Dtsch Med Wochenschr 2002; 127(11): 578-579
DOI: 10.1055/s-2002-22054
Fragen aus der Praxis
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Welche Maßnahmen sind bei Clostridium-difficile-Toxin-Nachweis erforderlich?

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Publication Date:
14 March 2002 (online)

Frage: Ein 73-jähriger stark übergewichtiger Patient (Body-Mass-Index 38 kg/m 2 ) wurde ambulant wegen einer fraglichen akzidentellen Zahnteilprotheseningestion mit Laxanzien behandelt. Daraufhin entwickelte sich eine anhaltende Loperamid-refraktäre, letztlich blutig-schleimige Diarrhoe mit Verschlechterung des Allgemeinzustandes und Unterbauchschmerzen.

Antibiotika hatte der Patient nicht genommen. Bei stationärer Einweisung bestand ein prärenales Nierenversagen (Kreatinin 4-5 mg/dl), eine neu aufgetretene absolute Arrhythmie bei Vorhofflimmern sowie eine respiratorische Globalinsuffizienz bei typischem Obesitas-Hypoventilations-Syndrom (Pickwick-Syndrom). Unter Flüssigkeitssubstitution und Schleifendiuretikagabe konnte das Nierenversagen durchbrochen werden, es bestand weiterhin eine Tachyarrhythmia absoluta sowie eine dekompensierte respiratorische Globalinsuffizienz (pH 7,2, pO2 55 mm Hg, pCO2 67 mm Hg). Die Stuhlbakteriologie ergab einen unauffälligen Befund. Clostridium-difficile-Toxin A/B wurde nachgewiesen.

1. Muss unter o. g. Befundkonstellation zur Diagnosesicherung einer Clostridium-difficile-induzierten Kolitis (z. B. pseudomembranöse Kolitis) eine rektosigmoidoskopische Diagnostik erfolgen? 2. Sollte bei typischer klinischer Symptomatik und Clostridium-difficile-Toxin-Nachweis umgehend mit einer antibiotischen Therapie (Vancomycin, Metronidazol) begonnen werden - auch ohne eine makroskopische bzw. bioptische Sicherung des Befundes? 3. Ist der typische makroskopische Befund der pseudomembranösen Kolitis bei der unteren Intestinoskopie dem Clostridium-difficile-Toxin-Nachweis im Stuhl in seiner diagnostischen Wertigkeit überlegen?

Antwort: Eine Infektion mit Clostridium difficile wird in ca. 15 - 20 % der Fälle als Ursache für eine Antibiotika-assoziierte Diarrhoe gefunden. Die durch Clostridium difficile induzierte Kolitis tritt normalerweise 4 - 9 Tage nach Beginn einer antibiotischen Therapie auf, kann jedoch auch in bis zu 30 % der Fälle, zum geringen Teil auch bis zu 6 Wochen nach Beendigung der Antibiotikatherapie beobachtet werden, was zu Fehldiagnosen führen kann [2]. In den 60er-Jahren galt die Clostridium difficile- Kolitis noch als Staphylokokkenkolitis und wurde mit Bacitracin behandelt, das auch gegen Clostridium difficile wirksam ist. In den 70er Jahren wurde sie nach Einführen der Breitspektrumantibiotika (z. B. Clindamycin, Ampicillin, Amoxycillin, Cephalosporin) gehäuft beobachtet, insbesondere nach Applikation von Clindamycin und Lincomycin, was zum Terminus Clindamycin-Kolitis führte. Erst 1977/1978 wurde Clostridium difficile mit seinen Toxinen als pathogener Keim identifiziert [1] [6]. Die Clostridium difficile- Kolitis ist heute die Hauptursache für nosokomial erworbene Kolitiden und gewinnt infolge der steigenden Anzahl an antibiotischen Therapien im Krankenhaus, zum Beispiel im Rahmen von perioperativen Prophylaxen, zunehmend an klinischer Bedeutung [3].

