NOTARZT 2002; 18(1): 25-26
DOI: 10.1055/s-2002-20191
Fortbildung
Der toxikologische Notfall
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Notarzt in Not

Emergency Physician in TroubleCh.  Müller2 , F.  Martens1
  • 1Charité, Campus Virchow Klinikum, Medizinische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin, Klinik für Nephrologie und internistische Intensivmedizin (Direktor: Prof. Dr. Ulrich Frei), Berlin
  • 2Kliniken der Landeshauptstadt Düsseldorf, Krankenhaus Gerresheim, Medizinische Klinik, (Chefarzt: Prof. Dr. Th. Königshausen)
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Publication Date:
18 February 2002 (online)

Der Fall

Der Notarzt wird in eine Nervenklinik alarmiert, wo eine Patientin bewusstlos krampfend aufgefunden worden war. Zur Vorgeschichte wussten die anwesenden Ärzte von Depressionen als Grund der stationären Behandlung zu berichten. Vor kurzer Zeit sei die Patientin noch völlig unauffällig gewesen. Ein Krampfleiden sei nicht bekannt. Die Erstuntersuchung zeigte eine etwa 70-jährige Patientin mit Apnoe, generalisierter Zyanose, grünlichem Speichelfluss und engen Pupillen ohne tastbare zentrale Pulse. Die Rettungssanitäter hatten die Patientin bereits orotracheal intubiert und beatmeten sie mittels Beutel. Die beobachteten Symptome (enge Pupillen bei Apnoe und Pulslosigkeit, generalisierte Zyanose und auffälliger Speichelfluss) und der stattgehabte Krampfanfall ließen den Notarzt an eine Intoxikation denken.

Während der Fortführung der Reanimationsmaßnahmen wurde das anwesende Klinikpersonal aufgefordert, nach etwaigen Substanzen zu suchen, die möglicherweise zu einer Vergiftung geführt haben könnten. Wegen der auffällig starken Sekretbildung musste die Patientin mehrfach endotracheal abgesaugt werden. Schließlich wurde eine Magensonde nasogastral platziert, aus der sich reichlich grünlich-bläuliche Flüssigkeit entleerte. Nach etwa 15 Minuten CPR trat eine ventrikuläre Tachykardie auf, die sich durch Gabe von Amiodaron beseitigen ließ und von gut tastbaren Pulsen gefolgt war. Von einem der anwesenden Ärzte war währenddessen die Handtasche der Patientin untersucht worden. Dabei fiel eine verdächtige Flasche ohne Deckel zu Boden, eine grünlich-bläuliche Flüssigkeit lief aus und bespritzte dabei den Unterarm eines der Rettungsassistenten. Der Notarzt, der bereits vorher Attacken von Übelkeit verspürte, vermutete nun eine Vergiftung seiner selbst und wies alle Umstehenden an, weiteren Patientenkontakt zu unterlassen und sofort die Fenster zwecks Durchlüftung zu öffnen. Dies misslang, weil alle Fenster verschlossen waren und der erforderliche Schlüssel nicht beschafft werden konnte. Daher wurde die Feuerwehr mit Atemschutz, der diensthabende LNA sowie weitere Rettungskräfte alarmiert. Die Übelkeit des Notarztes verstärkte sich und es kamen Atembeschwerden und eine Bradykardie mit allgemeiner Schwäche hinzu. Unter dem Empfinden einer eigenen Lebensbedrohung ließ er sich von seinem Rettungsassistenten eine Verweilkanüle legen, über die einer der Rettungsassistenten dann Atropin und später ein nachrückender Notarzt Toxogonin verabreichte. Dieser übernahm dann auch den Transport der vergifteten Patientin; der betroffene Notarzt und seine Sanitäter wurden ebenfalls in eine Klinik gebracht. Für etwa 12 Stunden bestand bei dem offenbar vergifteten Notarzt sowie beiden Rettungsassistenten eine retrograde Amnesie. Fremdanamnestisch standen Tachykardie, weite Pupillen und ein agitiertes Durchgangssyndrom im Vordergrund. Eine Erniedrigung der Pseudocholinesterase wurde nicht nachgewiesen.

Literatur

  • 1 Baselt R C, Cravey R H. Disposition of Toxic Drugs and Chemicals in Man. Chicago, London, Boca Raton, Littleton; Year Book Medical Publishers, INC 1990 3rd ed

Priv.-Doz. Dr. Frank Martens

Charité, Campus Virchow Klinikum · Medizinische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin · Klinik für Nephrologie und internistische Intensivmedizin

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Email: frank.martens@charite.de