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DOI: 10.1055/s-2002-34516
Der Schereneffekt bei der beruflichen Entwicklung von Ärztinnen und Ärzten[1]
A scissors-effect in career development of female and male medical doctorsPublication History
eingereicht: 5.4.2002
akzeptiert: 8.8.2002
Publication Date:
02 October 2002 (online)


Grundproblematik und Fragestellung: Das Medizinstudium erfreut sich bei Frauen hoher Beliebtheit, und bis zur Approbation herrscht nahezu Geschlechterparität. Danach sind jedoch weniger Ärztinnen berufstätig und/oder befinden sich in leitenden Positionen. Während bereits viele querschnittliche Studien mögliche Ursachen für den geschlechtsdifferenten beruflichen Entwicklungsverlauf analysiert haben, wird hier für den deutschen Sprachraum erstmals eine prospektive Längsschnittstudie vorgelegt.
Teilnehmer und Methode: Die Stichprobe bestand aus 139 Absolventinnen und 172 Absolventen der Medizin. Befragungen fanden nach dem zweiten Staatsexamen, am Ende der Arzt im Praktikum Zeit und während der Assistenzarztzeit statt. Die Fragebogen enthielten Angaben zu Leistungen, beruflichem Selbstvertrauen, zu Einstellungen, zu beruflicher Entwicklung, Arbeitsplatzerleben, privater Lebenssituation und Benachteiligungserfahrungen.
Ergebnisse: Es gab keine Geschlechtsunterschiede bei Noten, Studiendauer, beruflichen Erwartungen und Zielsetzungen sowie beim Arbeitsplatzerleben und der Arbeitszufriedenheit. Ärztinnen waren jedoch schlechter beruflich integriert als Ärzte. Dies galt nicht nur für Mütter, sondern auch für kinderlose Ärztinnen. Vollzeitberufstätige Ärztinnen waren seltener partnerschaftlich gebunden als ihre männlichen Kollegen. Die Vorstellungen über die gewünschte Art der Berufsausübung unterschieden sich zwischen den Geschlechtern teilweise. Bei Ärztinnen, nicht jedoch bei Ärzten zeigten sich Entmutigungserscheinungen im Sinne gesunkenen beruflichen Selbstvertrauens. Sowohl widersprüchliche Erwartungen an die weibliche Geschlechtsrolle, als auch ungünstige organisatorische Bedingungen der Facharztausbildung sind für die Geschlechtsunterschiede bedeutsam.
Folgerung: Eine bessere Integration beruflicher und privater Lebenssphären muss als gesamtgesellschaftliche Aufgabe begriffen werden, um dem absehbaren Mangel an qualifizierten Ärztinnen und Ärzten entgegenzuwirken.
Background and objective: Women are equally interested in studying medicine as men, and there is an equal proportion of female and male graduates in medicine. Women’s occupational careers in medicine, however, are on the average less successful than men’s. Whereas there are already many cross-sectional studies on this issue the present paper reports data of a prospective longitudinal study.
Participants and methods: Participants were 139 female graduates and 172male medical graduates. These were questioned three times, after their second „Staatsexamen”, one and a half years later during their practical medical training time, and again one and a half years later within their specialized training. The questionnaires tapped performance data, occupacional self-efficacy, attitudes, goals, work satisfaction, experience of work situation, occupational development and private development.
Results: There were no gender differences in grades, study duration, occupational self-efficacy and goals immediately after the exam. Experience of the work situation as well as work satisfaction did not differ, either. However, at time three female medical doctors were less often full-time employed than their male colleagues. This pertained not only to mothers but also to childless women. Full-time employed women often were singles without a partner. There were also gender differences in the expectations how occupation and family should be combined. Psychologically, women experienced a decrease in occupational self-efficacy, whereas men experienced an increase. Both equivocal female gender-role expectations and unfavorable organizational conditions of medical training are important for this development.
Conclusion: The compatibility between work and family must be seen as a societal task. Otherwise many well-trained female medicine doctors will quit their jobs and as a consequence there will be a lack of doctors in the future.
1 Die Arbeit entstand im Rahmen eines von der DFG geförderten Projekts der Erstautorin (Abele 45/8-1 bis 8-3).