Zentralbl Chir 2002; 127(12): 1023-1024
DOI: 10.1055/s-2002-36463
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Neue Entwicklungen in der hepatobiliären Chirurgie

New Trends in Hepato-Biliary SurgeryH. Schrem1 , S. Schütze1 , J. Klempnauer1
  • 1Klinik für Viszeral- und Transplantationschirurgie Medizinische Hochschule Hannover
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Publication Date:
03 January 2003 (online)

Für die Evaluation alternativer primärer Therapieansätze einschließlich der Radiofrequenzablation stellt die Prognose des hepatozellulären Karzinoms (HCC) nach primärer Resektion einen wichtigen Goldstandard dar, den es zu übertreffen gilt, wenn sich diese Therapieansätze langfristig gegen die primäre Resektion durchsetzen wollen. Seit vielen Jahren wird eine Tumorgröße über 5 cm im Durchmesser beim HCC als prognostisch ungünstiger Faktor für das Überleben nach potenziell kurativer Resektion betrachtet. Diese Sicht wird aktuell in einer sehr umfangreichen retrospektiven Untersuchung aus Shanghai mit insgesamt 2 336 Patienten, die alle aufgrund eines HCC primär potenziell kurativ operiert wurden, eindrucksvoll erneut bestätigt [1]. Eine Untersuchung der mehr als fünf Jahre nach primärer Resektion bei HCC überlebenden Patienten konnte an 145 Patienten zeigen, dass bei diesen langfristig überlebenden Patienten die ansonsten als prognostisch bedeutsam angesehenen Variablen wie Multizentrizität des Tumors, vaskuläre Invasion, und präoperative α-Fetoproteinerhöhung keinen Einfluss auf die Prognose für ein weiteres Überleben nach fünf Jahren darstellen. Bei diesem Kollektiv hatten Frauen eine signifikant längere mediane Überlebenszeit über mehr als fünf Jahre nach der Resektion als Männer (81 versus 38 Monate, p = 0,008). In dieser Studie war bei den langfristig Überlebenden ein normales Leberparenchym bzw. eine minimale Leberfibrose (Score: 0-2) mit einer signifikant längeren zusätzlichen Überlebenszeit fünf Jahre nach der Resektion verbunden im Vergleich zu langfristig Überlebenden mit einer moderaten (Score: 3-4) oder schweren (Score: 5-6) Fibrose bzw. Zirrhose der Leber [2]. Die Lebertransplantation scheint eindeutig als einziges Therapieverfahren, das eine radikale Beseitigung des onkogenen Potenzials einer moderat fibrotischen bis zirrhotischen Leber bieten kann, insbesondere bei HCCs, die kleiner als 5 cm im Durchmesser sind, die Überlebenschancen zu verbessern. Die überragende Bedeutung der vaskulären Infiltration eines HCCs in der patienteneigenen Leber für die Prognose nach Lebertransplantation konnte an einem amerikanischen und einem deutschen Patientenkollektiv gleichermaßen gezeigt werden. Diese Arbeiten analysierten retrospektiv den Einfluss der histopathologisch nachgewiesenen vaskulären Infiltration auf die Prognose. In der klinischen Praxis ist für die Indikationsstellung eine vaskuläre Infiltration des Tumors auch mit den neuesten bildgebenden Verfahren nicht zuverlässig auszuschließen. Eine Metaanalyse dreier prospektiv randomisierter Studien zur adjuvanten Chemotherapie mit Epirubicin, Tegafur bzw. Carmofur beim HCC brachte ein ernüchterndes Ergebnis für diese Therapiestrategien, da diese nicht nur keine Prognoseverbesserung, sondern bei Patienten mit begleitender Leberzirrhose sogar zu einer signifikanten Verkürzung des erkrankungsfreien Intervalles führten mit Verschlechterung der Gesamtüberlebensrate [3].

Die Positronenemissionstomographie (PET) mit (18)- Fluoro-2-Deoxy-D-Glucose (FDG) stellt ein Untersuchungsverfahren mit hohem differenzialdiagnostischen Wert insbesondere bei kolorektalen Karzinomrezidivien und kolorektalen Metastasen dar. In einer prospektiven Beobachtungsstudie aus St. Louis in den USA konnte durch die präoperative FDG-PET- Untersuchung eine niedrigere Rezidivrate nach der Resektion kolorektaler hepatischer Metastasen belegt werden. Dies hängt mit der hohen Detektionsrate dieser Untersuchungmethode für kolorektale Metastasen und der daraus resultierenden verbesserten Sensitivität und Spezifität der präoperativen Diagnostik mit integrierten funktionellen und bildgebenden Methoden für die Indikationsstellung zur Leberteilresektion zusammen. Leider wird in Deutschland eine FDG-PET-Untersuchung derzeit von den gesetzlichen Krankenkassen aus Kostengründen nicht finanziert.

