Dtsch Med Wochenschr 2002; 127(28/29): 1526-1529
DOI: 10.1055/s-2002-32749
CME
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Frequenzadaptive Schrittmachertherapie bei chronotroper Inkompetenz - Diagnostik

Rate adaptive pacing in patients with chronotropic incompetence - DiagnosticM. Kindermann, G. Fröhlig
  • 1Innere Medizin III (Kardiologie/Angiologie, Direktor: Prof. Dr. med. M. Böhm), Universitätskliniken des Saarlandes, Homburg/Saar
Further Information

Publication History

24.04.2002

27.06.2002

Publication Date:
11 July 2002 (online)

Leistungsspielraum als Funktion der Herzfrequenz

Ruhe- und Belastungsstoffwechsel eines gesunden Menschen variieren etwa um den Faktor 10, der Sauerstoffbedarf pro Minute zwischen 0,25 und 2,5 Liter. Ausreichende Lungenfunktion vorausgesetzt, nutzt der Organismus zwei Mechanismen, um unter Belastung der arbeitenden Zelle mehr Sauerstoff anzubieten: Er lässt den O2-Gehalt des Blutes stärker ausschöpfen und erhöht die Transportkapazität des Herzkreislaufsystems. In der Bilanz wachsen arteriovenöse Sauerstoffdifferenz und Herzzeitvolumen etwa auf das jeweils Dreifache. Dabei wird die kardiale Auswurfleistung durch Vergrößerung des Schlagvolumens (Faktor 1,5) und der Schlagzahl (Faktor 2,3) angepasst (Abb. [1] ) [1].

Abb. 1 Stellglieder der Sauerstoffaufnahme in Ruhe und Belastung und ihr relativer Anteil an der metabolischen Leistungssteigerung bei körperlicher Arbeit (modifiziert nach [1]). Am bedeutsamsten für die Steigerung der Sauerstoffaufnahme unter körperlicher Belastung ist die Zunahme der arteriovenösen Sauerstoffdifferenz gefolgt von der Steigerung der Herzfrequenz. VO2: Sauerstoffaufnahme, AVDO2: arteriovenöse Sauerstoffdifferenz („Ausschöpfung”), HF: Herzfrequenz, SV: Schlagvolumen.

Damit bestimmt allein die Herzfrequenz über ein Drittel der körperlichen Leistungsreserve. Unter pathologischen Bedingungen nimmt dieser Anteil noch zu, etwa wenn bei Herzinsuffizienz das Schlagvolumen nicht mehr adäquat gesteigert oder schon der Ruhestoffwechsel nur mit vermehrter Sauerstoffausschöpfung aufrechterhalten werden kann.

Der körperliche Leistungsspielraum ist mit der Fähigkeit, die Herzfrequenz zu steigern, linear verknüpft [16]. Als physiologische Norm gilt, dass bei einem Anstieg der Sauerstoffaufnahme um 1 ml/min pro kg Körpergewicht die Herzfrequenz zwischen 2 und 4 Schlägen/min zunimmt [10], wobei dieser Wert unter- und oberhalb der anaeroben Schwelle leicht differiert und bei Frauen tendenziell höher liegt als bei Männern [15]. Mit wachsendem Trainingszustand ist der Herzfrequenzanstieg geringer, mit zunehmender Herzschwäche wird er größer, auch wenn die Streuung innerhalb der Herzinsuffizienzklassen groß ist und damit ein breiter Überlappungsbereich besteht (Tab. [1]) [10] .

Tab. 1 Beziehung zwischen der Steigerung von Herzfrequenz (HF) und Sauerstoffaufnahme (VO2) bei normalen Probanden und bei Patienten mit Herzinsuffizienz unterschiedlicher Ausprägung. A-C entspricht der Weber’schen Herzinsuffizienzklassifizierung anhand der maximalen Sauerstoffaufnahme (VO2max). Im Unterschied zu Gesunden benötigen Herzinsuffiziente in Abhängigkeit vom Schweregrad der funktionellen Einschränkung einen größeren Herzfrequenzanstieg, um denselben Zuwachs in der Sauerstoffaufnahme zu erzielen. Gruppe VO2max [ml/min/kg] Alter [Jahre] n ΔHF/ΔVO 2 [Schläge/ml/min/kg] p (vs. C) m±SD Spanne Normal Tab (A,G) 30±7 27 2.91±0,51 2,1-3,9 0,001 A >20 40±17 10 3,43±0,81 2,2-5,3 0,01 B 16-20 42±20 13 3,67±1,13 1,8-5,6 0,05 C 10-16 56±12 34 4,66±1,35 2,4-7,6 - Tab (A,G): Tabellarischer Sollwert als Funktion von Alter und Geschlecht (nach 10 ), DHF/DVO2:Anstieg der Herzfrequenz in Relation zum Anstieg der Sauerstoffaufnahme, m±SD: Mittelwert ± Standardabweichung

kurzgefasst: Unter physiologischen Bedingungen bestimmt die Herzfrequenz über ein Drittel der metabolischen Reserve. Bei Herzinsuffizienz nimmt dieser Anteil zu, sofern die periphere Sauerstoffausschöpfung bereits in Ruhe als Kompensationsmechanismus benötigt wird und unter Belastung das Schlagvolumen nicht wesentlich gesteigert werden kann.

