Dtsch Med Wochenschr 2002; 127(4): 129-130
DOI: 10.1055/s-2002-19697
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Autoren mit Umlaut im Namen sind benachteiligt

Authors with an umlaut in their name are at a disadvantage
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Publication Date:
13 August 2002 (online)

Wir müssen uns wieder mit dem medizinischen Publizieren beschäftigen. Dieses und das Thema Impact-Faktor mag viele Leser auf den ersten Blick nicht besonders interessieren, und Sie denken vielleicht, das ist nur für Autoren und Verlage wichtig? Tatsächlich berührt uns aber alle, wenn Deutsch als Wissenschaftssprache auch in der Medizin immer mehr verliert. Nicht nur unsere Autoren werden benachteiligt.

Englisch ist in der Medizin inzwischen mit Recht die Lingua franca. Täten wir also gut daran, endlich auch die DMW in englisch zu publizieren? Dieser Vorschlag kommt mit steter Regelmäßigkeit aus manchen akademischen Kreisen. Dabei wird oft vergessen, dass die DMW ein sehr wichtiges Fortbildungsorgan ist und die Mehrheit der deutschen Ärzte Englisch in Fachpublikationen wie auch als alleinige Kongress-Sprache ablehnen [1]. Wir werden daher weiter in deutscher Sprache veröffentlichen. Zusätzliche englische Übersetzungen auf unseren elektronischen Seiten können eine weitere Verbreitung der Artikel über das weltweite Netz ermöglichen.

Winkmann und Co-Autoren folgern aus einer Untersuchung an medizinischen Datenbanken (Seite 131), dass die Publikationssprache Englisch die Zitierhäufigkeit von Artikeln begünstigt. Anders ausgedrückt heißt das, dass bei den Datenbanken, die für die Berechnung des Impact-Faktors ausgewertet werden, deutsche, französische, japanische und andere nicht-englische Artikel seltener berücksichtigt werden. Wie Winkmann und Co-Autoren in einem zweiten Beitrag (Seite 138) nachweisen, würde das Ansehen einer deutschsprachigen Zeitschrift durch Publikation auf Englisch auch nicht steigen: Der Impact-Faktor als allgemein anerkannter Qualitätsparameter steht nicht in Beziehung zum Englisch-Anteil ausgesuchter deutschsprachiger Zeitschriften. Die deutsche Publikationssprache führt allerdings zur systematischen Benachteiligung der deutschsprachigen Fachzeitschriften.

Eigene Untersuchungen haben ergeben, dass darüber hinaus deutsche Autoren mit Umlaut benachteiligt werden, weil ihr Name in falscher Schreibweise zitiert und in den Datenbanken erfasst wird: Umlaute und andere »Sonderzeichen« werden verschieden erfasst. Wird ein Artikel des Autors »Müller« zitiert und der Umlaut in ue aufgelöst, während der Autor in der Datenbank unglücklicherweise in diesem Fall mit Muller erfasst wurde, wird das Zitat nicht richtig zugeordnet. Es geht dem Autor, aber auch der Zeitschrift verloren. Wir haben hierzu etliche Beispiele für DMW Autoren und DMW Publikationen aus den Jahren 1997-2000 recherchiert. Beispielhaft sei der Beitrag von Möhler, Wagner und Stremmel [2] aus 1998 erwähnt. Dem Erstautor und der DMW wurden nach allem, was wir nachvollziehen können, mindestens vier Zitate nicht zugeordnet: Die Arbeit wurde nach unserer Recherche bis zum 24.7.2000 fünfmal zitiert. Der offizielle Report des Institute for Scientific Information (USA) - als Institution zur Berechnung des Impact-Faktors autorisiert - weist dagegen nur eine Zitation aus. Demzufolge kann man eigentlich nur allen deutschsprachigen Autoren mit Umlaut oder auch ß in ihrem Namen raten, diesen auch für den nicht-deutschen Sprachraum »zitationsfähig« zu gestalten. De facto tun dies etliche Autoren schon heute.

Sehr willkürlich ist auch die Auswahl der DMW Artikel, die den Impact-Faktor ausmachen: Beispielsweise werden Editorials einmal gezählt, ein andermal nicht. Das gilt auch für Beiträge auf unseren elektronischen Seiten und für einige Rubriken wie »Der Arzneistoff« oder »Prinzip & Perspektive«. Die Anzahl der Artikel aus einem Jahr ist für die Berechnung des Impact-Faktors wichtig, weil dessen Größe nach der (hier vereinfacht dargestellten) Formel Zitationen pro Anzahl der Artikel sowohl durch den Nenner als auch durch den Zähler beeinflusst wird. Theoretisch wäre es günstig, den Nenner möglichst klein zu halten und mit wenigen sehr guten Beiträgen auf viele Zitationen zu hoffen. Einmal im Jahr eine »Hochglanz-DMW« mit fünf sehr guten Beiträgen, die in den beiden Folgejahren 20-mal zitiert würden, brächten im dritten Jahr einen Impact-Faktor von 4! Es wird schnell deutlich, dass dies nicht im Interesse der DMW und ihrer Leser ist. Also muss der Zähler vergrößert werden.

