Der behandelnde Arzt aus Sicht der Angehörigen: Bewältigungsressource oder zusätzliche Belastung?
Caregivers' Views of the Treating Psychiatrists: Coping Resource or Additional Burden?Johannes Jungbauer1
, Bettina Wittmund1
, Matthias C. Angermeyer1
1Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Universität Leipzig
Anliegen: Es sollte untersucht werden, wie Angehörige den Kontakt mit den behandelnden Ärzten erleben und welche Faktoren ausschlaggebend für Zufriedenheit oder Unzufriedenheit sind. Methode: 42 narrative Interviews mit Angehörigen schizophrener Patienten wurden mit Hilfe eines qualitativen Verfahrens im Hinblick auf die Erfahrungen mit der psychiatrischen Behandlung ausgewertet. Ergebnisse: Es konnten drei wesentliche Bereiche extrahiert werden, in denen Angehörige die Ärzte positiv oder negativ wahrnehmen: 1. Die Aufklärung und Information der Angehörigen; 2. die Gestaltung der langfristigen Kooperation und 3. die generelle Haltung Angehörigen und Patienten gegenüber. Die Einstellung der Angehörigen zur Psychiatrie und zu den Ärzten wird wesentlich durch die Erfahrungen bestimmt, die in diesen Bereichen gemacht wurden. Diskussion: Hinter der kritischen Haltung der Angehörigen steht meist der Unmut über die defizitäre Gestaltung bestimmter, als zentral erachteter Bereiche des ärztlichen Handelns. Eine aus Sicht der Angehörigen optimale Betreuungssituation kann in der Praxis nur annäherungsweise erreicht werden. Gleichwohl ist es wichtig, dass alle Beteiligten miteinander im Gespräch bleiben, um den legitimen Bedürfnissen der Angehörigen ausreichend Rechnung zu tragen.
Abstract
Objective: This study aimed at investigating how caregivers of schizophrenic patients perceive the contact with mental health professionals and which are the key factors for their satisfaction or dissatisfaction. Method: 42 in-depth interviews were analysed with a view to discover the caregivers' experiences with psychiatric treatment. Results: The analysis of the interview data showed three fundamental areas in which caregivers perceive the contact with psychiatrists as supportive or troublesome: 1. the information about the disease and the treatment, 2. the long-term cooperation with the caregivers, and 3. the general way of behaving towards the caregivers and the patients. Caregivers' attitudes towards psychiatry are strongly influenced by positive and negative experiences they have had in these three fields. Discussion: The widespread criticism of caregivers is caused by dissatisfaction with central areas of psychiatric practice. Optimal treatment and consulting conditions, from the caregivers' perspective, can only be approximately achieved. However, psychiatrists, patients, and caregivers should stay in close contact in order to meet the needs of the caregivers, such as being informed, being taken seriously and being involved in the treatment.
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