Dtsch Med Wochenschr 2002; 127(17): 893-894
DOI: 10.1055/s-2002-25376
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Ärztemangel - relativ

Lack of doctors - relativeM. Rothmund
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Publication Date:
25 April 2002 (online)

Prof. Dr. M. Rothmund, Marburg

Ich erinnere mich gut daran, dass meine Eltern, die beide in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts Medizin studierten, erzählten, ihnen sei vom Studium abgeraten worden, da sie bei der Ärzteschwemme ohnehin keine Aussicht auf einen Arbeitsplatz hätten. Nach dem Studium war keine Rede mehr davon. Ärzte wurden gesucht. Das war auch in den 60er Jahren so. Weitere 20 Jahre später rieten Eltern ihren Kindern wieder vom Studium ab, Ärzte gab es zu viele, einen auf etwas mehr als 400 Einwohner.

Es scheint, als würde die Ärztedichte von Naturgesetzen beeinflusst, wie Ebbe und Flut. Der heutige Ärztemangel - er ist leicht erkennbar am zunehmenden Umfang der Anzeigenseiten im Deutschen Ärzteblatt - hat jedoch etwas besonderes, etwas neues: er ist in doppelter Hinsicht relativ. Zum ersten gibt es in Deutschland so viele Ärzte wie noch nie zuvor, nach Angaben der Bundesärztekammer etwa 375  000, es gab aber noch nie so viele Absolventen des Medizinstudiums, die nicht Ärzte wurden - etwa 75  000 [5] [10] . Zum zweiten scheint es so, dass eher die besseren Absolventen die beruflichen Alternativen ergreifen und ihren Platz im „Speckgürtel“ um die Medizin herum finden, in Unternehmensberatungen, im Medizinischen Dienst der Krankenkassen, in Versicherungen und Verlagen, also dort, wo die Arbeitszeiten günstiger und die Gehälter fast immer besser sind. Mit anderen Worten, es gibt nicht nur zu wenige Bewerber um ärztliche Weiterbildungsstellen, sondern auch nicht genügend qualifizierte.

Literatur

  • 1 Ärztestudie in Hessen zeigt . Ärzte arbeiten meist länger als es der Tarifvertrag vorsieht.  f & w. 2002;  1 74-75
  • 2 Biedenkopf A. Die Entscheidung nach dem PJ: Chirurgie - ja oder nein.  Mitteilungen Deutsche Gesellschaft für Chirurgie. 2002;  2 im Druck
  • 3 Campbell B, van de Wauwer C, Nguyen D. What patients think about surgeons‘ working hours.  Ann R Coll Surg Engl . 2001;  83 (Suppl) 296-297
  • 4 Charalambous C, Siddique I, Elscharief D, Hill J. Continuity of care - patients‘ expectations and preferences.  Ann R Coll Surg Engl. 2002;  84 (Suppl) 6-8
  • 5 Clade H. Der Ärzteboom ebbt allmählich ab.  Deutsches Ärzteblatt. 2001;  21 1998
  • 6 Neue Arbeitszeiten in Krankenhäusern.  Frankfurter Allgemeine Zeitung. 2002;  54 18
  • 7 In den Kliniken fehlen 40 000 Ärzte und Pfleger.  Frankfurter Allgemeine Zeitung. 2002;  58 13
  • 8 Sanfrey H. General surgery training crisis in America.  Br J Surg. 2002;  89 132-133
  • 9 Schwartz R W, Jarecky R K, Stroddel W E, Haley F V, Young B, Griffen W O. Controllable Lifestyle: A new Factor in Career Choice by Medical Students.  Acad Med. 1989;  64 606-609
  • 10 Wüsthoff A. Frust und Fron in Weiß.  Die Zeit. 2001;  22

Prof. Dr. med Matthias Rothmund

Klinik für Visceral-, Thorax- und Gefäßchirurgie

Baldingerstraße

35033 Marburg

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