Zentralbl Gynakol 2001; 123(12): 665
DOI: 10.1055/s-2001-20015
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Aktuelle Urogynäkologie

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Publication Date:
11 February 2002 (online)

Während der Mitbegründer des Zentralblattes Walter Stoeckel sein dreibändiges Werk zur „Gynäkologischen Urologie” noch bescheiden einen gynäkologischen Beitrag zur Urologie nannte, ist neben dem Wandel der im Vordergrund stehenden Krankheitsbilder eine erhebliche Erweiterung unseres Wissens zur Pathophysiologie und ein fast unüberschaubares Spektrum an therapeutischen Methoden unter wesentlicher Mitarbeit von Frauenärzten erfolgt.

Geburtshilflich verursachte Urogenitalfisteln und Totalprolaps bei Multiparität sind hinter den früher häufig als „normal” abgetanen Symptomen wie Harninkontinenz und Drangsymptomen zurückgetreten, Kohabitationsbeschwerden durch geburtshilfliche Traumen und nach fehlerhafter operativer Therapie aus der „Tabu-Zone” als wesentliche Einschränkungen der Lebensqualität neu interpretiert worden.

Im vorliegenden Heft haben erfahrene Spezialisten aus den deutschsprachigen Ländern z. T. gemeinsam eine aktuelle Übersicht zusammengestellt, die den Einfluss von Schwangerschaft und Geburt auf den Beckenboden und seine Funktion diskutieren (H. Kölbl), die neuen pathophysiologischen Vorstellungen zu den Funktionsstörungen darstellen (D. Perucchini und R. Tunn). Die Erweiterung der diagnostischen Möglichkeiten, vor allem durch Perineal- und Introitussonographie, die Einsatzgebiete für das MRT werden von R. Tunn und D. Perucchini kritisch erläutert. Die Möglichkeiten und Grenzen der konservativen Therapie werden von U. M. Peschers und M. Buczkowski analysiert und als fester Bestandteil eines therapeutischen Konzepts definiert. Die Therapie des Genitaldeszensus und Prolaps (H. D. Methfessel) ist noch immer wesentlich durch persönliche Erfahrung und und technische Fähigkeiten bestimmt, da allgemein akzeptierte und praktikable Klassifikationen des Deszensus ebenso fehlen wie objektivierbare Nachuntersuchungen. Dagegen hat sich die Situation der Chirurgie der Harninkontinenz eher in Richtung „evidence based medicine” entwickelt, nachdem eine Vielzahl von prospektiv randomisierten Studien über ausreichend lange Zeiträume vorliegen, die einzelnen Methoden ihren Platz zuweisen und lieb gewonnene Techniken (mit jahrelanger „guter Erfahrung”) als heute letztlich nicht mehr akzeptabel beschreiben (E. Petri, H. Kölbl, J. Eberhard).

Der offene Informationsfluss über Presse, Funk, Fernsehen und vor allem Internet hat einerseits ein breites Interesse an urogynäkologischen Problemen bei Ärzten und Patienten geweckt, andererseits aber auch die Erwartungshaltung gesteigert und ist damit Mit-Ursache für eine steigende Zahl an Klagebegehren wegen vermeintlich mangelhafter Erfolge oder Komplikationen einer Therapie (E. Petri).

Das Heft möge den Lesern aktuelle Information bieten und das Interesse an der ,,Urogynäkologie" im Sinne des Wohls der uns anvertrauten Frauen neu wecken.

E. Petri

Schwerin