Zusammenfassung
Einleitung und Ziel: Nach bundesweiten
Untersuchungen befinden sich zwischen 55-70 % der
Obdachlosen fast jährlich in stationärer Krankenhausbehandlung. Sie
verfügen nur in 10-20 % der Fälle über einen
Hausarzt. Die Fragestellungen der Beobachtungsstudie waren, ob indizierte
häusliche Krankenpflege in Anspruch genommen werden kann, wie Wohnungslose
ihre Gesundheit erleben, ob das Setting der Krankenwohnung geeignet ist, einen
Beitrag zum Ausstieg aus der Wohnungslosigkeit zu leisten.
Methodik: Die Modelleinrichtung
Krankenwohnung für Obdachlose wurde für 1 œ Jahre unter
sozialmedizinischen Gesichtspunkten wissenschaftlich durch ein validiertes
sowie durch ein speziell für diese Kategorie entwickeltes Instrumentarium
evaluiert.
Ergebnisse: Das Durchschnittsalter der 36
Probanden, die in die Auswertung eingeschlossen werden konnten, lag bei 48,7
Jahren. 36,1 % (13) der Probanden waren geschieden,
86,1 % (31) verfügten mindestens über einen
Hauptschulabschluss, 69,4 % (25) über eine abgeschlossene
Berufsausbildung. Bis auf Gelegenheitsarbeiten waren alle Probanden arbeitslos.
Etwa zwei Drittel der Studienteilnehmer war nach eigenen Angaben in den letzten
Jahren straffällig, 44,5 % (16) waren seit 3 und mehr Jahren
wohnungslos. Drei Viertel der Bewohner waren nach Meinung der Mitarbeiter der
Einrichtung alkoholkrank. Hauptaufnahmegründe für den
durchschnittlich ca. 8-wöchigen Aufenthalt in der Krankenwohnung waren
Hauterkrankungen sowie Erkrankungen des Bewegungsapparates (die auch in der
Vergangenheit häufig zu Krankenhauseinweisungen Anlass gaben). Die
Zufriedenheit mit dem eigenen Gesundheitszustand konnte zwischen Aufnahme und
Entlassung um 66 %, verbessert werden. 72,2 % (26)
der Befragten meinen, durch die Krankenwohnung leichter ärztliche Hilfe zu
bekommen. 55,5 % (20) der Obdachlosen konnten nach Entlassung aus
der Krankenwohnung in eine weitere Einrichtung oder Wohnung vermittelt
werden.
Schlussfolgerung: Mit der Modelleinrichtung
der Krankenwohnung für Wohnungslose in Hannover wird eine in vielen
Großstädten bestehende Versorgungslücke für Wohnungslose
geschlossen. Notwendige Krankenhauseinweisungen können verhindert oder
verkürzt werden. Eine soziale Reintegration kann eingeleitet werden. Als
Empfehlung für den Umgang mit Wohnungslosen in der ambulanten
ärztlichen Versorgung lassen sich nennen: Einrichten einer
Extrasprechstunde, Durchführung einer gründlichen, jedoch behutsam
durchgeführten körperlichen Untersuchung, um auch nicht sichtbare,
aber doch gravierende Erkrankungen aufzudecken. Abwägen, inwieweit
therapeutische und diagnostische Maßnahmen begrenzt oder langfristig
organisiert werden sollen oder müssen.
Abstract
Background and aim: Extension of the medical
health care system for social fringe groups by means of a special ‘Health
Care Appartment’ for homeless people with an ambulatory nursing service.
Between 55-70 % of the homeless people in Germany are
in-patients for medical treatment nearly once a year. Only
10-20 % have a family doctor.
Method: The pilot experiment of a special
Health Care Appartment for homeless people was scientifically evaluated for
approximately one and a half year under socio-medical and socio-economic
viewpoints. Every patient passes a standardized interview at admission and
discharged with one validated systematic setup and one specifically developed
questionnaire.
Results: The mean age of the 36 investigated
persons was 48.7. 36.1 % (13) of the patients lived in divorce.
About 86.1 % (31) of the patients had secondary school
qualifications, 69.4 % (25) had learnt a profession. All were
unemployed. Two-thirds of them stated they had been found guilty of a criminal
offence within the last few years. 44.5 % (16) had been homeless
for 3 or more years. Approximately Ÿ of the homeless were addicted to
alcohol, according to the employees entrusted with looking after the inmates.
The main reasons for the average 8-week stay in the medical department were
diseases of the skin and skeletal system, which had caused several hospital
admissions in the past. The satisfaction of their own health status improved by
66 % from the day of their admission to the day of their
discharge. 72.2 % (26) said they could get easier medical support
in the Health Care Appartment. Supported by intensive socio-pedagogical care,
55.5 % (20) of the homeless people could be discharged from the
special Health Care Appartment to other arrangements for homeless people,
respectively to own appartments.
Conclusion: The pilot study of the special
Health Care Appartment for homeless people in Hannover closes a gap in the
provision of medical care which exists in many major cities. Moreover, hospital
admissions for homeless people can be prevented and their social reintegration
promoted.
Schlüsselwörter
Wohnungslosigkeit - Krankenwohnung - Gesundheitsverhalten
Key words
Homelessness - Health Care
Appartment - Behaviour Patterns Concerning Health