Zentralbl Chir 2002; 127(4): 268-269
DOI: 10.1055/s-2002-31559-2
Kommentar
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Kommentar auf Anforderung der Schriftleitung

Invited CommentaryK.-H. Fuchs
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Publication Date:
29 April 2004 (online)

In der Arbeit von Korenkov et al. wird der „Stellenwert der stationären Ösophagusdurchzugsmanometrie zur präoperativen Abklärung von Patienten mit gastro-ösophagealer Refluxkrankheit” untersucht und diskutiert. In vielen Zentren, die sich mit Ösophaguserkrankungen beschäftigen, gehört die stationäre Ösophagusmanometrie zur Routineabklärung der Patienten mit diesen Problemen. Die Bearbeitung dieser Frage ist wichtig, in mehreren Konsensusprojekten wurde die stationäre Ösophagusmanometrie zur präoperativen Abklärung eines Patienten vor Antirefluxoperation gefordert. In Zeiten knapper ökonomischer Ressourcen, eines scharf kalkulierten Personalschlüssels und nicht zuletzt wegen der Invasivität einer solchen Untersuchung für den Patienten muss kritisch hinterfragt werden, ob diese Untersuchungen notwendig sind und der Patient einen Vorteil hat.

Bei der Beantwortung dieser Frage spielen die diagnostische Aussagekraft dieser Untersuchung, die klinische Relevanz der Ergebnisse, die therapeutische Umsetzung der Information im Rahmen des gesamten Behandlungskonzeptes der gastroösophagealen Refluxkrankheit und das Endergebnis des Patienten eine entscheidende Rolle. Die Autoren sind diesen Fragen in ihrer Arbeit nachgegangen.

Mit der stationären Ösophagusmanometrie lassen sich Parameter des unteren ösophagealen Sphinkters abklären, d. h. die sogenannte Inkompetenz des unteren ösophagealen Sphinkters klären [1] [2]. Darüber hinaus lassen sich Parameter der Ösophagusperistaltik und damit Rückschlüsse zur Fähigkeit der Ösophagusclearance abklären. Aus den Daten dieser Arbeiten lassen sich klinisch relevante Befunde und Daten zur Einschätzung des Schweregrades der Erkrankung ableiten. Die Weiterverwendung dieser so gewonnenen Information hängt natürlich sehr davon ab, welches Therapiekonzept und Indikationskonzept angewendet wird.

Wenn das Therapiekonzept darin besteht, den Patienten mit gastroösophagealer Refluxkrankheit und Sodbrennen eine Operation als Alternative zur langfristigen Protonpumpeninhibitoren-Therapie anzubieten, dann ist eine Abklärung des unteren ösophagealen Sphinkters von keinem großen Wert. Denn es lassen sich sowohl bei Patienten mit Inkompetenz des unteren Sphinkters, als auch bei Patienten ohne Inkompetenz des unteren ösophagealen Sphinkters mit der laparoskopischen Operationstechnik mit großem Erfolg die Refluxsymptome beseitigen [3]. Wenn aber das Therapiekonzept darin besteht, möglicherweise Patienten mit fortgeschrittener progressiver Erkrankung zu operieren, so braucht man sichere objektivierbare Kriterien wie z. B. die Sphinkterinkompetenz [4] [5] [6].

Betrachten wir den zweiten Informationskomplex der stationären Ösophagusmanometrie bezüglich der Ösophagusperistaltik und Ösophagusclearance. Es gibt bereits zwei randomisierte Studien, die zeigen, dass die Verwendung einer Vollmanschette im Vergleich zur Teilmanschette auf das Operationsergebnis bezüglich der postoperativen Dysphagie keinen negativen Einfluss hat, wenn Ösophagusperistaltikstörungen in 30-40 % der gemessenen Kontraktionen vorliegen. Somit sind nach den Kriterien der „evidence based medicine” Vollmanschette und Teilmanschette gleich gut und können beide angewendet werden. Nach der Datenlage muss keine präoperative Ösophagusmanometrie zwingend erfolgen. Gegen diese Fakten steht die Erfahrung in einigen Zentren, dass eine therapierefraktäre Dysphagie nach Nissen-Operationen auftreten kann, die durch einen Umbau in eine Teilmanschette beseitigt oder gebessert werden kann. Es besteht ebenfalls die Erfahrung, dass selten Symptome einer Refluxkrankheit durch eine Achalasie oder einen diffusen Spasmus verursacht werden können.

