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DOI: 10.1055/s-2002-22048
Fehlbestimmungen von Tumormarkern
Publication History
Publication Date:
14 March 2002 (online)

Frage: Der diagnostische Wert von Tumormarkern in der Onkologie wird auch bestimmt vom Zeitpunkt der Blutabnahme bis zur Probenauswertung. Da in der Praxis sehr häufig der Postversand genutzt wird (auch im Sommer!) und für die Stabilität meistens Bestimmungen innerhalb von 24 Stunden und Transport-Temperaturen von 4-8 ˚C gefordert werden, dürften »Fehlbestimmungen programmiert sein«. Zusätzlich geben die Testhersteller sehr unterschiedliche Zeiträume an. Ergeben sich aufgrund dieser (wahrscheinlich wenig beachteten) Problematik nicht erhebliche u. U. folgenschwere Interpretationsfehler?
Antwort: Der fragende Kollege hat wirklich ein sehr heikles Thema aufgegriffen, das nicht nur die Tumormarker betrifft, sondern auch die Präanalytik und die Standardisierung/Vergleichbarkeit von Methoden.
Es gibt zwei Quellen für die »Fehlbestimmung« von Tumormarkern. Zum einen hat es direkt mit der Präanalytik zu tun, zum anderen hängt es von der Wahl des Analyts bzw. Testkits ab.
Die Präanalytik ist eine Voraussetzung für zuverlässige und physiologisch nahe Werte. Die andere Ursache kann zu »Fehlbestimmungen« führen, da das Analyt und das benutzte Testbesteck einen Einfluss auf die Ergebnisse haben können.
Zur Frage »Tumormarker« möchte ich im voraus etwas zur Heterogenität dieser Analytgruppe klarstellen. Es werden verschiedene Substanzen/Analyte für die Überwachung von Tumoren eingesetzt. Dies sind u. a. Hormone wie
ACTH, hGH/STH, Prolaktin (Hypophysentumor), Cortisol, Adrenalin, Noradrenalin (Nebenniere), hCG (Blasenmole, Hodentumor), Calcitonin (med. SD-Karzinom), Protein wie Thyreoglobulin (foll. SD-Karzinom), AFP (prim. Hepatozelluläres Karzinom), CEA (sek. Hepatozelluläres Karzinom), Tumormarker wie die CA-Marker, CD-Leukozytenmarker für Leukämien, Immunglobuline für Plasmozytom
um nur einige zu nennen.
Es geht hier um eine komplexe Zusammensetzung verschiedenster Substanzen mit verschiedener Stabilität nach der Blutentnahme. Die Präanalytik spielt hier eine übergeordnete Rolle. Wenn man sinnvolle und verwendbare Ergebnisse erhalten will, muss sich der anfordernde Arzt zuerst mit dem Labor kurzschließen, damit die präanalytische Phase, d. h. von der evtl. Patientenvorbereitung über die Blutabnahme, Probenvorbehandlung, -lagerung und -transport ins Labor reibungslos und optimal verläuft!
Nur sehr wenige Proben können ohne Bedenken auf dem Postweg versandt werden. In dieser Zeit, in der Wirtschaftlichkeit gefragt ist - egal wie man diese definieren mag - besteht eine Pflicht zur gründlichen Vorbereitung, um Folgekosten durch Fehlergebnisse und eine eventuelle falsche Behandlung zu vermeiden.
Der anfordernde Arzt sollte zuerst Kontakt mit einem Labor aufnehmen, das über einen zuverlässigen Transport verfügt und möglichst in seiner Nähe ist, um alles Notwendige zu besprechen und somit spätere Probleme zu vermeiden.
Zur zweiten Ursache für mögliche Fehlbestimmungen ist zu sagen, dass es für viele Substanzen, die als Tumormarker bestimmt werden, keine Standardisierung mit »nur einem Wert« gibt. Mit dem Analyt kann es Probleme geben, wenn es in verschiedenen Formen im Blut vorkommt, z. B. hCG, ACTH, PTH, und wenn die verschiedenen Testbestecke irreführende Namen wie hCG, hCG + β, gesamt-hCG, gesamt-β-hCG oder β-hCG besitzen. Für den Anforderer ist es daher wichtig, beim gleichen Labor bzw. Methoden-/Kit-Anbieter zu bleiben, um in sich vergleichbare Ergebnisse zu erhalten. Hier ist dann eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse eines Patienten über einen langen Zeitraum möglich (z. B. bei der Nachsorge von operierten Tumorpatienten) - vorausgesetzt, die Methode wurde nicht geändert.
Vorsicht ist auch geboten bei einem »negativen« oder »normalen« Ergebnis. Hiermit ist ein Tumor noch nicht ausgeschlossen. Als Beispiel sei der nicht nachweisbare CA-19 - 9-Spiegel bei Patienten mit Lewis a/b negativ genannt. Bei solchen Patienten können die Kohlenhydratanteile des CA-19 - 9-Antigens nicht gebildet - und deshalb nicht exprimiert - werden.
Bei einem operierten Patienten muss ein Anstieg im Normalbereich/Referenzbereich als Vorzeichen eines möglichen Rezidivs ernst genommen werden.
Beispiele für besonders kritische Analyte sind:
ACTH - nach der Blutabnahme die Probe sofort zentrifugieren und Serum/Plasma bei unter -30 ˚C bis zur Analyse einfrieren, Transport in Trockeneis;
»Tumormarker« (sog. Nummernmarker wie CA 19 - 9, CA 125 usw.) - die z. T. kitspezifischen Werte sorgen bei einer Post-OP, Langzeitkontrolle/-überwachung dafür, dass es nur zuverlässig ist, wenn alle Werte mit dem gleichen Kit bzw. der gleichen Methode ermittelt werden;
Catecholamine- Blutabnahme in speziell vorbereiteten/präparierten Röhrchen (z. B. mit EGTA/Natriummetabisulfit), sofortiges Zentrifugieren, Plasma möglichst unter -50 ˚C bis zur Analyse aufbewahren (Transport in Trockeneis!).
Literatur
- 1 Eimer G, Zawta B. Präanalytikfibel, Kooperation von Arzt und Labor. 2. Auflage, J. A. Barth, Leipzig, Heidelberg 1991
- 2 Thomas L, Stieber P, Lamerz R, Raue F, Grauer A. Tumormarker. TH-Books, Frankfurt/Main In: Labor und Diagnose - Indikation und Bewertung von Laborbefunden für die medizinische Diagnostik. (Hrsg.): Thomas L., 5. Auflage 1998: 956-1019
- 3 Wagner C. Neoplastische Erkrankungen. Schattauer Stuttgart In: Lehrbuch der Klinischen Chemie und Pathobiochemie, 2. Auflage (Hrsg.): Preiling H, Gressner AM 1989: 986-1021
Prof. Dr.med. W. G. Wood
Institut für klinische Labordiagnostik
Postfach 2341
18410 Stralsund