Dtsch Med Wochenschr 2003; 128(11): 574
DOI: 10.1055/s-2003-37854-2
Leserbriefe
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Erwiderung: Welche Studien, welcher Mangel?

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Publication Date:
29 April 2004 (online)

Der Leserbrief von Rohde zu den Beiträgen über die Klinische Forschung [1] [2] verdeutlicht, mit welchem Interesse die Diskussion über die klinische Forschung und Therapiestudien von unseren ärztlichen Kollegen gerade im niedergelassenen Bereich aufgenommen wird. Ich stimme Rohde zu, dass diese Diskussion unbedingt weiter gefördert werden muss und dass gerade im Bereich der niedergelassenen Ärzteschaft viele Patienten in klinische Studien eingeschlossen werden können. Man kann dem Autor auch in seiner Aussage zustimmen, dass die Kenntnis über klinische Studien und die von ihm mit Recht so hoch geschätzte prospektiv randomisierte Studie im Rahmen der Ausbildung aber auch der praktischen Tätigkeit weiter vertieft werden muss. Als Leiter multizentrischer Therapiestudien zur Behandlung akuter Leukämien und maligner Lymphome und als absoluter Protagonist prospektiv randomisierter Studien muss ich dem Autor jedoch in einigen Punkten widersprechen.

Bei dem Begriff der Therapieoptimierungsstudie handelt es sich nicht um eine von mir erfundene Neuschöpfung. Vielmehr wurde dieser Begriff von der Deutschen Krebsgesellschaft vor etwa 15 Jahren als Terminus geprägt, um eine deutliche Differenzierung zwischen unterschiedlichen Formen von Studien vorzunehmen. Klinische Studien können unterschiedliche Interessen verfolgen: Sie können zum einen der Erprobung eines neuen Medikamentes dienen und als Ziel die Zulassung anstreben. Derartige Studien liegen primär im Interesse der pharmazeutischen Industrie. Von diesen Zulassungsstudien deutlich abzugrenzen sind Therapieoptimierungsstudien. Sie verfolgen, wie der Name sagt, primär das Ziel ein Therapiekonzept zu optimieren und werden nicht von der pharmazeutischen Industrie, sondern von uns, d. h. den am klinischen Fortschritt interessierten Ärzten initiiert. Die Notwendigkeit zur klaren Trennung zwischen diesen Studien ergibt sich aus der rechtlichen Unsicherheit, die durch die unzureichende Gesetzgebung des Arzneimittelgesetzes und die Weigerung der Kostenträger, die klinische Weiterentwicklung in Form kontrollierter Studien mitzutragen, verursacht wurde. Diese Problematik ist für die Durchführung klinischer Studien gerade im niedergelassenen Bereich ein gravierender Hemmschuh. Dies bedeutet, dass die Krankenkassen in zunehmenden Maße die für die allgemeine Versorgung anfallenden Kosten, sogar die Basiskosten, für derartige Studien verweigern. Durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen sind sogar Leiter derartiger Therapieoptimierungsstudien mit Regressforderungen von mehreren Millionen Mark konfrontiert worden. Diese Darstellung stellt kein überzogenes Szenario dar, sondern entspricht der Realität. Diese von mir herausgestellte Schwäche unseres Gesundheitssystems erschwert gerade die von Rohde so gepriesenen prospektiv randomisierten Studien. Wenn diese unzulängliche Situation nicht bald möglichst durch eine klare, den Interessen von Patienten und Ärzten gerecht werdende Regelung abgelöst wird, wird uns ein wichtiges Instrument der therapeutischen Entwicklung und der Qualitätssicherung aus der Hand genommen.

Als hämatologischer Onkologe ist es mir ein Anliegen, deutlich zu machen, dass gerade durch die seit 30 Jahren praktizierte Durchführung prospektiv randomisierter klinischer Studien im Bereich der Leukämien und Lymphome substanzielle Fortschritte erreicht wurden, die der deutschen Hämatologie und Onkologie auf diesen Feldern eine weltweit führende Bedeutung gegeben haben.

Ich hoffe, dass diese Ausführungen nicht nur eine Antwort auf die Ausführungen von Rohde geben, sondern auch dem breiten Leserkreis der DMW verdeutlichen, in welcher verzwickten Situation wir zur Zeit in der klinischen Forschung in Deutschland stehen.

Literatur

  • 1 Hiddemann W. Klinische Studien - ein bedrohtes Element der Therapieoptimierung.  Dtsch Med Wochenschr. 2002;  127 2185
  • 2 Siewert J R, Niethammer D. Klinische Forschung in Deutschland.  Dtsch Med Wochenschr. 2002;  127 2469-2474

Autor

Prof. Dr. W. Hiddemann

Medizinische Klinik und Poliklinik III, Klinikum der Universität München, Großhadern

Marchioninistraße 15

81373 München