Pathogenetisch für die Clostridium-difficile-Kolitis sind die durch Clostridium difficile produzierten Exotoxine A und B. Beide führen zu Entzündungen in der Mukosa mit einer Aktivierung von Zytokinen und Ausbildung einer exsudativen Enteropathie. Das Toxin A ist verantwortlich für die Kolitis und erlaubt dem Toxin B den zytotoxischen Effekt an den Zellen auszuüben. Der Immunstatus und die Komorbidität des Patienten sowie die Infektionsdauer bestimmen die klinischen Manifestationen einer Clostridium-difficile-Kolitis [2] [4] [8]:

Asymptomatischer Trägerstatus: toxinproduzierende Clostridium difficile-Stämme lassen sich im Stuhl von ca. 5 % der gesunden Personen nachweisen. Epidemiologische Studien in Krankenhäusern konnten zeigen, dass ein Großteil der mit Clostridium difficile infizierten Patienten asymptomatische Träger sind. Sie können als Reservoir dienen und zu epidemischen Ausbrüchen beitragen. Eine Sanierung ist nicht sinnvoll, da sie den Trägerstatus eher verlängern kann. Clostridium-difficile-Kolitis ohne Pseudomembranen: diese Patienten haben eine Reihe klinischer Symptome wie Übelkeit, abdominelle Schmerzen, Unwohlsein, Krankheitsgefühl und wässrige Diarrhoen, die zu einer Exsikkose führen können. Subfebrile Temperaturen und eine Leukozytose sind häufig. Der endoskopische Befund kann normal sein oder zeigt das Bild einer unspezifischen Kolitis mit erythematöser Mukosa. Histologisch ist die Kolitis jedoch auf jeden Fall nachzuweisen. Die pseudomembranöse Kolitis ist das charakteristische Vollbild einer Clostridium difficile-Kolitis. Die klinischen Symptome sind ähnlich wie oben beschrieben, jedoch mit deutlich stärkerer Intensität. Die Diarrhoe ist häufig blutig. Die Endoskopie zeigt typische gelbliche, erhabene Läsionen im Kolon, vorwiegend im rektosigmoidalen Übergang, seltener isoliert proximal davon. Bei ca. 3 % der Patienten mit einer Clostridium-difficile-Kolitis entwickelt sich eine fulminante Kolitis mit einem Ileus und/oder einem toxischen Megakolon und/oder einer Kolonperforation, z. T. mit letalem Ausgang. Diese Patienten haben zusätzlich zu schweren abdominellen Symptomen häufig systemische Reaktionen wie Fieber, eine deutliche Leukozytose (bis zu 40 000/µl) sowie eine Hypoalbuminämie.

Aufgrund dieser Variabilität der Krankheitsbilder wird die Diagnose einer Clostridium difficile-Kolitis (mit oder ohne Pseudomembranen) durch die entsprechende Klinik zusammen mit dem Nachweis der entsprechenden Toxine gestellt [2] [5] . Eine endoskopische Befundsicherung bei erfolgtem Toxinnachweis ist nicht erforderlich, kann jedoch zur Feststellung des Schweregrades durchgeführt werden. Die Endoskopie ist indiziert, falls eine rasche Diagnose wegen des klinischen Zustandes erforderlich wird und eine entsprechende Testung mit raschem Ergebnis nicht verfügbar ist, ferner beim Subileus bzw. Ileus mit fehlender Möglichkeit der Stuhlgewinnung oder bei fulminaten Verläufen zur differentialdiagnostischen Sicherung gegenüber anderen Kolitiden [2].

Für den Toxinnachweis gibt es verschiedene Möglichkeiten. Der Goldstandard ist der zytotoxische Nachweis von Toxin B in Zellkulturen. Ergebnisse sind erst nach 24 - 48 Stunden verfügbar. Latex-Agglutinations-Test sowie Enzym-Immuno-Assays (ELISA sowie EIA) sind derzeit verfügbare Schnellteste mit guter Sensitivität und Spezifität. Die letzteren haben eine Sensitivität von ca. 70 - 90 % und eine Spezifität von 90 % und können Ergebnisse innerhalb von 1 - 3 Stunden liefern [5] [7]. Der Latex-Agglutinations-Test ist weniger sensitiv. Stuhlkulturen werden nur noch zu epidemiologischen Zwecken angelegt.