Mit einer präoperativen Manometrie hat man eine hohe Wahrscheinlichkeit, diese Motilitätsstörungen festzustellen, die zugegebenermaßen selten sind und sich deswegen auch in Gruppenvergleichen der radomisierten Studien nicht zeigen können. Der Vorteil ihrer Entdeckung ist somit auch nicht nachzuweisen. Wie bereits erwähnt, ist es eine Frage, welches Therapiekonzept man verfolgt, d. h. welche Indikationsbedingungen man vorgibt und welche diagnostische Information man umsetzen möchte. Diese Differenzierung hat jedoch für die Masse der Refluxkranken keine Bedeutung und bietet deswegen keinen Gruppenvorteil.

Warum nun wird die stationäre Ösophagusmanometrie trotz dieser Ergebnisse in vielen Zentren für Ösophaguserkrankungen weiter durchgeführt?

Ein Grund ist die Selektion der Patienten mit schwerer fortgeschrittener progressiver Refluxkrankheit und bereits etablierter Inkompetenz des unteren ösophagealen Sphinkters, da in einigen Zentren nur diese Patienten für eine Antirefluxoperation vorgesehen werden. Die Aufdeckung von Funktionsstörungen insbesondere von schweren Ösophagusmotilitätsstörungen wie Achalasie und diffuser Ösophagusspasmus bei Patienten, die von ihrem Beschwerdebild her sich eher wie Refluxkranke präsentieren. Dies war in der vorliegenden Arbeit von Korenkov et al. bei drei von 123 Patienten der Fall. Aus wissenschaftlichen Gründen für Studien.

Letztlich muss die Frage nach der Notwendigkeit einer stationären Ösophagusmanometrie vor einer Antirefluxoperation differenziert gesehen werden. Wenn sich der Operateur aufgrund seiner Erfahrung oder anderer Untersuchungen sicher ist, dass es sich um einen echten Refluxkranken, ohne komplexe andere assoziierte Funktionsstörungen handelt, so kann aufgrund der Datenlage der randomisierten Studien auf eine Ösophagusmanometrie präoperativ verzichtet werden. Ist jedoch die Situation unklar, bzw. will man absolute Sicherheit über den präoperativen Funktionsstatus, auch bezüglich der Abgrenzung zu anderen Funktionsstörungen, bevor man die Situation durch eine Operation verändert, so kann man durch eine stationäre Ösophagusmanometrie hilfreiche Informationen erhalten.

Literatur

  • 1k DeMeester T R, Johnson L S, Joseph G J, Toscano M S, Hall A W, Skinner D B. Patterns of gastroesophageal reflux in health and disease.  Ann Surg. 1976;  184 459-470
  • 2k Zaninotto G, DeMeester T R, Schwizer W, Johansson K E, Cheng S C. The lower esophageal sphincter in health and disease.  Am J Surg. 1988;  155 104-111
  • 3k Ritter M, Peters J H, DeMeester T R. et al . Outcome after laparoscopic fundoplication is not dependent on a structurally defective lower esophageal sphincter.  J Gastrointest Surg. 1998;  2 567-572
  • 4k Eypasch E, Neugebauer E, Fischer F, Troidl H. Laparoscopic antireflux surgery for gastroesophageal reflux disease (GERD). Results of a consensus development conference.  Surg Endoscopy. 1997;  11 413-426
  • 5k Fuchs K H, Feussner H, Bonavina L, Collard J M, Coosemans W. for the European Study Group for Antireflux Surgery . Current status and trends in laparoscopic antireflux surgery: results of a consensus meeting. 1997; 29: 298-308.  Endoscopy. 1997;  29 298-308
  • 6k Peters J H, DeMeester T R, Crookes P, Oberg S, de Vos Shoop M, Hagen J A, Bremner C G. The treatment of gastroesphageal reflux disease with laparoscopic Nissen fundoplication.  Annals Surg. 1998;  228 40-50

Prof. Dr. K.-H. Fuchs

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