Physikalische Medizin, Rehabilitationsmedizin, Kurortmedizin 2002; 12(3): 134-145
DOI: 10.1055/s-2002-32719
Wissenschaft und Forschung
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Konzept zur indikationsübergreifenden Frührehabilitation im Akutkrankenhaus

Concept for general early rehabilitation in acute hospitalsG.  Stucki1 , M.  Stier-Jarmer1 , M.  Gadomski2 , B.  Berleth3 , U.  C.  Smolenski4
  • 1Klinik und Poliklinik für Physikalische Medizin und Rehabilitation, Klinikum der Universität München (Direktor: Prof. Dr. med. G. Stucki)
  • 2Abteilung für Physikalische Medizin und Medizinische Rehabilitation, Städtisches Krankenhaus München-Bogenhausen (Chefarzt: Dr. med. M. Gadomski)
  • 3Institut für Physikalische und Rehabilitative Medizin, Klinikum Ingolstadt (Chefärztin: Dr. med. B. Berleth)
  • 4Institut für Physiotherapie, Klinikum der Friedrich Schiller Universität Jena (Direktor: Prof. Dr. med. U. Smolenski)
In Abstimmung mit der Deutschen Gesellschaft für Physikalische Medizin und Rehabilitation DGPMR (Präsident: Prof. Dr. med. Ch. Gutenbrunner) und dem Berufsverband der in Rehabilitation, Physikalischer Medizin und Prävention tätigen Ärzte e. V. (Vorsitzender: Dr. med. M. Gadomski)Dieser Artikel enthält Teile der Dissertation von Frau Marita Stier-Jarmer an der Medizinischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München, in Vorbereitung.
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Publikationsverlauf

18. 4. 2002

22. 4. 2002

Publikationsdatum:
08. Juli 2002 (online)

Zusammenfassung

Frührehabilitation bedeutet die gleichzeitige akutmedizinisch-kurative und rehabilitative Behandlung von Patienten mit einer akuten Gesundheitsstörung und relevanter Beeinträchtigung der Körperfunktionen und Strukturen, Aktivitäten und Partizipation gemäß der ICF (International Classification of Functioning, Disability and Health). Sie betrifft insbesondere Patienten mit schweren akuten Gesundheitsstörungen (Erkrankungen/Unfällen), Komplikationen und Multimorbidität, langdauernder intensivmedizinischer Versorgung, vorbestehenden chronischen Krankheiten sowie vorbestehenden Behinderungen oder altersbedingten Veränderungen. Mit Inkrafttreten des Sozialgesetzbuchs IX in Verbindung mit der Ergänzung des § 39 Abs. 1 SGB V am 1. Juli 2001 wurde die gesetzliche Grundlage für die Frührehabilitation im Akutkrankenhaus geschaffen. Um die vom Gesetzgeber geforderte Frührehabilitation im Akutkrankenhaus flächendeckend zu etablieren, ist 1. die Einrichtung zentraler Institute für Physikalische und Rehabilitative Medizin, geleitet von einem Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin an Akutkrankenhäusern unter Einbezug der teilweise bereits vorhandenen medizinisch-therapeutischen Strukturen und 2. die Einrichtung weiterer bettenführender Abteilungen für indikationsübergreifende Frührehabilitation in großen Akutkrankenhäusern oder im Verbund kleinerer Akutkrankenhäuser notwendig. In diesem Artikel werden auch Kriterien zur ergänzenden Rehabilitation mit mobilen Reha-Teams auf den Fachstationen sowie zur umfassenden Rehabilitation auf einer bettenführenden Abteilung zur indikationsübergreifenden Rehabilitation vorgelegt. Sie orientieren sich in erster Linie am gleichzeitig bestehenden rehabilitativen und akutmedizinischen Versorgungsbedarf. Notwendig ist nun die Erarbeitung einer breit abgestützten strukturellen Rahmenempfehlung auf der Basis von empirischen Studien zum Bettenbedarf für die indikationsübergreifende Frührehabilitation und die spezialisierten Einrichtungen insbesondere im Bereiche der Geriatrie und der neurologischen Rehabilitation. Anzustreben ist auch eine konzeptionelle Abstimmung und Entwicklung von gemeinsamen und differenziellen Kriterien zur umfassenden indikationsübergreifenden Frührehabilitation und verschiedenen umfassenden indikationsspezifischen frührehabilitativen Konzepten, insbesondere der Geriatrie und der neurologischen Frührehabilitation.

