Klin Monbl Augenheilkd 2002; 219(10): 710-721
DOI: 10.1055/s-2002-35693
Übersicht
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Das maligne Melanom der Bindehaut

Klinische Übersicht mit Empfehlungen zur Diagnose, Therapie und NachsorgeMalignant Conjunctival MelanomaClinical Review with Recommendations for Diagnosis, Therapy and Follow-upPeter  K.  Lommatzsch1 , Cornelia  Werschnik2
  • 1Augenärztliche Gemeinschaftspraxis Leipzig
  • 2Universitätsklinik und Poliklinik für Augenheilkunde der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
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Publikationsverlauf

Eingegangen: 6. August 2002

Angenommen: 14. September 2002

Publikationsdatum:
22. November 2002 (online)

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Zusammenfassung

Hintergrund: Das maligne Melanom der Bindehaut ist eine seltene Erkrankung mit einer Inzidenz von 0,03 - 0,08. Selbst bei sachgerechter Behandlung, besonders aber bei deren Verzögerung, kann sich dieser Tumor zu einer das Leben bedrohenden Erkrankung entwickeln. Das Bindehautmelanom entsteht entweder aus einer präexistierenden primär erworbenen Melanose (PAM) oder aus einem Nävus oder auch ohne jegliche Vorläufer „de novo”. Im Gegensatz zum Melanom der Uvea erfolgt die Metastasierung über die ipsilateralen Lymphwege, selten auch entlang der ableitenden Tränenwege. Ergebnisse: Das Behandlungsziel strebt nach lokaler Tumorbeseitigung bei Funktionserhalt des Auges und nach der Vermeidung von Metastasen. Die alleinige Exzision ist von einer hohen Rezidivrate begleitet. Daher muss eine kombinierte Behandlung mit chirurgischer „no-touch”-Technik unter Vermeidung jeglicher direkten Manipulation am Tumor gefolgt von adjuvanter Kryotherapie oder Strahlentherapie, in einigen Fällen auch lokaler Chemotherapie mit Mitomycin C (MMC), durchgeführt werden. Während der chirurgischen Manipulation muss peinlichst darauf geachtet werden, dass keine Tumorzellen verschleppt werden, da dies zu iatrogen erzeugten Tumorabsiedlungen an anderen sogar intraokularen Stellen führen kann. Die Prognose quoad vitam hängt entscheidend von der Tumorgröße und vom Sitz des Tumors ab. Alle Tumoren außerhalb der Limbusregion, besonders im Fornix, der Conjunctiva tarsi, der Plica semilunaris und der Karunkel haben eine signifikant schlechtere Prognose als isolierte Tumoren am Limbus corneae. Die kumulative Überlebensrate im eigenen Patientengut wurde unter Berücksichtigung der tumorbedingten Todesfälle mit 84,8 % nach 5 Jahren, 77,7 % nach 10 Jahren und 75 % nach 15 Jahren festgestellt und ist damit vergleichbar mit anderen Statistiken der internationalen Literatur. Eine wirksame Behandlung des metastasierten Melanoms ist bis heute noch nicht möglich. Schlussfolgerung: Bei jeder pigmentierten Bindehautläsion muss ein Melanom ausgeschlossen werden. Die Behandlung sollte möglichst an einem ophthalmo-onkologischen Zentrum vorgenommen werden. Die hohe Rezidivrate und die Neigung zu Metastasen entlang der ipsilateralen Lymphwege erfordert eine zeitlich unbefristete Nachsorge mit fotografischer Dokumentation. Um die Behandlungsergebnisse zu bewerten und verbessern zu können, wären prospektive Studien erforderlich, an denen sich wegen der geringen Patientenzahlen mehrere Länder beteiligen müssten.

Abstract

Background: Malignant conjunctival melanoma is a rare disease with an incidence of 0.03 - 0.08. This tumour is potentially lethal, even after prompt and proper treatment, especially after delayed onset of therapy. Conjunctival melanoma arises from primary acquired melanosis (PAM), from a preexisting nevus or „de novo” without any precursor at all. In contrast to uveal melanomas, conjunctival melanoma metastasizes via the ipsilateral lymph nodes and in rare cases through the lacrimal duct into the nasal cavities. Results: Removing the local tumour with preservation of visual functions and avoidance of metastases is the therapy of choice. Excision alone is followed by a high rate of recurrence. To minimize local recurrence rate surgical excision should be combined with an additional procedure such as cryotherapy, irradiation, or local chemotherapy with MMC. Surgical technique is characterized by a so-called „no-touch” method avoiding any direct manipulation of the tumour to prevent tumour cell seeding into a new area. The behaviour of conjunctival melanomas is individually unpredictable. Prognostic factors are tumour size and tumour location. Tumours growing extralimbal especially at the fornix, plica and caruncle have a significantly poorer prognosis than limbal tumours. In our own patients the 5-year, 10-year, and 15-year cumulative melanoma-specific survival rate was 84.4 %, 77.7 %, and 75.0 %, respectively. Up to now there is no effective treatment of the metastatic disease. Conclusion: In all cases with pigmented lesions of the conjunctiva exclusion of a malignant melanoma has to be the first aim. A patient suffering from a conjunctival melanoma should be referred to an ophthalmo-oncological center for proper treatment. An indefinite follow-up including photodocumentation is necessary since the rate of recurrence is high. An international prospective study would be worthwhile to answer open questions and to develop new kinds of treatment of this potentially fatal tumour.

Literatur

Prof. P. K. Lommatzsch

Augenärztliche Gemeinschaftspraxis

Goldschmidtstraße 30

04103 Leipzig