Laryngorhinootologie 2003; 82(1): 40-41
DOI: 10.1055/s-2003-36901
Aktuelle Habilitation
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Genexpression, Genregulation und Gentransfer im Innenohr

Gene Expression, Gene Regulation and Gene Transfer in the Inner EarT.  Stöver1
  • 1HNO-Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover
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Publication Date:
24 January 2003 (online)

Die Identifikation der molekularen Grundlagen physiologischer und pathologischer Vorgänge im Innenohr stellt die Basis zur Entwicklung neuer pathophysiologisch orientierter Behandlungsstrategien für dieses Organ dar. Die vorgelegte Habilitationsarbeit behandelte daher drei zentrale Bereiche der otologischen Grundlagenforschung mit Hilfe moderner molekularbiologischer Methoden: 1) Die Untersuchung der Expression und Regulation neurotropher Faktoren im Innenohr, 2) die Möglichkeiten und Probleme eines cochleären Gentransfers und 3) die Identifikation im Innenohr exprimierter Gene und deren Regulation infolge Ertaubung.

Neurotrophe Faktoren zeigen protektive Effekte auf Haarzellen und Spiralganglienzellen, so dass diese Substanzen als potenzielle Innenohrtherapeutika erscheinen. Mit Hilfe einer semiquantitativen RT-PCR konnte an Ratten demonstriert werden, dass eine differenzielle mRNA-Expression des Glial Cell Line-derived Neurotrophic Factors (GDNF) und der ihm verwandten Moleküle Neurturin, Artemin und Persephin sowohl im Modiolus als auch im sensorineuralen Epithel der Cochlea nachweisbar war. Die Expression der Rezeptoren dieser Faktoren (GFRα-1, GFRα-2, GFRα-3 und Ret) zeigte zum Teil deutliche Unterschiede innerhalb der Innenohrstrukturen. Weitergehende Untersuchungen konnten belegen, dass infolge Lärmexposition eine statistisch signifikante Steigerung der GDNF-Expression innerhalb der Cochlea nachweisbar war. Insgesamt legen diese Ergebnisse nahe, dass GDNF und den ihm verwandten Substanzen (Neurturin, Artemin und Persephin) besondere Aufgaben im Rahmen exogener und endogener Schutzmechanismen innerhalb der Cochlea zukommen.

Der zweite Bereich der Arbeit sollte die Möglichkeiten eines Innenohrgentransfers mit einem adenoviralen Vektor untersuchen. Hierbei wurde zunächst nachgewiesen, dass die Mittelohrschleimhaut, einschließlich der Schleimhaut des Stapes, ein potenzielles Ziel dieses viralen Vektors darstellt. Ein intracochleärer Gentransfer mittels Applikation des Vektors über eine Cochleostomie zeigte sich effektiver als eine zum Vergleich durchgeführte Injektion des Vektors durch die Rundfenstermembran. Weiterführende Untersuchungen belegten, dass ein möglicher Übertritt des viralen Vektors in den Liquor und die kontralaterale Cochlea über den Aquaeductus cochleae nur bei Verwendung geringer Applikationsvolumina vermieden werden konnte. Die Untersuchungen zeigten weiterhin, dass der virale Vektor prinzipiell auch aus dem Liquor in die Cochlea gelangen kann. Alternative (experimentelle) Zugänge zum Innenohr wurden somit dargestellt. Die in der Arbeit durchgeführten Experimente zum Innenohrgentransfer gaben einen Eindruck hinsichtlich der derzeit bestehenden technischen Grenzen und spezifischen Probleme einer Innenohrgentherapie.

Ein dritter Arbeitsbereich widmete sich der Untersuchung der Anwendbarkeit von Gen-Arrays zur Identifikation im Innenohr exprimierter Gene. Die Ergebnisse zeigten, dass Gen-Arrays technisch durchaus in der Lage sind, gewebespezifische Unterschiede einer Genexpression in den untersuchten Geweben (Modiolus, sensorineurales Epithel/laterale Wand und Colliculus inferior) zu bestimmen. Trotz großer Übereinstimmungen im Genexpressionsmuster, konnten doch für einzelne Gene erhebliche Unterschiede in der Höhe der mRNA-Expression festgestellt werden. Von der überwiegenden Mehrheit der hier nachgewiesenen Gene war bislang nicht bekannt, dass sie eine Expression in der Cochlea zeigen. Diese Ergebnisse können als Hinweis auf eine besondere Funktion dieser Gene innerhalb der Cochlea gewertet werden. Mit Hilfe der Gen-Arrays konnte weiterhin belegt werden, dass einzelne Gene (z. B. Prothymosin-alpha, Transkriptionsfaktor AP-1, Cyclin D1, interferon-induzierte Proteine) eine deutliche Regulation infolge einer experimentellen Ertaubung aufwiesen. Hierbei fanden sich sowohl Gene, die eine verstärkte als auch eine erniedrigte Expression infolge der Ertaubung erkennen ließen. Im Sinne eines Screenings konnten durch diese Methode wertvolle Hinweise auf weiter zu untersuchende gewebespezifische Gene und deren Regulation im Innenohr gewonnen werden. Diese Gene stellen ebenfalls mögliche Ansatzpunkte einer zukünftigen Innenohrtherapie dar.

Privat-Doz. Dr. med. Timo Stöver

HNO-Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover

Carl-Neuberg-Straße 1 · 30625 Hannover

Email: Stoever.Timo@MH-Hannover.de