Dtsch Med Wochenschr 2003; 128(4): 129
DOI: 10.1055/s-2003-36871
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Nichtinvasives Screening der renovaskulären Hypertonie - welches Verfahren?

Non-invasive screening for renovascular hypertension - which test?W. Zidek1
  • 1Medizinische Klinik IV, Freie Universität Berlin, Univ.-Klinikum Benjamin Franklin
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Publication Date:
23 January 2003 (online)

Die renovaskuläre Hypertonie ist bekanntlich die häufigste sekundäre Hypertonieform. Sie ist überwiegend arteriosklerotisch bedingt und kann in diesen Fällen sowohl medikamentös als auch interventionell behandelt werden. Warum ist ihre Diagnostik Gegenstand einer Kontroverse? Wir suchen gegenwärtig ein nichtinvasives Screeningverfahren, mit dem wir die große Mehrzahl der Hypertoniker kostengünstig und ohne Komplikationen untersuchen können. In einer Konsensuskonferenz haben sich Mitglieder der Deutschen Hochdruckliga mit den einschlägigen Verfahren auseinandergesetzt.

Für alle im Konsensuspapier in diesem Heft diskutierten nichtinvasiven Untersuchungsverfahren gilt im Wesentlichen: Die Autoren haben kleine Fallzahlen mit hoher Prävalenz einer renovaskulären Hypertonie untersucht. Welche Konsequenzen hat dies für die Interpretation? Dies soll folgende Gegenüberstellung verdeutlichen: Wir nehmen für einen beliebigen Test eine Sensitivität und Spezifität von jeweils 90 % an. Wir berechnen dann den positiven und negativen Vorhersagewert für zwei unterschiedliche Ausgangssituationen: Im ersten Fall nehmen wir eine Prävalenz einer Nierenarterienstenose von 50 % an, entsprechend einem hochselektierten Patientengut. Dies repräsentiert z. B. die Situation an einer Universitätsambulanz. Die überwiegende Zahl essentieller Hypertoniker ist dort bereits durch Voruntersucher herausgefiltert worden. Der Anteil sekundärer Hypertonieformen ist viel höher als in der unselektierten Bevölkerung. In dieser Situation bedeutet eine jeweils 90 %ige Sensitivität und Spezifität sowohl einen 90 %igen positiven als auch 90 %igen negativen Vorhersagewert: 90 % der Patienten mit einem positiven Testergebnis haben also tatsächlich eine Nierenarterienstenose. Umgekehrt weisen 90 % derjenigen mit negativem Testergebnis auch wirklich keine Nierenarterienstenose auf.

Wie sieht es nun aus, wenn wir von einer der täglichen Praxis entsprechenden Prävalenz von 5% ausgehen? Bei wiederum jeweils 90 %iger Sensitivität und Spezifität ergibt sich ein positiver Vorhersagewert von 32 % und ein negativer von 99 %. Konkret heißt das, dass über 2/3 der Patienten mit positivem Testergebnis keine Nierenarterienstenose haben. Der negative Vorhersagewert ist natürlich bei ohnehin niedriger Prävalenz besser. Wir müssen aber damit rechnen, bei über 2/3 der Patienten eine Fehldiagnose zu stellen. Anschließend müssen wir möglicherweise komplikationsträchtige und teure Untersuchungen veranlassen, um den falsch positiven Befund wieder auszuräumen.

Hier liegt gegenwärtig die Problematik der nichtinvasiven Screeningverfahren zur Diagnose einer Nierenarterienstenose. Der optimale Test müsste noch wesentlich sensitiver und spezifischer sein als die in der Literatur an kleinen Fallzahlen mit hoher Prävalenz der Nierenarterienstenose mitgeteilten Werte um 90 %. Diese an sich hohen Werte suggerieren auf den ersten Blick eine ausreichende Testqualität. Für unselektierte Patienten mit Hypertonie ist die Testqualität aber vom Optimum noch deutlich entfernt.

Für die Praxis ergibt sich daraus zweierlei:

Nur ein gutes klinisches Vorscreening aufgrund der bekannten Kriterien wie z. B. neu aufgetretener Hypertonus, abdominelles Strömungsgeräusch oder begleitende PAVK vermag eine ähnlich hohe Vortest-Prävalenz der Nierenarterienstenose zu schaffen wie in den meisten Veröffentlichungen. Zur besseren Evaluierung der nichtinvasiven Untersuchungsverfahren kommen größere Studien an unselektierten Hypertonikern der Realität wesentlich näher. Da aber der „Goldstandard”, die Angiographie, nicht an größeren Zahlen unselektierter Hypertoniker angewandt werden kann, ist die Konzeption derartiger Studien schwierig.

Diese Probleme zeigen, warum die Aufgabe der Konsensuskonferenz schwierig war. Ein weiterer Punkt kommt hinzu: Die Verfahren der nichtinvasiven Diagnostik sind im Fluss. Die Gerätetechnik von MR-Angiographie und Angio-CT haben atemberaubende Entwicklungen durchgemacht. Es ist schwer abzuschätzen, wie lange die Angiographie noch der Goldstandard bleibt und wann eine nichtinvasive Bildgebung zur Verfügung steht, deren Qualität der Angiographie gleichkommt. Auf diesem Sektor dürfte die Zukunft in der Diagnostik der renovaskulären Hypertonie liegen.

Prof. Dr. W. Zidek

Medizinische Klinik IV, Univ.-Klinikum Benjamin Franklin, Freie Universität Berlin

Hindenburgdamm 30

12200 Berlin