Dtsch Med Wochenschr 2002; 127(38): 1967-1968
DOI: 10.1055/s-2002-34203-2
Leserbriefe
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Erwiderung: Brachytherapie und „Evidence Based Medicine“: Auf die Lösung muss weiter gewartet werden

Zum Beitrag aus DMW 17/2002, Seite 892
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Publication Date:
28 April 2004 (online)

Waksmann und Mitarbeiter veröffentlichten eine randomisierte, plazebokontrollierte Multizenterstudie mit 332 Patienten mit In-Stent-Stenose, die entweder mit einer intrakoronaren Brachytherapie (32 Phosphor; Betastrahler, Eindringtiefe 2-3 mm) oder Plazebo behandelt worden waren. Innerhalb der ersten 30 Tage gab es hinsichtlich des primären Endpunktes keinen Unterschied zwischen der Plazebo- und Verumgruppe. Die Zahl der erneuten Revaskularisationen lag mit 49 (30 %) vs. 31 (18 %) in der Plazebogruppe signifikant höher. Allerdings war in der Verumgruppe die Spätthromboserate mit 3 % höher als in der Kontrollgruppe (5fach). Zudem wies ich in meinem Kommentar darauf hin, dass das „How to do“ derzeit unklar ist (Strahlentyp, Applikationsmodus, etc.), die hier vorliegende Inhibit-Studie aber ermutigende Ergebnisse für die Therapie der Re-Stenoserate mit Betastrahlen Quellen gibt. Beobachtungszeiträume über 9 Monate liegen aber hier nicht vor und die vorliegenden Studienergebnisse können derzeit nicht einen Einsatz im Sinne einer Evidence-based Therapieoption rechtfertigen. Herr Professor Silber hat in seinem Leserbrief insbesondere auf die letzten beiden Punkte Kritisches bemerkt.

Ich darf hierzu Stellung nehmen.

In der Übersichtsarbeit von Silber [1] wird zurecht darauf hingewiesen, dass im Gegensatz zu den USA in Deutschland nur eine Klinik (Bochum) mit Gammastrahlen arbeitet und im Wesentlichen in Deutschland Betastrahler verwendet werden!

Die in der Tabelle von Silber aufgeführten Studien (SCRIPPS, GAMMA 1, WRIST) sind sämtlich kontrollierte Studien mit einem Gammastrahler. Zudem sind in den angegebenen Studien, SCRIPPS 2, GAMMA 1, WRIST 48, 131 und 65 Patienten also insgesamt 244 Patienten „verum“-behandelt, das heißt brachytherapiert worden. In der jetzt veröffentlichten Inhibit-Studie [3] sind in der Verumgruppe 166 Patienten mit 32 Phosphor also einem Betastrahler behandelt worden. (Beobachtungszeit 290 Tage). (Zum Vergleich: Die Leistungszahlen der Herzkatheterlabore in der Bundesrepublik Deutschland weisen für das Jahr 2000 180 336 Koronarinterventionen aus).

In SCRIPPS 2 erreichte der primäre Endpunkt knapp das Signifikanzniveau (p = 0,05, Silber Herz 2002 (1)), die RR (sekundärer Endpunkt) allerdings nicht. Neben der Patientenzahl waren auch Einschlusskriterien, behandelte Stenoselänge, Durchmesser etc. unterschiedlich. Die von Silber verfasste Übersichtsarbeit (Tab. 2) weist als kontrollierte Studien mit Betastrahlern bei In-Stent-Restenose 3 Studien auf (START, INHIBIT, RADIANT) mit 421 Patienten (Beta-Afterloading und Beta Ballon); INHIBIT wurde nun im Lancet veröffentlicht.

„Ein Vergleich der Dosierungen in unterschiedlichen Studien ist sehr schwierig, da in einigen Studien die Dosis in 2 mm Abstand von der Strahlenquelle angegeben wurde, in anderen die Dosis in 1 mm Gefäßtiefe, andere wiederum führten eine IVUS-gestützte individuelle Dosimetrie durch. Weiter erschwert wird ein direkter Dosisvergleich durch die Verwendung unterschiedlicher radioaktiver Isotope mit unterschiedlichen Abschwächungscharakteristika. Auch wurden bislang die Abschwächungseffekte durch Kalk, Stents und Führungsdrähte wohl nicht genügend berücksichtigt“ [nach 1].

Die von Silber angeführten Studien SCRIPPS-1, GAMMA-1 und WRIST ergaben zudem eine Rate später Gefäßverschlüsse von 6,7 % im Vergleich zu Plazebo mit 0,7 %.

Trotz der ermutigenden Ergebnisse der Inhibit-Studie bleiben zahlreiche Fragen ungelöst. Der Wert der Brachytherapie zur Behandlung von Patienten mit In-Stent-Restenose kann nach Evidence based Therapiekriterien nur in plazebokontrollierten Studien zu diesem Indikationsgebiet geprüft werden; hier liegt mit der Inhibit-Studie und 332 behandelten Patienten eine bedeutsame Studie vor; zur Beantwortung dieser Frage können nicht alle Patienten, die zudem mit verschiedenen Strahlenquellen und unterschiedlichem Studiendesign behandelt wurden, herangezogen werden.

Silber weist zurecht darauf hin, dass möglicherweise drug-eluting Stents, die Restenose-Rate senken werden können.

Das Positionspapier zur intrakoronaren Brachytherapie der deutschen Gesellschaft für Kardiologie und Herzkreislaufforschung [2] weist aus, dass für die Behandlung der In-Stent-Rezidiv-Stenose die Anwendung der intravaskulären Brachytherapie einen Fortschritt darstellt. Wichtig ist, dass die Nachbeobachtungszeiten im Moment noch zu kurz sind, und dass die Kombinationstherapie mit Acetyl-Salicyl-Säure und Clopidogrel für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten fortgesetzt werden muss. Alle Patienten, die eine intrakoronare Brachytherapie erhalten haben, sollten in ein Register aufgenommen werden.

Trotz der ermutigenden Ergebnisse der Inhibit-Studie ist die intrakoronare Brachytherapie noch nicht als Evidence-based-Therapieoption zu bewerten und sollte in Studien, bzw. durch Datenerhebungen in Registerform in ihrer Wertigkeit weiter untersucht werden. Das beste Argument zur Etablierung einer Therapieform und für jedwede Art von Verhandlungen sind plazebokontrollierte prospektive Studien.

Literatur

  • 1 Silber S. Intrakoronare Strahlentherapie mit kontrollierten und offenen Studien mit Afterloading Systemen und heißen Ballonkathetern.  Herz. 2002;  27 30-55
  • 2 Diez. et al . Positionspapier zur intrakoronaren Brachytherapie.  Z Kardiol. 2001;  90 875-880
  • 3 Waksmann. et al . Use of localised intracoronary beta radiation in treatment of instent-restenosis: The Inhibit-randomised controlled trial.  Lancet. 2002;  359 551-557

Autor

Priv.-Doz. Dr. med. R. H. G. Schwinger

Oberarzt der Klinik III für Innere Medizin

Joseph-Stelzmann-Straße 9

50924 Köln