Rofo 2002; 174(1): 19-22
DOI: 10.1055/s-2002-19537
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Medizinische Physik und Bildgebung - Perspektiven für Forschung und Routine

Medical physics in amaging - perspectives for research and clinical routineF.  Nüsslin
  • 1Klinik für Radioonkologie, Abteilung für Medizinische Physik, Universitätsklinikum Tübingen
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Publication Date:
15 January 2002 (online)

Hintergrund

Die stürmische Entwicklung in der Bildgebung mit ihren Ausläufern bis in die interventionelle Radiologie, ihre immer enger werdende Verflechtung mit allen klinischen Fächern, ihre so eminente Rolle in der Grundlagenforschung kontrastiert doch auffällig zu der Beobachtung, dass in unserem Land kaum Medizinphysiker schwerpunktmäßig auf diesem Feld tätig sind. Die rühmliche Ausnahme von zwei auf Bildgebung zentrierten Medizinphysik-Lehrstühlen in Deutschland und zwei mit einem Medizinphysiker besetzten Sektionen für Experimentelle Radiologie bestätigt nur die Regel. Nur in seltenen Ausnahmefällen stehen in großen Krankenhäusern Medizinphysiker für die physikalisch-technische Betreuung der komplexen, zudem sehr teuren Geräte zur Verfügung. Die Programme der Fachtagungen der DGMP, DRG und DGN sowie die Fachzeitschriften, unsere RöFo wie die Zeitschrift für Medizinische Physik, vermitteln ebenfalls kein hoffnungsvolleres Bild über die Rolle der Medizinischen Physik in der Bildgebung. Neidvoll werden manche Radiologen, sicher auch Medizinphysiker, über unsere Grenzen schauen, z. B. nach Großbritannien, Schweden, Niederlande oder gar USA, wo im Verhältnis weit häufiger in eigenen Departments of Medical Physics größere Gruppen von Physikern, Ingenieuren, Informatikern weite Bereiche der Bildgebung, oft in enger Kooperation mit der Industrie, gezielte Forschungs- und Entwicklungsprogramme durchführen. Unvorstellbar - aber warum eigentlich? - sind bei uns Einrichtungen wie das Imaging Center des Massachusetts General Hospital in Boston mit einem Jahresetat von 25 Mio. US $. Die Dominanz des Auslands auf diesem Gebiet erkennt man allein schon beim Blick in unsere wichtigsten internationalen Journale, Medical Physics und Physics in Medicine and Biology mit jeweils gut einem Drittel diagnostisch orientierter Arbeiten in jeder Ausgabe, nicht zu reden von den Spezialzeitschriften im Bereich der Schnittbildverfahren, insbesondere zur Kernspinresonanz. Auch in der klinischen Routine mit den Grundaufgaben des Medizinphysikers in Verfahrensoptimierung, Gerätebetreuung, Qualitätssicherung und Strahlenschutz ist der Blick über den Zaun aufschlussreich: Nach einer europaweiten Erhebung [1] ist im Mittel pro 1 Million Einwohner ein qualifizierter Medizinphysiker in der Radiologie tätig, in 4 von 27 Ländern sogar mehr als 2,5 Medizinphysiker. Deutschland liegt mit 0,4 Medizinphysikern deutlich unter dem europäischen Standard. Vor diesem Hintergrund erhebt sich also durchaus die Frage, ob mehr medizinphysikalische Kompetenz in unseren Krankenhäusern, Universitätskliniken und radiologischen Praxen überhaupt angezeigt ist und, wenn ja, wie dieses Ziel erreicht werden kann. In einem wissenschaftlichen, der praktischen Anwendung diagnostischer Verfahren verpflichteten Organ wie der RöFo sei dabei primär auf den Nutzen für den Patienten, weniger auf wissenschaftspolitische oder wirtschaftliche Aspekte eingegangen. Mit dieser Zielrichtung wurde erst kürzlich zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO) eine Denkschrift veröffentlicht [4].

Literatur

  • 1 Dendy Ph, Jessen K A. 1998 Update of EFOMP Survey on Qualified and Experienced Medical Physicists.  Physica Medica. 1999;  XV 87-90
  • 2 Europäische Gemeinschaften .Richtlinie 97/43/EURATOM des Rates der europäischen Gemeinschaften über den Gesundheitsschutz von Personen gegen die Gefahren ionisierender Strahlung bei medizinischer Exposition und zur Aufhebung der Richtlinie 84/466/EURATOM. Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 9.7.97, L 180. 22-27
  • 3 Fortschr Röntgenstr 2001 8: 173
  • 4 Zur Lage der Medizinischen Physik in der Strahlentherapie, Denkschrift der DEGRO & DGMP, 2001. Erhältlich in der Geschäftsstelle der DEGRO. 

Prof. Dr. Fridtjof Nüsslin

Klinik für Radioonkologie, Abteilung für Medizinische Physik,
Universitätsklinikum Tübingen

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