Dtsch Med Wochenschr 2002; 127(31/32): 1656-1659
DOI: 10.1055/s-2002-33206
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Ein integratives Managementkonzept für das Dienstleistungsunternehmen Krankenhaus - die „Balanced Scorecard”

An integrated concept of management for hospitals - the „Balanced Scorecard“B. Dick1 , A. Zielke2
  • 1Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie (Direktor: Prof. Dr. med. J.-C. Krieg)
  • 2Klinik für Visceral-, Thorax- und Gefäßchirurgie (Direktor: Prof. Dr. med. M. Rothmund), Klinikum der Philipps-Universität Marburg
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Publikationsverlauf

eingereicht: 4.1.2002

akzeptiert: 19.6.2002

Publikationsdatum:
06. August 2002 (online)

Krankenhäuser befinden sich auf dem Weg, moderne Dienstleistungsunternehmen zu werden. Die Verschiebung der Leistungsanforderungen z. B. aufgrund der demographischen Entwicklung sowie eine Ausdehnung des Leistungsspektrums als Folge des medizinisch-technischen Fortschritts werden zu einer weiteren Steigerung der Nachfrage nach medizinischer Leistung und einer Veränderung der Leistungsstrukturen führen. Im Gegensatz zu anderen Dienstleistungsbranchen unterliegen Krankenhäuser speziellen gesetzlich determinierten Rahmenbedingungen wie beispielsweise der Umstellung auf pauschale Entgeltkomponenten (Fallpauschalen) und der vorgeschriebenen Qualitätssicherung (§ 137 SGBV) [1] [25]. Aus dem gesellschaftlichen Wandel resultierende Veränderungen wie z. B. eine gestiegene Anspruchshaltung von Patienten und die zunehmende Intensität des Wettbewerb der Leistungsanbieter im Gesundheitswesen stellen weitere Herausforderungen für das Klinikmanagement [25] dar.

Ziel der Kernleistung eines Krankenhauses ist es, den Gesundheitszustand der Patienten wiederherzustellen, zu erhalten oder zu verbessern. Ähnlich einem Unternehmen in der freien Wirtschaft existieren innerhalb des „Unternehmens Krankenhaus” unterschiedliche, spezifische „Kunden-Lieferanten”-Beziehungen, die die Effizienz und Effektivität eines Krankenhauses wesentlich bestimmen [10] [25]. Deren Besonderheiten müssen definiert werden, um auf dieser Basis die entsprechenden „Produkte” und Dienstleistungen zu erstellen und die Strukturen und Prozesse auszugestalten. Anders als in der freien Wirtschaft sind die Ziele einer Gesundheitseinrichtung jedoch nicht in erster Linie auf die Profitmaximierung gelenkt, sondern auf sorgfältigen Ressourceneinsatz zur Maximierung des Gutes „Gesundheit” für den Einzelnen unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der Gesellschaft [10] .

Um unter diesen veränderten Bedingungen im konkurrierenden Umfeld bestehen zu können, ist ein Umdenken und Umschalten des Klinikmanagements von einer Bestandssicherung hin zu einer selbstbewussten, aber auch selbstkritischen Analyse der eigenen Stärken und Schwächen, der spezifischen Ressourcen und Potenziale, und deren Anpassung an die aktuelle Nachfrage notwendig. Die Ergebnisse dieser Einschätzung müssen zur Entwicklung einer „individuellen” Klinikstrategie genutzt werden, deren letztendliches Ziel die Sicherung der Existenz des „Unternehmens Klinik” und ihres langfristigen Geschäftserfolges ist [14]. Um diesen immer anspruchsvolleren Anforderungen gerecht zu werden, benötigt die Krankenhausführung ein adäquates Steuerungs- und Managementinstrumentarium.

