Rofo 2003; 175(1): 17-19
DOI: 10.1055/s-2003-36594
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Qualitäts- und Dosismanagement in der Digitalen Projektionsradiographie

Management of Dose and Quality in Digital RadiographyH.  P.  Busch1
  • 1Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Trier, Abteilung für Radiologie, Trier
Die vorliegende Arbeit wurde durch das „Radiation Protection Programm” der Europäischen Gemeinschaft unterstützt (DIMOND III - Contract: FIGM-CT 2000-00061).
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Publication Date:
14 January 2003 (online)

In der Projektionsradiographie ersetzen zunehmend digitale Aufnahmeverfahren (Speicherfolien und Flachdetektoren) die konventionelle Film/Folienradiographie. Speicherfolien sind an allen bereits vorhandenen Arbeitsplätzen der Projektionsradiographie einsetzbar. Die Speicherfolien-Technik besitzt Vorteile insbesondere bei Aufnahmen ohne Belichtungsautomatik (Bettaufnahmen). Der Anschaffungspreis wurde in den letzten Jahren deutlich günstiger und das Spektrum der verschiedenen Gerätetypen breiter. Neue Entwicklungen, die zu einer Steigerung der Auflösung, einer Verminderung der Dosis und einer schnelleren möglicherweise auch direkten Auslesung führen, zeichnen sich ab. Flachdetektoren besitzen herausragende Abbildungseigenschaften. Mit geringer Dosis kann eine hohe Bildqualität erreicht werden. Die direkte Verfügbarkeit der Bilder stellt einen weiteren Vorteil dieser Methode dar. Bei geeigneter Integration in Arbeitsplätze mit hohem Patientendurchsatz können die höheren Anschaffungskosten möglicherweise kompensiert werden. Ein ökonomisch effizienter Einsatz neuer digitaler Techniken erfordert jedoch nicht nur einen Austausch der Bildgeber, sondern auch die Anpassung des Workflow- und Patientenmanangements.

Abgesehen von der identischen primären Bildentstehung durch Röntgenstrahlung unterscheiden sich digitale Aufnahmemethoden deutlich von Film/Folienaufnahmen durch unterschiedliche Abbildungseigenschaften der Detektoren und eine vollständige Entkoppelung von Bilderzeugung, Bildverarbeitung und Bilddarstellung.

Bei digitalen Aufnahmeverfahren kann die geeignete Parameterwahl zu einem Gewinn an diagnostischer Information, eine ungeeignete Wahl aber auch zu nachteiligen Effekten bis hin zu falschen Diagnosen führen. Voraussetzungen für eine geeignete Anwendung dieser digitalen Verfahren sind Optimierung und Qualitätssicherung von Bilderzeugung, Nachverarbeitung und Bilddarstellung.

Ziel sämtlicher Aufnahmemethoden ist es, diagnostische Fragestellungen mit hoher Qualität und Sicherheit zu beantworten. In die Diskussion der Indikationen zur Projektionsradiographie muss das gesamte Spektrum neuer Untersuchungsverfahren (vom Ultraschall über die Magnetresonanztomographie bis zur Mehrzeilencomputertomographie) einbezogen werden. Zu berücksichtigen ist, dass sich mit Veränderungen im Spektrum der Untersuchungsverfahren auch der Stellenwert einzelner Methoden von einer abschließenden Diagnosemöglichkeit zu einer Screeningmethode als Ausgangspunkt für weitere Untersuchungen ändern kann. Mit geänderten diagnostischen Fragestellungen ändern sich auch die Anforderungen an die Bildqualität.

In den letzten Jahrzehnten war die Film/Folienradiographie geprägt durch das Bestreben nach optimaler Bildqualität unabhängig von der Fragestellung („Visitenkarte”). Die Dosis sollte hierbei „nur” einen Maximalwert nicht überschreiten. Vorteil dieser Strategie der höchsten Bildqualität ist es, dass neben der Beantwortung spezieller Fragestellungen nützliche und teilweise unerwartete Zusatzinformationen resultieren können. Digitale Aufnahmemethoden erlauben in einem weiten Bereich eine Reduktion der Dosis, teilweise ohne, teilweise mit Verminderung der Bildqualität. Das Dosis- und Qualitätsmanagement nutzt diese neuen Möglichkeiten entsprechend dem ALARA-Prinzip (as low as reasonable achieveable) zu einer Strategie der Anpassung von Bildqualität und Dosis an die medizinische Fragestellung („Bildqualität so gut wie notwendig, nicht so gut wie möglich - Dosis so gering wie möglich”).

