Dtsch Med Wochenschr 2002; 127(48): 2583
DOI: 10.1055/s-2002-35790
Leserbriefe
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Die „Neue Zeit“ in der Hochschulmedizin - Zuschrift Nr. 1

Zum Beitrag aus DMW 13/2002, Seite 665
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
28. November 2002 (online)

Während es begrüßenswert ist, dass Hagl von hoher Warte aus Missstände an deutschen Universitätskliniken kritisch beleuchtet, so scheint mir trotzdem etwas mehr Umdenken angebracht [1]. Hagl meint, heutige Medizinstudenten analysieren und hinterfragen ihre Karrierechancen „weitaus kritischer“ als früher. Wirklich? Auch meine Generation, die vor gut 40 Jahren ihr medizinisches Staatsexamen ablegte, ging nicht unbedingt frisch, fromm, fröhlich, frei ins Berufsleben und kehrte damals wie heute nicht ganz selten dem deutschen akademischen System enttäuscht den Rücken. Dabei ging es uns nicht so sehr ums liebe Geld, sondern sehr wohl auch um einen Mangel an akademischer Freiheit. Medizinisches Auswandern ist kein Pappenstiel.

Hagl hält die Kooperation zwischen Universität und Industrie für „unverzichtbar“. Das mag vielleicht heute so aussehen, war aber beileibe nicht immer so. Friedrich von Müller schuf anfangs des letzten Jahrhunderts in München eine Klinik von Weltgeltung, ohne dass meines Wissens Industriegelder vereinnahmt wurden. Meiner Meinung nach bedarf die Zusammenarbeit zwischen Pharmaindustrie und Klinik dringend einer gründlichen Überholung. Das ließe sich bewerkstelligen, indem die Gelder durch unbeteiligte Stellen so zu sagen „gewaschen“ werden. Wollte Firma X ihr Präparat Y einer klinischen Erprobung unterwerfen, so könnte z. B. die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) eine Mittlerrolle übernehmen. Die DFG würde die notwendigen Gelder verwalten und könnte z. B. dafür Sorge tragen, dass Besprechungen der Ergebnisse unbeeinflusst und nicht unbedingt unter Palmen stattfinden.

Hagl hält die Forderung nach ökonomischer Effizienz für eine Gefährdung des medizinischen Auftrags. Das muss nicht so sein: das Gros amerikanischer Krankenhäuser arbeitet ohne Verlust, musste allerdings zu diesem Zweck z. B. die Liegedauer der Patienten drastisch reduzieren. An unserem Lehrkrankenhaus sind die Kosten bei jenen Patienten, in deren Betreuung Studenten und Assistenten mitwirken, nicht höher als bei Privatpatienten.

Hagl nennt die Rolle der Medien „äußerst dubios“, übersieht dabei aber hoffentlich nicht, dass wir Mediziner allzu oft Fehler vertuschen und der anderen Krähe kein Auge aushacken, weswegen die „Aufpasserrolle“ der Medien zwar bisweilen zu reißerischen Berichten führt, aber auch ihr Gutes hat und schlimmstenfalls als notwendiges Übel anzusehen ist. Hagls Editorial lässt mich hoffen.

Literatur

  • 1 Hagl S. Die „Neue Zeit“ in der Hochschulmedizin.  Dtsch Med Wochenschr. 2002;  127 665-666

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Claus A. Pierach

Abbott Northwestern Hospital #11 135

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Minneapolis, MN 55407

USA