Mit dem 1992 von Kaplan und Norton vorgestellten Balanced Scorecard (BSC)-Konzept steht ein umfassendes Managementkonzept zur Verfügung, welches bereits von Dienstleistungsunternehmen anderer Branchen wie z. B. der British Telecom erfolgreich eingesetzt wurde. Die Urheber des Konzepts äußerten die Erwartung, dass das Management von Non-Profit-Organisationen vom Einsatz der BSC noch mehr profitieren würde als das des privatwirtschaftlichen Sektors [14] [17] [18] . Es überrascht deshalb nicht, dass sich die Eignung des Konzepts auch für Einrichtungen im Gesundheitswesen in einer zunehmenden Anzahl von Anwendungsberichten in der Literatur widerspiegelt (Tab. [1] ). So wurde beispielsweise das Duke’s Children’s Hospital in North Carolina unter Verwendung des BSC-Konzepts wieder profitabel und wettbewerbsfähig. Die Zufriedenheit der Patienten verbesserte sich deutlich, die Verweildauer sowie die Wiederaufnahmerate sanken, und die Kosten pro Fall reduzierten sich ab dem Zeitpunkt der Einführung um ca. 5000 Dollar [20].

Tab. 1 Anwendungen des BSC-Konzepts. Autoren Anwendung Castaneda-M. et al. 1998 2 Akutkrankenhaus Chow et al. 1998 3 Verwaltung, Laboratorien Harber 1998 11 Krankenhaus Heberer 1998 12 Universitätsklinik Macdonald 1998 19 Einrichtungen für Langzeit-, Palliativpflege und Rehabilitation Colaneri 1999 4 Nierentransplantationsprogramm Da-Cruz et al. 1999 6 Reha-Kliniken Peters et al. 1999 21 Gemeindenahe Dialyse Rimar et al. 1999 22 Anästhesiologie, Universitätsklinik Santiago 1999 24 Einrichtung für Verhaltenstherapie Wachtel et al. 1999 26 Verbrennungszentrum Zelman et al. 1999 27 „academic health center” (AHC) Curtright et al. 2000 5 Ambulante Operationen Graumlich et al. 2000 8 Antiemetische Pharmakotherapie Hildebrand et al. 2000 13 Reha-Kliniken Inamdar et al. 2000 15 Initiative für die Qualität der Gesundheits- versorgung von Frauen Jones et al. 2000 16 Entbindungsklinik Meliones 2000 20 Kinderkrankenhaus Rimar 2000 23 „academic health center” (AHC) Goerke 2001 7 Universitätsklinik Gynäkologie und Geburtshilfe