Literatur

  • 1 Alt E. Herzrhythmusstörungen. Springer, Berlin, Heidelberg, New York, London, Paris, Tokyo In: Naumann d’Alnoncourt D. (Hrsg.) 1986
  • 2 Alt E U, Schlegl M J, Matula M M. Intrinsic heart rate response as a predictor of rate-adaptive pacing benefit.  Chest. 1995;  107 925-930
  • 3 Brinker J, MacCarter D, Shewmaker S. and the Meta DDDR investigators . Improved functional capacity with DDDR pacing in patients with chronotropic incompetence (abst.).  PACE. 1991;  14 684
  • 4 Daubert C, Mabo P, Pouillot C, Lelong B. Atrial chronotropic incompetence: implications for DDDR pacing. Futura, Mount Kisco, New York In: Barold SS, Mugica J (Hrsg.): New perspectives in cardiac pacing 2 1991: 251-272
  • 5 Dreifus L S, Fisch C, Griffin J C, Gillette P C, Mason J W, Parsonnet V. Guidelines for implantation of cardiac pacemakers and antiarrhythmic devices: a report of the ACC/AHA task force on assessment of diagnostic and therapeutic cardiovascular procedures.  Circulation. 1991;  84 455-467
  • 6 Epperlein S, Kreft A, Siegert V, Liebrich A, Himmrich E, Treese N. DDD- versus DDDR-Schrittmacherstimulation: Vergleich der kardiopulmonalen Leistungsfähigkeit, der Häufigkeit von Vorhofarrhythmien und der Lebensqualität.  Z Kardiol. 1996;  85 226-236
  • 7 Kindermann M, Schwaab B, Finkler N, Schaller S, Böhm M, Fröhlig G. Defining the optimum upper heart rate limit during exercise - A study in pacemaker patients with heart failure.  Eur Heart J. (in press); 
  • 8 Lemke B. Einfluss von Vorhofsynchronisation und Frequenzsteigerung auf die kardiopulmonale Leistungsfähigkeit und neurohumorale Reaktion. Steinkopf, Darmstadt 1997
  • 9 Lukl J, Doupal V, Sovova E, Lubena L. Incidence and significance of chronotropic incompetence in patients with indications for primary pacemaker implantation or pacemaker replacement.  PACE. 1999;  22 1284-1291
  • 10 McElroy P A, Janicki J S, Weber K T. Physiologic correlates of the heart rate response to upright isotonic exercise: Relevance to rate-responsive pacemakers.  JACC. 1988;  11 94-99
  • 11 Prior M, Masterson M, Blackburn G, Maloney J, Wilkoff B. Critical identification of patients with sinus node dysfunction for potential sensor-driven pacing (abst.).  PACE. 1988;  11 512
  • 12 Schwaab B, Fröhlig G, Schwerdt H, Lindenberger I, Schieffer H. Rate adaptive atrial pacing in the bradycardia tachycardia syndrome.  PACE. 1998;  21 2571-2579
  • 13 Simonsen E. Assessment of the need for rate responsive pacing in patients with sinus node dysfunction: A prospective study of heart rate response during daily activities and exercise testing (abst.).  PACE. 1987;  10 1229
  • 14 Sutton R, Travill C, Fitzpatrick A. DDDR pacing in severe chronotropic incompetence (abst.).  RBM. 1990;  12 56
  • 15 Treese N, MacCarter D, Akbulut O, Coutinho M, Baez M, Liebrich A, Meyer J. Ventilation and heart rate response during exercise in normals: Relevance for rate variable pacing.  PACE. 1993;  16 1693-1700
  • 16 Wilkoff B L, Corey J, Blackburn G. A mathematical model of the cardiac chronotropic response to exercise.  J Electrophys. 1989;  3 176-180

Dr. med. Michael Kindermann

Innere Medizin III (Kardiologie/Angiologie), Universitätskliniken des Saarlandes

Kirrberger Straße

66421 Homburg/Saar

Phone: 06841/1623300

Fax: 06841/1623269

Email: Michael.Kindermann@T-Online.de