Am Anfang des Qualitäts- und Dosismanagements steht eine klare Festlegung der Indikationen zur digitalen Projektionsradiographie. Kriterien und Methoden der evidenzbasierten Medizin bilden die Grundlage zur Formulierung von Leitlinien. Diese Leitlinien müssen neben der medizinischen Fragestellung auch das Risiko für den Patienten berücksichtigen und damit auf die Vermeidung unnötiger „Routineaufnahmen” und eine Verminderung der Dosis zielen. Ausgangspunkt für die weitere Diskussion und Anwendung können die von der Europäischen Gemeinschaft veröffentlichten „Leitlinien für die Überweisung zur Durchführung von bildgebenden Verfahren” (Europäische Kommission - Strahlenschutz 118 - ISBN 92-828-9452-5) sein, die in diesem Jahr in deutscher Übersetzung erschienen sind. Weiterer Ausgangspunkt ist die Richtlinie 97/43 Euratom der Europäischen Gemeinschaft über den Gesundheitsschutz von Personen gegen die Gefahren ionisierender Strahlung bei medizinischer Exposition. Diese Richtlinie schließt den Zweck und den Anwendungsbereich, die Rechtfertigung, die Optimierung und die Verantwortung ein.

Bei der Auswahl der Aufnahmemethode und der Festlegung der Aufnahmeparameter müssen die Anforderungen an die diagnostische Bildqualität definiert sein. Ausgangspunkt für diese Diskussion können die in den „European Guidelines on Quality Criteria for Diagnostic Radiographic Images” (Europäische Kommission - EUR 16260EN) beschriebenen „Diagnostic Requirements” ergänzt durch die Ergebnisse des europäischen Forschungsprojektes DIMOND II und die Leitlinien der Bundesärztekammer sein.

Ein Parameter, der im Vergleich zu Film/Folienaufnahmen bei der digitalen Radiographie in wesentlich breiterem Rahmen variiert werden kann, ist die Aufnahmedosis. Bisherige Erfahrungen zeigen, dass beim Flachdetektor bei fast allen Indikationen eine Empfindlichkeitsklasse von 800 ausreichend ist. Die Dosis entsprechend einer Empfindlichkeitsklasse 200 wird nicht benötigt. Bei zahlreichen Fragestellungen kann auch die Klasse 1600 eingesetzt werden. Diese Reduktion der Dosis ist bei Speicherfolien nicht im gleichen Maße möglich.

Im Rahmen des Qualitäts- und Dosismanagements wird in einem europäischen Forschungsprojekt (DIMOND III) an einem dreistufigen Konzept der Bildqualität (niedrig, mittel, hoch) gearbeitet („Three level band”). Den Bildqualitätsstufen ist hierbei je nach Detektorart jeweils eine Dosisstufe zugeordnet (z. B. Empfindlichkeitsklassen 400, 800, 1600).

Beispiele für Skelettaufnahmen in den Bildqualitätsklassen hoch, mittel und niedrig sind:

Hoch: Nachweis einer Fraktur/FissurMittel: Verlaufskontrolle der Behandlung einer FrakturNiedrig: Aufnahme zur Anpassung einer Hüftprothese, Aufnahmen nach Metallentfernung, metrische Bildauswertungen der Wirbelsäule

In einer Multicenterstudie wird die Eingruppierung der Indikationen zur digitalen Projektionsradiographie nach den europäischen Leitlinien in diese drei Klassen diskutiert. In „erweiterten” Leitlinien soll der klinischen Fragestellung eine Qualitätsstufe zugeordnet werden. Anschließend muss die geforderte Bildqualität in Aufnahmeparameter der Untersuchungsmethode umgesetzt werden.

Ein Beispiel, welches sich aus vergleichenden Studien ergab, ist im folgenden Schema dargestellt (Tab. [1)]:

In Zukunft müssen intensive Diskussionen über Strategien und Methoden zur Optimierung und Standardisierung der Bildqualität geführt werden. Obwohl in zahlreichen Studien interessante Einzelergebnisse beschrieben wurden, fehlt der methodische Überbau. Ein mögliches Konzept kann aus drei Schritten bestehen:

Optimierung (an klinischen Kriterien) Objektivierung (Beschreibung mit Phantomaufnahmen) Standardisierung (definierte Bandbreite der Bildqualität)

Bei den Aufnahmeparametern (Fokusgröße, Spannung, Raster etc.) sowie den Bildprojektionen kann in erster Näherung von den Einstellungen der Film/Folienaufnahmen ausgegangen werden. Weitere Untersuchungen im Rahmen der digitalen Radiographie müssen jedoch auch auf diesem Gebiet das vorhandene Potenzial zur Optimierung ausschöpfen.

