Z Geburtshilfe Neonatol 2003; 207(1): 1-5
DOI: 10.1055/s-2003-37844
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Editorial

Sind tödliche Blutungskomplikationen unter und nach der Geburt vermeidbar?EditorialW. Rath1
  • 1Frauenklinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, Universitätsklinikum Aachen
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Publikationsverlauf

Eingang: 25.11.2002

Angenommen nach Revision: 28.11.2002

Publikationsdatum:
19. März 2003 (online)

Einleitung

Für jeden Geburtshelfer gehören schwere peripartale Blutungen nach wie vor zu den gefährlichsten und unkalkulierbarsten Notfallsituationen, die nicht selten mit dem Tod der Schwangeren oder zumindest mit einer lebensbeeinträchtigenden Folgemorbidität enden.

Auch heute noch stehen diese Blutungskomplikationen vor allem nach der Geburt des Kindes mit einem Anteil von 18 - 22 % gemeinsam mit Thromboembolien an erster Stelle der mütterlichen Todesursachen. Weltweit kosten pro Jahr geburtshilfliche Blutungen ca. 150 000 Frauen das Leben, in den USA und Europa muss mit 1 - 2 mütterlichen Todesfällen pro 100 000 Lebendgeborener gerechnet werden, in den Entwicklungsländern - ungeachtet einer hohen Dunkelziffer - sogar mit 600 - 1 500 Todesfällen pro 100 000 Lebendgeborener.

In Deutschland mehren sich die gutachterlichen Fälle, die ein unzulängliches, verspätetes oder organisatorisch schuldhaftes Management bei schweren intra- und postpartalen Blutungen zum Gegenstand haben.

Entgegen anderen europäischen Ländern (z. B. England) ist es in Deutschland - mit Ausnahme von Bayern, wo H. Welsch seit Jahrzehnten mit Akribie die mütterlichen Todesfälle analysiert - bisher trotz aller Qualitätssicherungsprogramme in der Geburtshilfe nicht gelungen, flächendeckend die Ursachen mütterlicher Sterbefälle aufzudecken und daraus die entsprechenden Konsequenzen abzuleiten: Hier besteht zwingend Nachholbedarf!

Es ist nicht nachvollziehbar, warum ausschließlich die perinatale Mortalität von Jahr zu Jahr neu evaluiert und diskutiert wird, die Müttersterblichkeit aber nur am Rande beachtet und zur Kenntnis genommen wird.

Die Halbierung der Müttersterblichkeit in den letzten 20 Jahren ist sicherlich ein Verdienst unübersehbarer Fortschritte in der auf Prävention ausgerichteten Geburtshilfe und vor allem in der Anästhesie und Intensivmedizin, es bleiben aber mütterliche Verblutungstode als Einzelschicksale, die durch ein adäquates ärztliches Handeln und durch die Vermeidung von Mängeln im organisatorischen Bereich der geburtshilflichen Abteilungen hätten vermieden werden können.

Global ist darauf hinzuweisen, dass die gemeinsame Endstrecke der unbehandelten postpartalen Blutungen unterschiedlicher Genese der hämorrhagische Schock und vor allem die Verlust- und/oder Verbrauchskoagulopathie ist (s. u.).

Prof. Dr. med. W. Rath

Direktor der Univ.-Frauenklinik für Gynäkologie und Geburtshilfe

Pauwelsstraße 30

52074 Aachen