Die erste systematische Studie zur Lymphknotenmetastasierung des proximalen Gallengangkazinoms (Klatskin-Tumor) zeigte an einer größeren Patientenzahl (n = 110), dass bei 52 Patienten (47,3 %) keine Lymphknotenmetastasen regional oder paraaortal nachweisbar waren, während bei 39 Patienten ein regionärer Lymphknotenbefall (35,5 %) und bei 19 Patienten ein regionärer und ein paraaortaler Lymphknotenbefall (17,3 %) festgestellt wurde. Alle 110 Patienten wurden einer Resektion mit ausgedehnter Lymphadenektomie einschließlich der regionären und paraaortalen Lymphknoten zugeführt. Am häufigsten waren die Lymphknoten entlang des Ductus choledochus von Tumorzellen befallen (42,7 %), während die periportalen Lymphknoten in 30,9 % der Fälle positiv waren und die Lymphknoten entlang der Arteria hepatica communis in 27,3 % der Fälle. Retropankreatisch fanden sich bei 14,5 % der Patienten Lymphknotenmetastasen [4]. Im eigenen Vorgehen führen wir eine Lymphadenektomie der regionären Lymphknoten entlang des Ductus choledochus, der Pfortader und der Arteria hepatica communis durch. Bei diesem Vorgehen werden in den meisten Fällen die befallenen Lymphknoten vollständig erreicht. Die Frage, ob durch eine regionäre oder eine erweiterte Lymphadenektomie ein Überlebensvorteil erzielt werden kann, bleibt jedoch leider unbeantwortet.

Auf dem Gebiet der Transplantatioschirurgie konnte in einer Reihe von Studien gezeigt werden, dass die kombinierte Pankreas-Nieren-Transplantation der alleinigen Nierentransplantation hinsichtlich der Lebensqualität und des Langzeitüberlebens bei Diabetes mellitus Typ I mit Niereninsuffizienz klar überlegen ist. In einer retrospektiven und in einer prospektiven Untersuchung konnte die Überlegenheit der portal-venösen Drainage des Pankreastransplantates gegenüber der systemisch- venösen Drainage des Pankreastransplantates hinsichtlich des Überlebens bzw. des Transplantatüberlebens belegt werden.

In diesem Editorial konnten wir nur kurz auf die uns besonders wichtig erscheinenden neuen Entwicklungen auf dem Gebiet der hepatobiliären Chirurgie eingehen. Eine umfangreichere und weiter vertiefende Darstellung der neuesten Entwicklungen der Chirurgie der Leber, der Gallenwege und des Pankreas, wie auch der anderen wesentlichen Gebiete der Chirurgie findet sich inklusive der entsprechenden Literaturangaben im Jahrbuch der Chirurgie 2002 [5].

Literatur

  • 1 Zhou X D, Tang Z Y, Yang B H, Lin Z Y, Ma Z C, Ye S L, Wu Z Q, Fan J, Qin L X, Zheng B H. Experience of 1 000 patients who underwent hepatectomy for small hepatocellular carcinoma.  Cancer. 2001;  91 1479-1486
  • 2 Bilimoria M M, Lauwers G Y, Doherty D A, Nagorney D M, Belghiti J, Do K A, Regimbeau J M, Ellis L M, Curley S A, Ikai I, Yamaoka Y, Vauthey J N. International cooperative study group on hepatocellular carcinoma.  Arch Surg. 2001;  136 528-535
  • 3 Ono T, Yamanoi A, Nazmi El Assal O, Kohno H, Nagasue N. Adjuvant chemotherapy after resection of hepatocellular carcinoma causes deterioration of long-term prognosis in cirrhotic patients: metaanalysis of three randomized controlled trials.  Cancer. 2001;  91 2378-2385
  • 4 Kitagawa Y, Nagino M, Kamiya J, Uesaka K, Sano T, Yamamoto H, Hayakawa N, Nimura Y. Lymph node metastasis from hilar cholangiocarcinoma: audit of 110 patients who underwent regional and paraaortic node dissection.  Ann Surg. 2001;  233 385-392
  • 5 Schrem H, Schütze S, Klempnauer J. Chirurgie des hepatobiliären Systems. In: Grundmann RT, Holzgreve A (Hrsg). Jahrbuch der Chirurgie 2002. Biermann, Köln 2002; 151-160

Prof. Dr. Jürgen Klempnauer

Direktor der Klinik für Viszeral- und Transplantationschirurgie · Medizinische Hochschule Hannover

Carl-Neuberg-Str. 1

30625 Hannover

Email: Klempnauer.Juergen@mh-hannover.de

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