Zusammenfassung
Angesichts der wachsenden Forderung nach vermehrter Vernetzung und Integration sowie
„durchgängigen” Versorgungsabläufen rücken zunehmend Fragen nach den Determinanten
einer flexibilisierten Form des Rehabilitationssettings ins Blickfeld. Es gilt insbesondere
zu klären, in welchen zeitlichen Zusammenhängen und unter welchen Voraussetzungen
die entscheidende Wahl für ein bestimmtes Rehabilitationssetting getroffen wird. Bei
1838 konsekutiv aufgenommenen kardiologischen Patienten einer Rehabilitationsklinik
wurde überprüft, wie viele Patienten sich für eine teilstationäre Rehabilitation entscheiden
und welche Faktoren die Entscheidung des Patienten für ein bestimmtes Rehabilitationssetting
mitbestimmen. Von den 1838 Patienten entschieden sich 165 (9 %) für eine teilstationäre
Rehabilitation. Patienten, die eine teilstationäre Rehabilitation präferieren, sind
eher männlichen Geschlechts, gehören einer höheren Sozialschicht an und sind jünger.
Patienten, die sich für eine stationäre Behandlung entscheiden, fühlen sich durch
die Erkrankung stärker eingeschränkt. Dies zeigt sich auch in der unterschiedlichen
Krankheitsbewältigung. Die das stationäre Setting bevorzugenden Patienten neigen eher
zur Rumination als teilstationäre Patienten. Es ist somit nachvollziehbar, dass diese
Patienten sich von der Rehabilitation einen größeren Abstand zu ihren Alltagsproblemen
erhoffen. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Bereitschaft, ambulante Formen
der Rehabilitation wahrzunehmen, sowohl von soziodemografischen, psychosozialen und
krankheitsbezogenen Bedingungsgrößen als auch von regionalen Kontextgrößen moderiert
wird. Sie ist eingebettet in das komplexe biopsychosoziale Bedingungsgefüge der Rehabilitation.
Eine Konsequenz für die Flexibilisierungssteuerung könnte sein, nicht auf dirigistische
und eindimensionale Steuerparameter zu setzen. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass
eine flexibilisierte Behandlungssteuerung keinen starren Regeln folgen kann, sondern
individuelle Bedarfsplanungen berücksichtigt werden sollten.
Abstract
In view of the increasing demands for more co-operation and integration among health
care providers and „uninterrupted” care delivery processes increasing attention is
being paid to establishing the determinants of a more flexible form of rehabilitation
setting. Interest is focused particularly on determining at what stages and under
what conditions specific choices of rehabilitation setting are made. In 1838 patients
admitted consecutively to a cardiological rehabilitation clinic, the study investigated
how many patients opted for outpatient rehabilitation and what factors influenced
the patients' choice of rehabilitation setting. A total of 165 (9 %) of the 1838 patients
chose outpatient rehabilitation. Patients who prefer outpatient rehabilitation are
mainly male, belong to a higher social class and are younger. Patients who choose
inpatient treatment feel more restricted by their illness. This is also revealed in
the difference in coping strategies employed. Patients who prefer the inpatient setting
show a greater tendency towards rumination than outpatients. It is thus comprehensible
that these patients hope to gain a greater distance from their day-to-day problems.
The results indicate that patients' willingness to take advantage of outpatient forms
of rehabilitation is moderated both by sociodemographic, psychosocial and disease-related
variables as well as by context variables. It is embedded in the complex biopsychosocial
conditions governing rehabilitation. One consequence for managing the introduction
of more flexible modes of rehabilitation could be to avoid dirigistic and unidimensional
control parameters. The results indicate that more flexible disease management cannot
follow fixed rules, but rather that the planning of individual requirements should
be taken into account.
Schlüsselwörter:
Kardiologische Rehabilitation - Teilstationäre Rehabilitation - Differenzielle Indikation
- Disease Management
Key words:
Cardiological rehabilitation - Outpatient rehabilitation - Differential indication
- Disease management
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1 Dem Verband Deutscher Rentenversicherungsträger und dem Institut für Rehabilitationsforschung
Norderney e.V. sei für die finanzielle Unterstützung dieses Forschungsprojekts gedankt.
PD Dr. med. Marthin Karoff
Klinik Königsfeld der LVA Westfalen
Holthauser Talstraße 2
58256 Ennepetal
Email: m.karoff@uni-wh.de