Wir brauchen qualitativ immer bessere Artikel, die dann natürlich auch häufiger zitiert werden. Dies scheint uns in den letzten Jahren gelungen zu sein: Trotz aller Widrigkeiten gegen die deutsche Publikationssprache ist der Impact-Faktor der DMW in den letzten Jahren langsam, aber stetig angestiegen. Dieser Anstieg verläuft gegen den Trend anderer deutschsprachiger Zeitschriften. [Tab. 1] zeigt die Faktoren aus 1999 und 2000 (2001 liegt noch nicht vor) der wichtigsten deutschsprachigen Zeitschriften mit vorwiegend internistischen und allgemeinmedizinischen Themen. Der Rang bezeichnet die Position unter den weltweiten Zeitschriften mit Schwerpunkt Innere und Allgemeinmedizin. Die DMW nimmt hier den höchsten Rang aller nicht englischsprachigen Zeitschriften ein. Die Zahl der Zitationen, welche die DMW nachweisen muss, um einen Impact-Faktor von 1 zu erreichen, dürfte nach den jetzt bekannten Benachteiligungen deutlich höher liegen als bei vergleichbaren englischsprachigen Zeitschriften. Das trifft natürlich auch auf die anderen deutschsprachigen Zeitschriften zu. Es ist daher sehr zu begrüßen, und es ist auch sehr berechtigt, dass die Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen Fachgesellschaften (AWMF) mit Beschluss vom August 2000 empfiehlt, bei deutschsprachigen Zeitschriften, die im SCI (Science Citation Index) gelistet sind, den Impact-Faktor zu verdoppeln [3].

Je mehr Artikel eine Zeitschrift pro Jahr publiziert, umso schwieriger ist es, einen hohen Impact-Faktor zu erreichen. Dies betrifft daher am stärksten die Wochenschriften. Das wird z. B. sehr deutlich bei der Schweizer Medizinischen Wochenschrift: Hier wird viel publiziert, aber zu Lasten eines niedrigen Impact-Faktors. Bemerkenswerterweise haben sich die Herausgeber entschlossen, ab 2001 in englischer Sprache zu publizieren. Man darf gespannt sein, wie sich das auf den Impact-Faktor auswirkt. Die DMW steht mit 315 Artikeln in 2000 an 7. Position weltweit nach Lancet (821), British Medical Journal (612), New England Journal of Medicine (379), JAMA (377), Archives of Internal Medicine (348) und der Schweizer Medizinischen Wochenschrift (siehe Tabelle 1).

Tab. 1 Impact-Faktor, Rang unter internationalen allgemeinen internistischen Fachzeitschriften entsprechend dem Impact-Faktor, Zitationen und Zahl der Artikel deutschsprachiger medizinischer Fachzeitschriften. Quelle: ISI Journal Citation Reports (http://jcrweb.com). Zeitschrift Impact-Faktor Rang Zitationen Artikel 1999 2000 1999 2000 1999 2000 1999 2000 DMW 0,68 0,79 44 39 2261 2267 280 315 Wien Klin Wochenschr 0,59 0,57 49 54 800 857 149 162 Med Klinik 0,42 0,39 67 68 645 593 171 142 Internist 0,29 0,29 85 83 284 352 177 158 Schweiz Med Wochenschr 0,32 0,26 81 85 1271 1220 279 368

Diese Auflistung zeigt, dass der DMW Abonnent sehr viel Stoff angeboten bekommt. Um die Qualität der Beiträge hoch zu halten und noch weiter zu steigern, ist ein hoher Impact-Faktor notwendig. Gute Autoren wollen mit Recht für ihre guten Beiträge einen hohen Impact-Faktor angerechnet bekommen. So schließt sich der Qualitätskreis. Ein weiteres Qualitätsmerkmal der Beiträge ist die Ablehnungsquote der eingereichten Manuskripte. Diese beträgt bei der DMW für Originalarbeiten 48,9 %, Kasuistiken 74 %, Übersichten 64 % und für die Rubrik Aktuelle Diagnostik & Therapie 18 %. Damit ist die »Messlatte« für deutschsprachige Verhältnisse relativ hoch.

Literatur

  • 1 Haße W, Fischer R. Englisch in der Medizin: Der Aus- und Weiterbildung hinderlich.  Dtsch Ärztebl. 2001;  98(47) A3100
  • 2 Möhler M, Wagner V, Stremmel W. Hereditäre Lebererkrankungen.  Dtsch Med Wochenschr. 1998;  123 466-471
  • 3 AWMF-Vorschlag zur Verwendung des »Impact-Faktors«. www.awmf-online.de

Prof. Dr. med. Martin Middeke

DMW Chefredaktion