Bei entsprechendem Verdacht (Antibiotika-Anamnese und klinische Symptomatik) wird Stuhl zum Toxinnachweis eingeschickt. Beim negativen Nachweis und persistierender Symptomatik sollten zwei weitere Proben zur Wiederholungsuntersuchung eingeschickt werden [2] [5]. Als erste Maßnahmen sollten die laufende antibiotische Therapie beendet sowie eine symptomatische Therapie mit Elektrolyten- und Flüssigkeitssubstitution eingeleitet werden. Sie sind bei einem kleinen Teil der Patienten mit milder Symptomatik und intaktem Immunsystem ausreichend. Eine keimspezifische Therapie ist erforderlich, falls eine antibiotische Therapie wegen vital gefährdender Infektionen anderer Organe fortgeführt werden müsste, bei Patienten mit einem kompromittierenden Immunstatus oder wenn die Klinik auf einen schweren Verlauf hindeutet (abdominelle Schmerzen, Exsikkose, Leukozytose, Fieber etc.) Bei schwerkranken Patienten ist eine empirische Therapie auch bis zum Eintreffen der Ergebnisse der Stuhldiagnostik gerechtfertigt. Die Therapie der ersten Wahl ist die orale Gabe von Metronidazol 400 mg dreimal am Tag für 10 Tage. Eine intravenöse Therapie ist indiziert bei (a) Unverträglichkeit der oralen Medikation oder (b) Zeichen eines Subileus oder Ileus mit der Gefahr einer Resorptionsstörung. Vancomycin (4 x 125 mg oral) verbleibt wegen der Gefahr der Entwicklung von Vancomycin-resistenten Enterokokken als Reservemedikament und kann eingesetzt werden bei (a) Schwangeren und Kindern unter 10 Jahre, (b) Metronidazolunverträglichkeit, (c) unzureichendem klinischem Ansprechen auf Metronidazol oder (d) lebensbedrohlicher Verlauf [2]. Ca. 15 - 20 % der Patienten mit einer Erstmanifestation einer Clostridium difficile-Kolitis können innerhalb einer Woche nach Beendigung der Therapie ein Rezidiv bekommen. Eine Antibiotikaresistenz als Ursache ist selten. Wirtsfaktoren (gestörte Darmflora, angeborene oder erworbene Immunschwäche, postzytostatische Therapie etc.) scheinen dabei eher eine Rolle zu spielen. Eine erneute Therapie ist in der Regel wirksam.

Literatur

  • 1 Bartlett J G, Chang T W, Gurwith M, Gorbach S L, Onderdonk A B. Antibiotic-associated pseudomembranous colitis due to toxin-producing clostridia.  Engl J Med. 1978;  298 531-534
  • 2 Fekety R. Guidelines for the diagnosis and management of Clostridium difficile-associated diarrhea and colitis. American College of Gastroenterology, Practice Parameters Committee.  Am J Gastroenterol. 1997;  92 739-750
  • 3 Jobe B A, Grasley A, Deveney K E, Deveney C W, Sheppard B C. Clostridium difficile colitis: an increasing hospital-acquired illness.  Am J Surg. 1995;  169 480-483
  • 4 Kelly C P, Pothoulakis C, LaMont  J T. Clostridium difficile colitis.  N Engl J Med. 1994;  330 257-262
  • 5 Kelly C P, LaMont J T. Clostridium difficile infection.  Annu Rev Med. 1998;  49 375-390
  • 6 Larson H E, Parry J V, Price A B, Davies D R, Dolby J, Tyrell D A. Undescribed toxin in pseudomembranous colitis.  Br Med J. 1977;  1 1246-1248
  • 7 Lyerly D M, Neville L M, Evans D T, Fill J, Allen S, Greene W, Sautter R, Hnatuck P, Torpey D J, Schwalbe R. Multicenter evaluation of the Clostridium difficile TOX A/B TEST.  J Clin Microbiol. 1998;  36 184-190
  • 8 Mitty R D, Lamont J T. Clostridium difficile colitis: epidemiology, pathophysiology and treatment.  Mt Sinai J Med. 1994;  61 329-335

Autor

PD Dr. med. H. N. Nguyen

Medizinische Klinik III, Universitätsklinikum der RWTH-Aachen

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Email: hnguyen@post.klinikum.rwth-aachen.de