Z Gastroenterol 2003; 41: 29
DOI: 10.1055/s-2003-37431
Supplement
© Karl Demeter Verlag im Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Falldemonstrationen Postgraduiertenkurs: Chirurgische Therapie anorektaler Fisteln bei Morbus Crohn

K. Günther1 , H.-J Buhr2 , C. T. Germer2
  • 1Chirurgische Klinik mit Poliklinik der Universität Erlangen
  • 2Chirurgische Klinik, Universitätsklinikum Benjamin Franklin, Berlin
Further Information

Publication History

Publication Date:
11 March 2003 (online)

Anhand einer Falldarstellung wurden die Besonderheiten des differenzierten therapeutischen Vorgehens bei M.-Crohn-assoziierten Anorektalfisteln diskutiert. Folgende Behandlungsstrategien wurden dabei als empfehlenswert erachtet.

M.-Crohn-bedingte Anorektalfisteln verlaufen meist komplex. Es können verzweigte, das Rektum oft posterior hufeisenförmig umgreifende Fistelsysteme resultieren, deren innere Öffnungen nicht regelhaft in den Analkrypten an der Linea dentata, sondern extrasphinktär im Rektum münden. Komplikationsträchtige Krankheitsverläufe sind bei insgesamt niedrigen Heilungsraten häufig. Folgen der Fistelbildung und der lokalen Operationen können anale Inkontinenz und letztlich den Verlust des Rektums bedingen. Risikofaktoren sind begleitende Proktitis, Colitis und Dünndarmbefall. Bei erstmaligem Auftreten einer Anorektalfistel bzw. einem periproktitischen Abszess ist deshalb unbedingt bei der Anamneseerhebung auf Hinweise für einen M. Crohn zu achten und zumindest eine Rektoskopie zum Ausschluss einer Proktitis durchzuführen.

Bei Vorliegen eines M. Crohn ist ein moderates, besonders Sphinkter-schonendes und differenziertes Therapiekonzept unter Ausschöpfung der medikamentösen Behandlung indiziert.

Asymptomatische Fisteln erfordern u. U. keinerlei Behandlung. Liegen Symptome, jedoch keine zur sofortigen Operation zwingenden Komplikationen vor - Abszesse wären sofort zu entlasten und darstellbare Fisteln sollten nur fadenmarkiert werden -, so ist kein unmittelbarer Behandlungszwang gegeben. Vielmehr sollte zuerst die Aktivität des M. Crohn im Dünndarm, Kolon und Rektum eruiert werden. Liegen Crohn-Läsionen vor, ist medikamentös oder bei gravierenden Komplikationen (abszedierende Konglomerattumoren, hochgradige Stenosen oder symptomatische Fisteln) chirurgisch zu behandeln, um für die Therapie der Anorektalfistel günstige Voraussetzungen zu schaffen. Erst wenn Letzteres gegeben ist, empfiehlt sich die Operation der Fistel. Tief (subkutan und tief intersphinktär) und einfach verlaufende Fisteln können meist in einer Sitzung komplett exzidiert werden. Hohe (hoch intersphinktär, trans- und suprasphinktär), komplexe und extrasphinktäre Fisteln dürfen nur teilexzidiert und fadenmarkiert werden. Oft gelingt es dann, in wiederholten Sitzungen diese Fisteln schrittweise und schließlich komplett zu exzidieren, ohne dabei die Kontinenz zu kompromittieren.

Die Indikation zur Vorschaltung einer protektiven Ileostomie ist großzügig zu stellen, insbesondere bei Vorliegen komplexer Fistelsysteme oder begleitender, therapierefraktärer Proktitis. Immer sollte ein Deviationsstoma beim stets restriktiv anzuwendenden, plastischen Fistelverschluss angelegt werden.

Bei Fisteln mit fehlender Aussicht auf Sanierung, insbesondere bei hohen, komplexen Verläufen und gleichzeitiger Ablehnung einer Proktektomie seitens des Patienten, kann eine über Jahre dauerhafte Fadendrainage zur Gewährleistung einer ausreichenden Drainage mit Vermeidung einer Abszedierung indiziert sein. Kritisch zu bedenken ist jedoch, dass durch die chronisch persistierende Fistel ein erhöhtes Entartungsrisiko nach Jahren resultiert. Die dauerhafte Fadenmarkierung stellt somit langfristig eine Kompromisslösung dar und die Indikation zur Proktektomie muss regelmäßig überprüft werden. Je mehr Entzündungsaktivität dabei nachweisbar ist, insbesondere bei therapierefraktärer, ausgedehnter Proktitis, desto dringender ist die Proktektomie angeraten.

Im Gegensatz zum nicht mit M. Crohn assoziierten Fistelleiden, welches allein chirurgisch zu heilen ist, ermöglicht nur die enge Kooperation mit Gastroenterologen unter Ausschöpfung der medikamentösen Therapiemöglichkeiten - Antibiotika, Mesalazin, Kortison, Azathioprin, Methotrexat und Infliximab - einen optimalen Behandlungserfolg mit der Chance auf Erhaltung des Rektums und der Kontinenz.

K. Günther

Chirurgische Klinik mit Poliklinik der Universität Erlangen

Krankenhausstr. 12

91054 Erlangen