Bisherige Erfahrungen zeigen, dass die Art der Bildverarbeitung nicht unabhängig von der Dosis gesehen werden kann. Somit ergibt sich die Notwendigkeit, eine Optimierung in Abhängigkeit von dem Organgebiet, der klinischen Fragestellung und der geforderten Qualtitätsklasse durchzuführen. Zur Festlegung der Standardparameter muss diese Optimierung für jedes Organprogramm anhand klinischer Kriterien erfolgen. Die Erfahrung von vielen Jahren hat gezeigt, dass eine Optimierung an „physikalischen Testphantomen” nicht möglich ist. Die Aufnahmen von Testphantomen (z. B. CDRAD2.0) eignen sich jedoch zur Objektivierung und Standardisierung der Bildqualität.

Eine allgemeine Standardisierung der unterschiedlichen Bildverarbeitungsalgorithmen der Hersteller und Gerätegenerationen ist nicht möglich. Daher muss von einem „Black-Box”-Modell ausgegangen werden. Ein „Black-Box”-Modell wird beschrieben durch das Verhalten von Ausgangsfunktion(-bild) zur Eingangsfunktion(-bild). Die Strategie des Qualitätsmanagements kann darin bestehen, an Referenzzentren mit unterschiedlichen Geräten für jedes Organprogramm die geforderte Optimierung durchzuführen. Das Ergebnis wird dann mit Hilfe von Phantomaufnahmen objektiviert. Mit Referenzzentren erfolgt die Festlegung auf einen Bereich der Ergebnisse, welcher einer geeigneten Aufnahmequalität entspricht. Wird mit gleichen Aufnahmeparametern das Phantom an einer unbekannten Anlage abgebildet, kann damit eine vergleichende Einschätzung der Bildqualität vorgenommen werden.

Zur Beurteilung der individuellen Bildverarbeitung (zusätzlich zur Standardverarbeitung) sollte bei jeder Aufnahme ein digitales Testmuster in die Ecke des Rohdatenbildes eingefügt werden. Dieses Testmuster enthält Hochkontrast- und Niedrigkontraststrukturen. Das Testmuster wird der gleichen Bildnachverarbeitung wie das gesamte radiologische Bild unterworfen. Auf dem Röntgenfilm oder dem Monitor können dann die Auswirkungen der individuellen Bildverarbeitung abgeschätzt werden.

Wichtige Komponenten der Qualitätssicherung stellen Abnahme- und Konstanzprüfung dar. Die digitale Radiographie bietet neue Möglichkeiten zur Durchführung. Von einer standardisierten Aufnahme kann die Bildqualität durch digitale Parameter erfasst werden. Eine subjektiv-optische Auswertung ist nicht mehr notwendig. Der Ausgangspunkt zur Beurteilung der Bilddarstellung sollte ein definiertes digitales Testmuster (z. B. SMPTE) sein. Das Ergebnis kann auf dem Laserfilm oder Monitor beurteilt werden. Digitale Bildgeber sind häufig vernetzt und bieten sich somit für eine zentrale Konstanzprüfung mit einem Personalcomputer an.

Literatur

  • 1 Busch H P. Digitale Projektionsradiographie: Technische Grundlagen, Abbildungseigenschaften und Anwendungsmöglichkeiten.  Radiologie. 1999;  39 710-724
  • 2 Busch H P, Busch S, Decker C, Schilz C. Bildqualität und Dosis in der Digitalen Projektionsradiographie. Fortschr Röntgenstr (In Review)
  • 3 Busch H P, Bosmans H, Faulkner K, Peer R, Vano E, Busch S. Dose management with new digital imaging technique. European Radiol-ogy 2002 B-0561/Scintific paper
  • 4 Neitzel U, Böhm A, Maack I. Comparison of low-contrast detail detectability with five different conventional and digital radiographic imaging systems.  SPIE Medical Imaging. 2000;  3981 31
  • 5 Schaefer-Prokop C, Eisenhuber E, Fuchsjäger M, Puig S, Prokop M. Aktuelle Entwicklung auf dem Gebiet der digitalen Thoraxradiographie.  Radiologie. 2001;  41 230-239
  • 6 Strotzer M. Digital radiography with flat-panel detectors: the missing link.  Eur Radiol. 2002;  12 1603-1604

Prof. Dr. H. P. Busch

Krankenhaus der Barmherzigen Brüder, Abteilung für Radiologie

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