Dtsch Med Wochenschr 2002; 127(13): 698
DOI: 10.1055/s-2002-23482
Pro & Contra
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Minimal-invasive Herzchirurgie - Pro

Minimally invasive coronary surgery - pro
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Manuskript-Eingang: 27. Februar 2002

Annahme nach Revision: 5. März 2002

Publication Date:
27 March 2002 (online)

Die Entwicklungen der »minimal-invasiven Herzchirurgie« während der letzten 6 Jahre haben eine erfreuliche Wiederbelebung des gesamten Fachbegiets ausgelöst. Auch wenn der bundesweite Anteil von 5 % der minimal-invasiv durchgeführten Herzoperationen noch sehr klein erscheint, wird in einzelnen Zentren schon ein Drittel aller Herzoperationen nach diesen Konzepten operiert.

Obwohl der Begriff »minimal-invasiv« im Zusammenhang mit der Herzchirurgie häufig Verwendung findet, gibt es bisher keine einheitliche Definition. Historisch gesehen ergaben sich drei parallele Entwicklungen zur Reduktion des Operationstraumas: Die »Off-Pump-Technik«, bei der auf den Einsatz der Herz-Lungen-Maschine (HLM) vollständig verzichtet wird und somit die Koronarchirugie am schlagenden Herzen erfolgt. Hier sind nun operative Verfahren mit kompletter Sternotomie (OPCAB), mit kleiner Thorakotomie (MIDCAB) oder auch experimentell mit computergestützten Systemen, total endoskopisch (TECAB) entwickelt worden. Die »Minimal Access Technik«, die unter Verwendung herkömmlicher HLM Techniken zur Reduktion des operativen Zugangs führt und überwiegend für Herzklappenoperationen und beim ASD-Verschluss Bedeutung hat. Die »Port Access-Technik«, mit dem Ziel der total endoskopischen Heroperation unter Verwendung einer modfizierten Perfusionstechnik mit der Herz-Lungen-Maschine.

In der Koronarchirurgie stehen hierbei ganz klar Operationen am schlagenden Herzen im Vordergrund. Die Verwendung der extrakorporalen Zirkulation ist regelhaft mit einer systemischen inflammatorischen Reaktion sowie einer Aktivierung des Gerinnungssystemes verbunden. Gasförmige oder partikuläre Mikroembolisationen können zu peripheren Zirkulationsstörungen führen, die neben den aortalen Manipulationen für die nach Bypassoperationen gehäuft auftretenden schweren neurologischen und auch kognitiven Defizite verantwortlich sind. Der kardioplegische Arrest bietet zwar den Vorteil eines komplett entlasteten bewegungslosen Herzens, führt aber auch bei guter Myokardprotektion zu messbaren ventrikulären Funktionseinschränkungen und Freisetzung von Ischämiemarkerenzymen. Mehrere Studien belegen für die Myokardrevaskularisation am schlagenden Herzen eine geringere Inzidenz neurologischer, renaler und pulmonaler Komplikationen. Mit Einführung vakuumassistierter Stabilisatoren und Expositionshilfen besteht keine Einschränkung mehr bezüglich der Anastomosenqualität oder der anschließbaren Gefäße, sodass eine komplette arterielle Revaskularisation ohne den Einsatz der extrakorporalen Zirkulation (OPCAB-Verfahren) heute in der Hand des Erfahrenen möglich ist und von jedem erlernt werden kann.

Einen Sonderfall - und vielleicht die technisch schwierigere Variante - ist die MIDCAB-Operation, bei der über eine linkslaterale Minithorakotomie am schlagenden Herzen ein Bypass mit der Arterie thoracica interna zum Ramus interventricularis und evtl. auch zu den Diagonalästen angeschlossen wird. Dieses Bypass-Verfahren mit LIMA bietet vergleichbare Offenheitsraten (96 %) wie die konventionellen Methoden, erlaubt aber durch den Verzicht auf eine Sternotomie eine deutlich schnellere Rekonvaleszenz und tritt damit unmittelbar in Konkurrenz zu den interventionellen Verfahren, die nach wie vor mit hohen Restenoseraten belastet sind. Es ist auch kaum mehr zu erwarten, dass von Seiten der Kardiologie eine Zuweisung zur operativen Behandlung der Eingefäßerkrankung mit konventioneller Sternotomie und HLM erfolgen kann.

