 Drings P, Manegold Ch. Differentialindikation zur Induktionstherapie bei nicht-kleinzelligen Lungentumoren.  Chirurg. 2000;  71 1466-1473
  • 3 Hellwig D, Gröschel A, Pentz K, Sybrecht G W, Kirsch C-M, Ukena D. Aussagekraft der Positronen-Emissions-Tomographie mit F-18-Fluordesoxyglukose (FDG-PET) beim Bronchioloalveolarzellkarzinom (BAC).  Pneumologie. 2001;  55 363-366
  • 4 Hellwig D, Ukena D, Paulsen F, Bamberg M, Kirsch C-M. Metaanalyse zum Stellenwert der Positronen-Emissions-Tomographie mit F-18-Fluordesoxyglukose (FDG-PET) bei Lungentumoren.  Pneumologie. 2001;  55 367-377
  • 5 Pietermann R M, van Putten J W, Meuzelaar J J, Mooyaart E L, Vaalburg W, Koeter G H, Fidler V, Pruim J, Groen H J. Preoperative staging of non-small-cell lung cancer with positron-emission tomography.  N Engl J Med. 2000;  343 (4) 254-261
  • 6 Rosell R, Gomez-Codina J, Camps C. et al . A randomized trial comparing preoperative chemotherapy plus surgery with surgery alone in patients with non-small-cell lung cancer.  N Engl J Med. 1994;  330 153-158
  • 7 Rosell R, Gomez-Codina J, Camps C. et al . Preresectional chemotherapy in stage III A non-small-cell lung cancer: a 7 year assessment of a randomized controlled trial.  Lung Cancer. 1999;  26 7-14
  • 8 Roth J A, Fossela F, Komaki R. et al . A randomized trial comparing perioperative chemotherapy and surgery with surgery alone in resectable stage III A non-small-cell lung cancer.  J Natl Cancer Inst. 1994;  86 673-680
  • 9 Roth J A, Atkinson E N, Fossella F. et al . Long-term follow-up of patients enrolled in a randomized trial comparing perioperative chemotherapy and surgery with surgery alone in resectable stage III A non-small cell lung cancer.  Cancer. 1998;  21 1-6

PD Dr. med. Michael Thomas

Medizinische Klinik A
Pneumologie
Universitätsklinikum Münster

Albert-Schweitzer-Str. 33

48149 Münster

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Prof. Dr. med. Rudolf M. Huber

Pneumologie
Klinikum der Universität München - Innenstadt

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