Handchir Mikrochir Plast Chir 2002; 34(1): 22-29
DOI: 10.1055/s-2002-22103
Originalarbeit

Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Die Therapie von Bissverletzungen der Hand und des Handgelenkes - Ist eine Antibiotika-Prophylaxe in jedem Fall notwendig?[1]

Treatment of Bites to the Hand and Wrist - Is the Primary Antibiotic Prophylaxis Necessary?M. Rothe, T. Rudy, P. Stanković
  • Klinik für Unfallchirurgie, Plastische und Wiederherstellungschirurgie (Direktor: Prof. Dr. K. M. Stürmer), Klinikum der Georg-August-Universität Göttingen
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Publication Date:
18 March 2002 (online)

Zusammenfassung

Tierbissverletzungen stellen einen bedeutenden Anteil der Verletzungen in der unfallchirurgischen Poliklinik dar. Sie nehmen durch ihren Verletzungsmechanismus, die Vielfalt der Wundformen und die Kontamination mit aeroben und anaeroben Keimen eine Sonderstellung ein. Den Bissverletzungen der Hand gebührt dabei aufgrund der hohen Infektionsrate besondere Aufmerksamkeit.

Wir berichten über 98 Patienten mit Bissverletzungen der Hand und des Handgelenkes (m = 55, w = 43) aus den Jahren 1995 bis 2000. In Abhängigkeit vom Befund wurden sie konservativ (n = 65) oder operativ (n = 33) behandelt. In 18 von 33 Fällen erfolgte die Operation aufgrund einer Infektion. Eine primäre antibiotische Prophylaxe in der Regel mit Cephalosporinen wurde in 47 von 98 Fällen durchgeführt. Die Behandlungsergebnisse wurden retrospektiv analysiert.

Bei insgesamt 32 Patienten kam es zu einer Infektion: Sechs von ihnen hatten eine Antibiotika-Prophylaxe erhalten, trotzdem bedurften vier Patienten aufgrund der schweren Infektion einer operativen Intervention. Die übrigen 26 Patienten hatten keine Antibiotika-Prophylaxe erhalten. Von ihnen mussten etwas mehr als die Hälfte (n = 14) einer operativen Therapie zugeführt werden. Die übrigen 12 Patienten konnten unter lokalen Maßnahmen und entsprechender Antibiotikatherapie konservativ behandelt werden.

Insgesamt 21 von 26 Patienten kamen erst mit bereits infizierten Bissverletzungen in unsere Behandlung. Mikrobiologisch konnte in den Wunden eine Vielzahl von Erregern nachgewiesen werden, wobei meist eine Mischinfektion mit Pasteurella multocida vorlag. Die Keime waren in allen Fällen auf die von uns eingesetzten Cephalosporine der zweiten oder dritten Generation empfindlich.

Insgesamt 15 Patienten wurden aufgrund knöcherner Verletzungen, Beteiligung von Sehnen oder Sehnenscheiden beziehungsweise ausgedehnterer Verletzungen des Weichteilmantels operiert. Fast alle Patienten erreichten ein gutes bis akzeptables funktionelles Ergebnis.

Eine primäre antibiotische Prophylaxe kann eine infektiöse Komplikation nicht sicher verhindern. Trotzdem sollte bei jeder Bissverletzung im Bereich der Hand und des Handgelenkes aufgrund der hohen Infektionsgefahr eine primäre antibiotische Prophylaxe durchgeführt werden. Bei schwererem Weichteilschaden, schwierig zu beurteilendem Befund oder Infektzeichen sollte eine frühzeitige operative Therapie erfolgen.

Abstract

Animal bites make up a large proportion of the injuries treated in an emergency department. Due to the type of injury, the variety of wounds and the contamination with aerobic and anaerobic organisms, they deserve special attention.

In this study, we reviewed 98 patients (55 male/43 female) with bite wounds to the hand and wrist treated between 1995 and 2000. They were either treated conservatively (n = 65) or surgically (n = 33) depending on the clinical findings. In 18 of 33 cases, the reason for surgical treatment was an infection. A primary antibiotic prophylaxis, usually with cephalosporines, was administered in 47 of 98 cases. Results were analysed retrospectively.

An infection developed in 32 patients. In six of these patients, an infection developed despite primary antibiotic prophylaxis. Operative treatment became necessary in four of these six cases. Twenty-six of 32 patients were treated without primary antibiotic prophylaxis. Surgical treatment was required in around half (n = 14) of these patients, while the other 12 patients were treated conservatively with antibiotic therapy.

Twenty-one of 26 patients presented with bite wounds that were already infected. Microbiological examination revealed a variety of microbes, usually a mixed infection with Pasteurella multocida was found. All organisms were susceptible to treatment with second or third generation cephalosporines.

A total of 15 patients had to be operated due to deeper injuries to the bone, extensive soft-tissue injury, or because of injury to a tendon and the tendon sheath. In most patients, a good to acceptable functional result was achieved.

Primary antibiotic prophylaxis does not prevent the development of infection. Nevertheless, because of the inherently high infection risk associated with bite wounds to the hand and wrist, prophylaxis should be carried out. In case of severe damage to the soft tissue or signs of infection, early surgical therapy should be considered.

1 Nach einem Vortrag auf dem 41. Symposium der Deutschsprachigen Arbeitsgemeinschaft für Handchirurgie vom 2. bis 4. November 2000 in München

Literatur

1 Nach einem Vortrag auf dem 41. Symposium der Deutschsprachigen Arbeitsgemeinschaft für Handchirurgie vom 2. bis 4. November 2000 in München

Dr. med. Michaela Rothe

Abteilung für Handchirurgie, Plastische und Mikrochirurgie, Zentrum für Schwerbrandverletzte
Berufsgenossenschaftliches Unfallkrankenhaus

Bergedorfer Straße 10

21033 Hamburg