Literatur

  • 1 Böcker K, Henke N, Krishnan H S, Mansky T, Paffrath D, Steiners D. Diagnoses Related Groups - Grundstein für ein neues Abrechnungssystem der Krankenhäuser und Krankenkassen. Berlin, Heidelberg, New York: Springer In: Salfeld R. (Hrsg.). Die Zukunft des deutschen Gesundheitswesens: Perspektiven und Konzepte 2001: 49-76
  • 2 Castaneda-Mendez K, Mangan K, Lavery A M. The role and application of the balanced scorecard in healthcare quality management.  J Healthc Qual. 1998;  20 10-13
  • 3 Chow C W, Ganulin D, Teknika O, Haddad K, Williamson J. The balanced scorecard: a potent tool for energizing and focusing healthcare organization management.  J Healthc Manag. 1998;  43 263-280
  • 4 Colaneri J. A balanced scorecard approach to quality improvement in a renal transplant program.  Nephrol News Issues. 1999;  13 19, 23-26
  • 5 Curtright J W, Stolp-Smith S C, Edell E S. Strategic performance management: development of a performance measurement system at the Mayo Clinic.  J Healthc Manag. 2000;  45 58-68
  • 6 Da-Cruz P, Nagels K, Thiess M. Der Balanced Scorecard-Ansatz. In vier Schritten zum Erfolg.  führen und wirtschaften im Krankenhaus.f&w. 1999;  16 254-256
  • 7 Goerke K. Balanced Scorecard - ein betriebswirtschaftliches Instrument zur Erlössteuerung - einsetzbar in der Frauenheilkunde?.  Zentralbl Gynakol. 2001;  123 432-434
  • 8 Graumlich J F, Belknap S M, Bullard S A, Storm G A, Brunsman K S, Howerton J A. Pharmaceutical care of postoperative nausea and vomiting: balanced scorecard for outcomes.  Pharmacotherapy. 2000;  20 1365-1374
  • 9 Greulich A, Onetti A, Schade V, Zaugg B. Balanced Scorecard im Krankenhaus. Von der Planung bis zur Umsetzung. Heidelberg: Economica Verlag 2002
  • 10 Haeske-Seeberg H. Qualitätsmanagement im ärztlichen und pflegerischen Bereich. Kaiserslautern: ZFUW 2000: 16-18
  • 11 Harber B W. The balanced scorecard solution at Peel Memorial Hospital.  Hosp Q. 1998;  1 59-61, 63
  • 12 Heberer M. Erfolgsfaktoren der Krankenhausführung.  Chirurg. 1998;  69 1305-1312
  • 13 Hildebrand R, Lamprecht W. EFQM und Balanced Socrecard beschleunigen den Kulturwandel im Krankenhaus. Auch Reha-Kliniken müssen bei sinkenden Preisen mehr bieten.  führen und wirtschaften im Krankenhaus (f&w). 2000;  17 401-406
  • 14 Horváth & Partner, Herausgeber .Balanced Scorecard umsetzen. Stuttgart: Schäffer-Poeschel 2000
  • 15 Inamdar S N, Kaplan R S, Jones M L, Menitoff R. The Balanced Scorecard: a strategic management system for multi-sector collaboration and strategy implementation.  Qual Manag Health Care. 2000;  8 21-39
  • 16 Jones M L, Filip S J. Implementation and outcomes of a balanced scorecard model in women’s services in an academic health care institution.  Qual Manag Health Care. 2000;  8 40-51
  • 17 Kaplan R S, Norton D P. The balanced scorecard - measures that drive performance.  Harv Bus Rev. 1992;  70 71-79
  • 18 Kaplan R S, Norton D P. Having trouble with your strategy? Then map it.  Harv Bus Rev. 2000;  78 167-176, 202
  • 19 Macdonald M. Using the balanced scorecard to align strategy and performance in long-term care.  Healthc Manage Forum. 1998;  11 33-38
  • 20 Meliones J. Saving money, saving lives.  Harv Bus Rev. 2000;  78 57-62, 64, 66 - 67
  • 21 Peters K, Ryan H. An integrated dialysis delivery network in Ontario.  J CANNT. 1999;  9 20-23
  • 22 Rimar S, Garstka S J. The „Balanced Scorecard”: development and implementation in an academic clinical department.  Acad Med. 1999;  74 114-122
  • 23 Rimar S. Strategic planning and the balanced scorecard for faculty practice plans.  Acad Med. 2000;  75 1186-1188
  • 24 Santiago J M. Use of the balanced scorecard to improve the quality of behavioral health care.  Psychiatr Serv. 1999;  50 1571-1576
  • 25 Schlüchtermann J, Sibbel R, Prill M -A. Performance Measurement und Balanced Scorecard im Krankenhaus. München: Vahlen In: Klingebiel N, Herausgeber. Performance measurement & balanced scorecard 2001: 299-315
  • 26 Wachtel T L, Hartford C E, Hughes J A. Building a balanced scorecard for a burn center.  Burns. 1999;  25 431-437
  • 27 Zelman W N, Blazer D, Gower J M, Bumgarner P O, Cancilla L M. Issues for academic health centers to consider before implementing a balanced-scorecard effort.  Acad Med. 1999;  74 1269-1277

Dr. med. Beate Dick

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Klinikum der Philipps-Universität Marburg

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