Abstract

Early rehabilitation means the provision of simultaneous medical care along with the rehabilitation of patients with acute health disorders and a relevant impairment of body functions and structures, activities and participation as described by the ICF (International Classification of Functioning, Disability and Health). It is particularly concerned with patients with severe acute health disorders (illnesses, accidents), complications and multimorbidity, patients after long-term intensive care, and patients with previously existing chronic diseases as well as those with problems associated with aging. With the Sozialgesetzbuch IX (SGB IX) coming into effect together with the amendment of § 39 section 1 of SGB V of 1 July 2001, the legal basis for early rehabilitation in hospitals for acute diseases was established. To offer an adequate early rehabilitation in acute hospitals as required by the legislation, it is necessary to 1) establish central institutes for physical and rehabilitative medicine directed by a specialist for physical rehabilitative medicine in acute hospitals, in part integrating the structures of remedical therapy that already exist and 2) establish further inpatient departments for general early rehabilitation in large acute hospitals or as a cooperative project of a number of smaller acute hospitals. This article discusses the criteria for complementary rehabilitation with mobile reha-teams in the specialized departments as well as for comprehensive rehabilitation in an inpatient department for overlapping rehabilitation in inpatient departments for general early rehabilitation. The criteria are primarily based on both rehabilitative and acute-medical needs. It is now necessary to develop a wide-based structural framework on the basis of empirical studies of the demand for general early rehabilitation beds and specialised institutions in the disciplines of geriatrics and neurological rehabilitation. A conceptual agreement and the development of common and different criteria for comprehensive general early rehabilitation and other comprehensive indication specific early rehabilitative concepts, in particular those of geriatric and neurological early rehabilitation are desirable.

Literatur

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  • 8 Bundesversicherungsanstalt für Angestellte .AHB Anschlussheilbehandlung - Informationsschrift für Krankenhäuser.  Internet http://www.bfa-berlin.de 1998 1. Auflage

1 Die ICF „International Classification of Functioning, Disability and Health” umfasst die Komponenten Körperfunktionen und Strukturen, Aktivitäten und Partizipation und die Kontextfaktoren Person und Umwelt. Die Komponenten Körperfunktionen und Strukturen, Aktivitäten und Partizipation werden auch unter dem Begriff der funktionalen Gesundheit zusammengefasst; die funktionale Gesundheit respektive die Komponenten Körperfunktionen und Strukturen, Aktivitäten und Partizipation sind einerseits in Bezug zu der (den) vorliegenden Gesundheitsstörung(en) und andererseits der Kontextfaktoren zu setzen. Funktional gesund ist eine Person dementsprechend dann, wenn vor dem Hintergrund der Kontextfaktoren a) ihre körperlichen Funktionen und Strukturen denen einer gesunden Person entsprechen, b) sie all das tun kann, was sie tun möchte, und c) sie ihr Dasein in allen Lebensbereichen, die ihr wichtig sind, entfalten kann.

2 Das Konzept der Rehabilitationspflege orientiert sich an der Ganzheitlichkeit des Menschen im biologischen, psychischen und sozialen Sinn und beinhaltet als spezielles Ziel das Fördern der Aktivitäten des täglichen Lebens (ATL nach Juchli, basierend auf den Konzepten von Henderson, Roper u. Orem). Die Rehabilitationspflege beinhaltet die Pflegeanamnese, die Pflegediagnose und die Pflegeplanung. Die Inhalte der Rehabilitationspflege in der Frührehabilitation orientieren sich an den Defiziten und insbesondere den Ressourcen des Patienten. Schwerpunkte sind dabei: Pflege nach dem Bobath-Konzept, basale Stimulation, Kinästhetik, Umgang mit Wahrnehmungsstörungen, Umgang mit Schluckstörungen, Kontinenztraining, Angehörigenanleitung sowie Entlassungs-/Verlegungsplanung und -organisation.

Prof. Dr. med. Gerold Stucki

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