Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2002; 37(7): 395-402
DOI: 10.1055/s-2002-32704
Originalie
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Die Wirklichkeit der präklinischen Versorgung des Thoraxtraumas - Ergebnisse einer prospektiven Studie

The Reality of Preclinical Treatment in Thoracic Trauma - a Prospective StudyJ.  Westhoff, T.  Kälicke, G.  Muhr, F.  Kutscha-Lissberg
  • 1Chirurgische Klinik und Poliklinik, Berufsgenossenschaftliche Kliniken Bergmannsheil,
    Universitätsklinik Bochum
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Publication Date:
08 July 2002 (online)

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Zusammenfassung

Ziel der Studie: Das Wissen um eine Prognoseverbesserung durch frühzeitige Intubation bei mehrfachverletzten und polytraumatisierten Patienten mit Thoraxtrauma hat zur Erarbeitung von Leitlinien und Empfehlungen der in der Notfallmedizin vertretenen Fachdisziplinen geführt, die heute als anerkannte Standards in der präklinischen Versorgung dieser Patienten angesehen werden. Anhand eines konsekutiven Patientenkollektivs wurde überprüft inwieweit diese Standards erfüllt wurden und ob Unterschiede im weiteren intensivmedizinischen Verlauf in Abhängigkeit von der notärztlichen Versorgung auftraten. Methodik: In einer prospektiven Studie wurden die Daten einer konsekutiven Patientenserie analysiert. Die Überprüfung der statistischen Signifikanz erfolgte mittels ANOVA-Test, wobei p-Werte < 0,05 als signifikant gewertet wurden. Durchschnittswerte sind im Text mit der Standardabweichung dargestellt. Als Hauptkriterium der präklinischen Standardversorgung wurde die Intubationsrate ausgewählt. Während der intensivmedizinischen Behandlung wurden Letalität, Anzahl der Beatmungstage, Dauer der dorso-ventralen Wechsellagerung und Rate des mehrfachen Organversagens dokumentiert. Von 01. 12. 2000 bis 25. 09. 2001 wurden 48 Patienten mit einem Thoraxtrauma (AISThorax ≥ 3) intensivmedizinisch behandelt. Es wurden 22 Patienten direkt vom Unfallort in die Klinik eingeliefert, 26 Patienten erreichten die Klinik nach auswärtiger Erstversorgung innerhalb von 24 Stunden nach dem Unfallereignis. Ergebnisse: Von den 48 Patienten wurden 12 (25 %) am Einsatzort durch den Notarzt intubiert und kontrolliert beatmet. Lediglich 4 dieser Patienten wurden durch den erstanwesenden, bodengebundenen Notarzt intubiert. Die übrigen 8 Patienten wurden durch den sekundär angeforderten RTH Notarzt intubiert. 34 (71 %) Patienten mussten bei Klinikaufnahme im Rahmen der Erstversorgung (16 × bei Aufnahme im eigenen Schockraum, 18 × im erstversorgenden Krankenhaus) intubiert werden, weitere zwei (4 %) wurden erst innerhalb von 6 Stunden nach Aufnahme auf der Intensivstation intubiert. Eine Thoraxdrainage am Unfallort erhielten 5 (10 %) Patienten, 15 (31 %) erst im Schockraum und 21 (44 %) bei Aufnahme auf der Intensivstation. In der Gruppe der präklinisch intubierten Patienten (Gruppe A) betrug die Gesamtverletzungsschwere gemessen am ISS 30,9 ± 13,3 Punkte und das Durchschnittsalter 37,2 ± 15,0 Jahre gegenüber einem ISS von 29,5 ± 9,2 Punkte und einem Durchschnittsalter von 46,9 ± 21,1 Jahren in der Gruppe der präklinisch nicht intubierten Patienten (Gruppe B). Insgesamt sind 14 (29 %) Patienten verstorben, ein Patient aus Gruppe A verstarb an den Folgen eines SHT, in Gruppe B verstarben insgesamt 13 Patienten (1 × Lungenembolie, 12 × MOV). In Gruppe A versus Gruppe B betrug die Anzahl an Beatmungstagen 9,4 ± 9,0 vs. 19,2 ± 20,4 Tage. Der Aufenthalt auf der Intensivstation lag bei 12,6 ± 8,7 vs. 21,9 ± 20,4 Tagen. Ebenso unterschied sich die Dauer der Wechsellagerung mit 3,7 ± 4,4 vs. 5,6 ± 3,8 Tagen. Schlussfolgerung: Die vorliegenden Daten lassen auf eine schwerwiegende Fehl- und Unterschätzung des Thoraxtraumas in der präklinischen Versorgungsphase schließen. Um neben der Vermeidung akut bedrohlicher Komplikationen auch den folgenden intensivmedizinischen Verlauf günstig zu beeinflussen, ist eine zeitgerecht initiierte und der Verletzungsschwere angemessene präklinische Erstversorgung von entscheidender Bedeutung. Diese Versorgung muss noch am Unfallort vor dem Transport in eine zur definitiven Versorgung geeignete Klinik erfolgen.

Abstract

Aim of the study: Because of the well prooven fact of outcome improvement by early, preclinical intubation and ventilation of multiple injured and polytraumatized patients, the guidelines of different medical associations recommend this procedure especially in combination with blunt chest trauma. By the means of a prospective study protocol we analyzed whether these treatment standards were respected and whether the kind of preclinical treatment was influencing treatment outcome. Patients and Methods: Using a prospective study protocol data were sampled and analyzed. From 1. 12. 2000 to 25. 9. 2001 48 consecutive patients were included into the protocol. 12 patients (25 %) had preclinical intubation (group A). 8 patients of group A were intubated by the helicopter emergency team. 36 patients had no tracheal tube (group B). In 34 cases mechanical ventilation has to be started during the emergency room procedures. Two patients were intubated after they were admitted to the intensive care unit (ICU). Insertion of a chest tube was done in 5 patients at the scene by the emergency team, in 15 cases after admission to the hospital and 21 at the ICU. Although the average age of years of patients was higher in group B (37,2 ± 15,0 y vs. 46,9 ± 21,1 y), p values calculated by ANOVA test revealed no significant difference. The two groups did not differ regarding to injury severity assessed by the “Injury severity score” (group A: 30,9 ± 13,3; group B: 29,5 ± 9,2). The mean duration of mechanical ventilation was 9,4 ± 9,0d vs. 19,2 ± 20,4 d in group A vs group B. Patients of group A required intensive care treatment for 12,6 ± 8,7d vs 21,9 ± 20,4 d of group B. One patient of group A died because of severe cranio cerebral trauma. 13 Patients of group B died (1 × pulmonal embolism, 12 × multiple organ failure). Conclusions: Assessment of injury severity by the emergency medical teams failed in a very high percentage. Especially the blunt trauma to the chest was not diagnosed and therefore not respected.