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DOI: 10.1055/s-2002-34660
Psychiatrische Krankenhaustage: Wer konsumiert die meisten?
Eine Record-Linkage-Studie über fünf Jahre in einem österreichischen BundeslandDays in Psychiatric Hospitals: Who Consumes Most of Them?A Five-Year Record Linkage Study of „Heavy Users” in an Austrian ProvincePublication History
Publication Date:
14 October 2002 (online)
Zusammenfassung
Anliegen: Es sollte eruiert werden, ob die Inanspruchnahme von Krankenhaustagen in allen stationären psychiatrischen Einrichtungen des Bundeslandes Niederösterreich über alle Patienten hinweg gleichmäßig erfolgt oder ob es Subgruppen mit verschieden intensiver Inanspruchnahme gibt. Außerdem sollten Charakteristika von allfällig existierenden Subgruppen festgestellt werden. Methode: Die administrativ verfügbaren Daten über die stationäre Behandlung in zwei psychiatrischen Fachkrankenhäusern und einer psychiatrischen Abteilung an einem Allgemeinkrankenhaus wurden für die Jahre 1996 bis 2000 analysiert. Durch Record Linkage war es möglich, Wiederaufnahmen nicht nur in derselben Einrichtung, sondern auch in den jeweils anderen Einrichtungen zu berücksichtigen, so dass die Inanspruchnahme für das gesamte Bundesland Niederösterreich erfasst wurde. Für jedes Jahr wurden die Werte für kumulierte Krankenhaustage pro Patient berechnet, sowie eruiert, ein wie hoher Prozentsatz von Patienten zu welchem Prozentsatz aller während des jeweiligen Jahres im gesamten Bundesland konsumierten psychiatrischen Krankenhaustage beitrug. Ergebnisse: Von den 202 996 Krankenhaustagen des Jahres 1996 wurden allein 44,5 % von Patienten konsumiert, die das gesamte Jahr durchgehend in stationärer Behandlung waren („statische” Population). Im Jahr 2000 betrug dieser Anteil nur noch 16,3 %, und dies bei einer ohnehin schon drastisch auf 141 738 gesunkenen Zahl von Krankenhaustagen. Betrachtet man diejenigen Patienten, die während des jeweils untersuchten Jahres aufgenommen und/oder entlassen wurden („dynamische” Population), dann zeigt sich, dass über die fünf untersuchten Jahre hinweg konstant rund ein Sechstel (17 %) aller Patienten für 50 % aller Krankenhaustage verantwortlich waren. Die Patienten in diesem Sechstel sind signifikant jünger, häufiger untergebracht, seltener zum ersten Mal aufgenommen und leiden häufiger an Schizophrenie als die restlichen 84 % der Patienten. Schlussfolgerungen: Es erscheint notwendig, die Gruppe von Patienten mit erhöhter Inanspruchnahme von Krankenhaustagen noch genauer zu analysieren und Gründe dafür nicht nur in weiteren Patienten- und Krankheitsmerkmalen zu suchen, sondern auch im Bereich ihrer Lebenssituation, der vorhandenen bzw. fehlenden extramuralen Einrichtungen und der Adäquatheit ihres Funktionierens, schließlich auch bei den vorhandenen oder fehlenden finanziellen Anreizsysteme für einzelne Versorgungseinrichtungen.
Abstract
Objective: To find out whether the use of hospital days in all psychiatric inpatient services in the province of Lower Austria is equally distributed among patients or whether subgroups with different intensity of hospital day use can be identified, and if so, how these subgroups can be characterized. Methods: Data collected for administrative purposes for all three inpatient services of Lower Austria were analyzed for the years 1996 to 2000. Record Linkage allowed to identify patients who had used several of these hospitals within the respective study periods. Cumulative hospital days per patient were calculated for each of the years studied and the distribution of these cumulative hospital days was analyzed. Results: Of the 202 996 hospital days accrued in the year 1996, 44.5 % were consumed by patients who continuously stayed in hospital during the whole year („static” population). In 2000 this percentage had dropped to 16.3 %; also the total number of hospital days had decreased by one third to 141 738. Of those patients, who had at least once been admitted and/or discharged during a specific year („dynamic population”), a stable proportion of around 17.0 % were responsible for 50.0 % of all hospital days. These patients were more frequently of female sex, significantly younger, had more often repeated admissions and suffered more frequently from schizophrenia than the rest of the group. Conclusions: The astonishing finding that, despite substantial change in the system of psychiatric care over five years, the percentage of patients with high values for cumulative hospital days remains constant, warrants further analyses. In such analyses not only patient and illness characteristics should be studied (which is suggested by the terms „heavy users” and „high utilizers”), but also factors such as the social context of the patient, the existence or non-existence of community psychiatric services and their functioning, as well as existing or non-existing financial incentives for single services.
Literatur
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1 Die Untersuchung wurde unter dem Titel „Evaluierung des Niederösterreichischen Psychiatrieplanes 1995” vom Niederösterreichischen Gesundheits- und Sozialfonds (NÖGUS) in Auftrag gegeben, bei dem wir uns für die gute Zusammenarbeit bedanken möchten.
2 Forensische, kinderpsychiatrische und neurologische Betten sind hier nicht berücksichtigt.
3 Im Jahr 2001 wurden in Niederösterreich zwei weitere psychiatrische Abteilungen an Allgemeinkrankenhäusern eröffnet, die jedoch nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung sind, für die uns nur Daten bis einschließlich 2000 zur Verfügung standen.
4 Wir verwenden hier den Begriff Krankenhaustage und nicht den der Pflegetage, da die Definition von Pflegetagen je nach Versorgungs- und Finanzierungssystem unterschiedlich ist.
5 Es wurden folgende Diagnosen nach ICD-9 zu Gruppen zusammengefasst: organisch: 290 - 294, 310; schizophrene und andere nicht affektive Psychosen: 295, 297, z. T. 298; affektive Psychosen: 296; Neurosen; psychoreaktive Störungen: z. T. 298, 300, 302, 306 - 309, 311 - 316; Persönlichkeitsstörungen: 301; Alkoholkrankheiten: 291, 303 - 305; Suchtkrankheiten: 292, 304, 305; geistige Behinderung: 317 - 319.
6 bei dem ein Krankenhaus nicht für einzelne Krankenhaustage refundiert wird, sondern für bestimmte Diagnosen eine bestimmte Punkteanzahl erhält, mehr oder minder unabhängig davon, wie lange der Patient behandelt wird.
Dr. Monika Krautgartner
Klinische Abteilung für Sozialpsychiatrie und Evaluationsforschung · Universitätsklinik für Psychiatrie
Währinger Gürtel 18 - 20
1090 Wien · Österreich