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DOI: 10.1055/s-2001-18497
Gutachten des Sachverständigenrates fordert Stärkung der Pneumologie!
A Survey by the Board of Experts Demands Intensification of Pneumology!Publication History
Publication Date:
19 November 2001 (online)
Am 30. August hat der Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen der Bundesministerin für Gesundheit den Band III Über-, Unter- und Fehlversorgung seines Gutachtens 2000/2001 Bedarfsgerechtigkeit und Wirtschaftlichkeit überreicht, und diesen der breiten Öffentlichkeit vorgestellt. Mit diesem Gutachten erfüllt der Sachverständigenrat einen wesentlichen Teil seiner vom Gesetzgeber im § 142 Abs. 2 SGB V vorgegebenen Aufgabe. Der Erstellung dieses Gutachtens ging eine umfassende Befragungsaktion voraus, welche neben den Mitgliedsorganisationen der Konzertierten Aktion im Gesundheitswesen (102 Organisationen) die Medizinischen Fachgesellschaften (129 Gesellschaften, unter anderem die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie) und Betroffenen-Organisationen (69 Organisationen) einbezog. Auf der Basis dieser Befragungsaktion sowie eigener Recherchen und Bewertungen erarbeitete der Sachverständigenrat konkrete Vorschläge für Interventions-, Entwicklungs- und Forschungsbedarf. Seitens der Pneumologie kann mit großer Freude festgestellt werden, dass die von der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie in einer ausführlichen Stellungnahme vorgebrachten Argumente zum Stellenwert der Pneumologie einerseits und zur Mangelsituation andererseits ausführlich berücksichtigt wurden.
Während in den Bänden I und II insbesondere allgemeine Struktur- und qualitätsbezogene Überlegungen vorgelegt wurden, stehen im Band III konkrete Detailanalysen zu Last, Perspektiven und Versorgung großer Volkskrankheiten in Deutschland im Mittelpunkt. Hierbei konzentrierte sich der Rat auf die Krankheitsgruppen, die insgesamt für ca. 2/3 der Gesundheitskosten in Deutschland verantwortlich sind. Diese sind:
ischämische Herzerkrankungen zerebrovaskuläre Erkrankungen (insbesondere Schlaganfall) chronische obstruktive Lungenerkrankungen Rückenleiden Krebserkrankungen (vorrangig Lungenkarzinom und Mammakarzinom) depressive Störungen
Schon aus dieser Aufstellung wird der Stellenwert der Pneumologie im Gesundheitssystem deutlich: Während ein Großteil durchaus wichtiger Erkrankungen und somit auch ganze Fächergruppen überhaupt nicht aufgeführt sind, ist die Pneumologie als einziges Fach der gesamten Medizin mit zwei wesentlichen Volkskrankheiten, den Atemwegserkrankungen und dem Bronchialkarzinom, vertreten. Wie den Pneumologen ja bestens bekannt ist, und auch seit Jahren in unserem Weißbuch nachzulesen ist, wurden für die chronischen, obstruktiven Atemwegserkrankungen Asthma bronchiale und COPD herausgestellt, dass diese für ca. 25 % aller Arbeitsunfähigkeitsfälle in Deutschland verantwortlich sind, und dass nach WHO Prognose die COPD im Jahre 2020 die dritthäufigste Todesursache weltweit sein wird. Es wird deutlich gemacht, dass der Lungenkrebs das quantitativ führende Karzinomproblem in Deutschland darstellt, und dass wesentliche Defizite in der Prophylaxe, Diagnostik und Therapie des Bronchialkarzinoms bestehen. In diesem Zusammenhang schlägt der Sachverständigenrat u. a. die Initiierung einer nationalen „Anti-Tabak-Kampagne gegen das Aktiv- und Passivrauchen” vor.
Als Fazit und Empfehlung des Sachverständigenrates zu den Lungen- und Atemwegserkrankungen wird festgehalten, dass in der deutschen Pneumologie ein Mangel in Lehre, Forschung und Patientenversorgung offensichtlich ist. Wörtlich wird vom Sachverständigenrat gefordert:
verbesserte pneumologische Weiter- und Fortbildung sowohl für hausärztlich tätige Mediziner als auch für spezialärztliche Internisten und Pädiater; Verbesserung der Strukturen für ambulante Patientenschulungs- und Rehabilitationsmaßnahmen, inklusive Regelung der Finanzierung und Sicherstellung von Qualitätsstandards; mehr selbständige, bettenführende pneumologische Abteilungen an allgemeinen Krankenhäusern; Lehrstühle für Pneumologie an jeder medizinischen Fakultät.
Eine solche umfassende Forderung wird vom Sachverständigenrat für keinen anderen Bereich der gesamten Medizin aufgestellt. Dieses gilt auch für die Ausführungen zur universitären Präsenz der Pneumologie, die in ihrer Deutlichkeit geradezu revolutionär sind. Es ist zu hoffen, dass die erarbeitete Stellungnahme wesentlichen Einfluss auf die gesundheitspolitische Diskussion der kommenden Jahre nehmen wird. Neben dem Weißbuch steht uns somit eine weitere wichtige Argumentationshilfe für den Ausbau der Pneumologie in Deutschland zur Verfügung. Ich möchte jedem Pneumologen nahelegen, das Gutachten selbst im Detail nachzulesen und es offensiv zugunsten der Pneumologie zu verwenden (es kann von der Internetseite des Rates [www.svr-gesundheit.de] im pdf-Format heruntergeladen werden). Der Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie wird das Gutachten des Sachverständigenrates nutzen, um seine Anstrengungen zur Verbesserung der pneumologischen Präsenz im Versorgungsbereich wie auch im Universitätsbereich weiter zu forcieren.
Werner Seeger
Medizinische Klinik und Poliklinik II, Klinikum der Justus-Liebig-Universität Gießen
Klinikstraße 36
35392 Gießen