Zentralbl Chir 2001; 126(12): 980-981
DOI: 10.1055/s-2001-19651
Kommentar

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Kommentar auf Anforderung der Schriftleitung

Schwere Komplikationen erfordern die Explantation von AortenstentsInvited CommentaryK. Balzer
  • Gefäßchirurgische Klinik, Ev. Krankenhaus Mülheim/Ruhr
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Publication Date:
22 January 2002 (online)

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit Komplikationen, die nach Implantation der ersten bzw. zweiten Generation von Stent-Prothesen zur Ausschaltung von infrarenalen Bauchaortenaneurysmen aufgetreten sind. Neben bekannten und sehr ausführlich beschriebenen technischen Details unterscheidet sich die Verteilung der Komplikationen von denen in der Literatur angegebenen mindestens in zwei Punkten wesentlich:

Die Dislokation des proximalen Prothesenschenkels ist eine auch in der Eurostar-Aufarbeitung sehr seltene Komplikation und das Wachstum des Aneurysmahalses zwar eine theoretisch mögliche und in Einzelfällen beobachtete, jedoch eher unwahrscheinliche Ursache für eine Endoleckage. Viel häufiger sind Dislokationen durch Veränderungen in der distalen Landungszone sowie an der Andockstelle durch unzureichende Fixation und durch die hohe Mobilität der Endoprothese im Aneurysmasack. Literaturstellen geben überhaupt keine Infektion des Graftmaterials als Komplikation an. Wir selbst haben bei über 100 Eingriffen nicht eine einzige Infektion sehen können. Sonst bleibt es in der Literatur bei Einzelfallbeschreibungen, während hier eine hohe Quote von mehr als 3 % angegeben wird.

Die Diskussion der Ursachen schließt die unmittelbare Kontamination als mögliche Infektionsquelle aus. Eine bekannte Infektion muss auch als Kontraindikation für eine Endoprothese angesehen werden. Einzelbeobachtungen, in denen trotz einer Infektion erfolgreich, d. h. ohne Kontamination des Prothesenmaterials eine Ausschaltung eines mykotischen Aneurysmas möglich und erfolgreich war, sind beschrieben, müssen sich aber als Außenseitermethode heftiger Kritik stellen (Berchtold et al. Endovasculäre Therapie mykotischer Aortenaneurysmen (k)eine Alternative? Chirurgenkongress München 2001). Bekannt ist, dass in einem relativ hohen Prozentsatz von bis zu 18 % in atheromatösem Brei, der aus dem Aortenaneurysma gewonnen wird, asymptomatisch eine Keimbesiedlung nachgewiesen werden kann. Dies hat bis auf Einzelbeobachtungen nie zu klinischen Konsequenzen geführt. Es wird auch bei der konventionellen Aortenaneurysmaresektion diskutiert, dass eine Spätinfektion über diesen Pathomechanismus möglich sein könnte.

Die hohe Infektionsquote wird durch mechanische Reizungen der Aortenwand und durch direkte Besiedlung mit Darmkeimen im Sinne einer Durchwanderung in Verbindung gebracht. Zwar sind inzwischen in der Literatur aortoenterale Fisteln, z. T. mit tödlichem Ausgang, beschrieben und für diesen Fall ist auch die Infektion plausibel. Die „Spekulationen”, dass die Stent-Prothesen durch den Aneursymasack hindurch mit Darmbakterien kontaminiert worden sind, ist allerdings aufgrund der vorliegenden Arbeit und aufgrund der Literatur nicht zu belegen. Vielmehr handelt es sich doch eher um eine zufällige Häufung, die zu weiterreichenden Schlüssen nicht berechtigt, da diese Erfahrungen von keiner anderen Arbeitsgruppe in irgendeiner Weise bestätigt werden können.

Spätinfektionen auf haematogenem oder durch direkte Kontamination bedingten Wege sind für jedes implantierte Kunststoffmaterial möglich. Der Unterschied beim Einbringen einer Endoprothese liegt darin, dass diese frei im Aneurysma flottiert und der Aneurysmasack mit Inhalt nicht entfernt wird. Der atheromatöse Brei bleibt vor Ort. Ob über diesem Weg die höhere Kontaminationsrate erklärlich ist, müßte ggf. experimentell überprüft werden oder bedarf gezielter Suche bei allen explantierten Prothesen, die generell auch das Material der Aortenwand mit in die Differentialdiagnostik einbeziehen müsste. In jedem Fall ist diese Mitteilung schon aus diesem Grunde außerordentlich wichtig und bedarf der eingehenden Diskussion und der gezielten Untersuchung auch in anderen Patientenkollektiven. Zunächst ist sicher davon auszugehen, dass die Infektion bei den ansonsten häufig zu beobachtenden postoperativen Komplikationen nach Stentimplantation eine sehr seltene Komplikation darstellt, dass Fälle beobachtet wurden, bei denen sogar bei infi- zierten aortointestinalen Fisteln oder aortobronchialen Fisteln Stentprothesen ohne Komplikationen implantiert wurden und einheilten, was für eine doch erhebliche Infektionsresistenz sprechen dürfte, und dass somit der hohe Anteil von Infektionen im vorliegenden Krankengut als zufällig und nicht allgemein gültig angesehen werden muss.

Dr. K. Balzer

Chefarzt der Gefäßchirurgischen Klinik

Ev. Krankenhaus Mülheim/Ruhr

Wertgasse 30

45466 Mülheim