Insbesondere bei In-Stent-Restenosen, Typ-C-Stenosen sowie komplettem Verschluss des RIVA sehen wir eine Primärindikation für das MIDCAB-Verfahren. Stimuliert durch die Entwicklung in anderen Disziplinen sind auch komplett endoskopische sowie video- und telemanipulatorgestützte Methoden zur Myokardrevaskularisation am kardioplegierten und schlagenden Herzen entwickelt worden. Ein qualitativer Zugewinn dieser noch experimentellen Verfahren ist jedoch aufgrund deutlich verlängerter Operationszeiten und einer nicht unerheblichen Konversionsrate derzeit noch nicht abbildbar.

In der Klappenchirurgie, die mit Eröffnung der Herzhöhlen und damit zwingend mit dem Einsatz der extrakorporalen Zirkulation einhergeht, steht die Minimierung der operativen Zugangswege unter Vermeidung einer kompletten Sternotomie, die mit einem Risiko von 1-2 % für das Auftreten einer Mediastinitis einhergeht, im Vordergrund. Für Operationen an der Aortenklappe stehen mehrere partielle Sternotomieverfahren zur Auswahl, die über den Erhalt der Sternumkontinuität zu einer verbesserten Stabilisierung des knöchernen Thorax beitragen. So genügt es völlig, bei Reoperationen nach vorgehabter Bypasschirurgie, eine limitierte Freilegung der Aorta zum Klappenersatz mit perkutaner Kanülierung des rechten Vorhofs vorzunehmen.

In der Mitralklappenchirurgie erfolgt nach unserer Erfahrung der optimale Zugang über eine rechtslaterale Minithorakotomie (4-5 cm submammäre Hautinzision) unter Verwendung modifizierter Kanülierungstechniken und perkutaner transthorakaler oder intraluminaler Aortenausklemmung. Über den rechtslateralen Zugang ist unter gleichzeitiger Verwendung moderner Videotechniken eine deutlich bessere Exposition der Mitralklappe möglich. Klappenerhaltende Rekonstruktionen und Klappenersatz sind endoskopisch mit vergleichbaren, vielleicht auch besseren Ergebnissen zur offenen Chirurgie bei deutlich schnellerer Mobilisierung und Rekonvaleszenz durchführbar. Insbesondere bei Re-Operationen mit vorausgegangener Sternotomie bietet das Verfahren Vorteile, da das Risiko einer präparationsbedingten Verletzung des Herzens oder angelegter Bypässe minimiert werden kann. Durch das geringe operative Trauma mit kosmetisch exzellentem Ergebnis wird eine frühzeitigere Indikationsstellung zur Mitralklappenrekonstruktion oder auch zur Behandlung des Vorhofflimmerns empfehlenswert.

Die Einführung weniger invasiver und endoskopischer Techniken hat eine Reihe technologischer Entwicklungen in der Herzchirurgie beschleunigt, die das klassische Armentarium bereichern. Die bisher publizierten Ergebnisse zeigen, dass qualitativ gleichwertige Ergebnisse erzielbar sind und sich in einigen Bereichen eine Senkung der Morbidität erzielen lässt. Die neuen Techniken werden die konventionellen Verfahren nicht ersetzen, aber das erweiterte Methodenspektrum erlaubt schon heute eine individuelle Optimierung des operativen Angebotes an den Patienten.

Korrespondenz

Prof. Dr. med. F. W. Mohr

Universität Leipzig, Herzzentrum

Strümpellstraße 39

04289 Leipzig