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DOI: 10.1055/s-2003-38517
Verleihung der Salomon-Neumann-Medaille an den Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, Karl Hermann Haack
The Salomon Neumann Medal Award to the German Federal Government Plenipotentiary for the Disabled, Karl Hermann HaackPublikationsverlauf
Publikationsdatum:
16. April 2003 (online)
Sehr geehrter Herr Haack, Herr Präsident, meine Damen und Herren,
die Deutsche Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention verleiht in diesem Jahr die Salomon-Neumann-Medaille an den Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen und Mitglied des Deutschen Bundestages, Herrn Karl Hermann Haack, für seine besonderen Verdienste um die Integration behinderter Menschen sowie in der Rehabilitations- und Behindertenpolitik.
Die Deutsche Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention vergibt diese Auszeichnung bereits seit 1986 für besondere Verdienste um die Präventiv- und Sozialmedizin. Die Medaille trägt die Aufschrift „Medicin ist eine Sociale Wissenschaft”. Diese von Salomon Neumann, einem der großen Vertreter der Sozialmedizin, stammende Aussage über die Medizin ist nicht zuletzt deshalb für uns von großer Bedeutung, weil sie das Selbstverständnis der Fachgesellschaft wiedergibt, und zwar über alle Diskussionen zu den Inhalten und zukünftigen Schwerpunkten der Gesellschaft hinweg. Sie bezeichnet im Wandel der Themen den beständigen Kern der Sozialmedizin, wie wir ihn verstehen.
Auch die Rehabilitations- und Behindertenpolitik hat einen in ihrer Bedeutung vergleichbaren sozialpolitischen Kern, nämlich die gesellschaftliche Teilhabe, Gleichberechtigung und Gleichstellung behinderter Menschen. Dieser Kern war in der Vergangenheit nicht immer so deutlich zu erkennen. So lag der Schwerpunkt der sozialpolitischen Bemühungen lange Zeit - sicherlich zu Recht - darin, die Abhängigkeit der Leistungen von der Ursache einer Behinderung zu überwinden und stattdessen die Sozialleistungen an dem individuellen Bedarf der Betroffenen und den Zielen der Rehabilitation auszurichten. Auch Karl Hermann Haack ist diesem Prinzip der sozialen Gerechtigkeit verpflichtet, sein Engagement und die von ihm in die Behindertenpolitik eingebrachten Vorstellungen und Ideen gehen aber weit darüber hinaus.
Ein Blick zurück auf die Reihe der Medaillenträger zeigt, dass die geehrten Persönlichkeiten bisher überwiegend Vertreter wissenschaftlicher Disziplinen waren. Es waren vor allem Mediziner, die an den Hochschulen ihre Wirkungsstätte hatten. Wir ehren heute erstmalig eine Persönlichkeit aus der Politik, die bereits mit dem Studium der Pharmazie in Kombination mit Politikwissenschaften und Soziologie einen Bezug zur Medizin und zum Gesundheitssystem aufweist, der sich aufgrund der langjährigen Tätigkeit als selbständiger Apotheker weiter vertiefte. Aber nicht dieser Bezug war Anlass und Grund für die Entscheidung des Vorstandes, Karl Hermann Haack mit der Salomon-Neumann-Medaille zu ehren, sondern seine sozialpolitischen Leistungen auf dem Gebiet der Rehabilitations- und Behindertenpolitik, die sich ganz im Sinne von Salomon Neumann an den betroffenen Menschen orientiert.
Der Vorstand der Deutschen Gesellschaft hat mich als Mitglied des erweiterten Vorstandes gebeten, heute die Laudatio zu sprechen, da ich den Bereich der Rehabilitation in der Fachgruppe „Praktische Sozialmedizin und Rehabilitation” als Sprecher zusammen mit Herrn Dr. von Mittelstaedt vom MDK Hessen vertrete. Im Rahmen meiner Tätigkeit, insbesondere bei den vorbereitenden Arbeiten zum Neunten Buch des Sozialgesetzbuches „Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen”, hatte ich die Möglichkeit, an Anhörungen sowie an Veranstaltungen und Gesprächen teilzunehmen, zu denen der Bundesbeauftragte selbst eingeladen hatte. Damit gab es Gelegenheit zu Einblicken in das Handeln und in die Motive des Bundesbeauftragten Karl Hermann Haack. Diese Einblicke waren sicher zu kurz, um Sie, Herr Haack, als Person und in ihrem politischen Wirken insgesamt auch nur annähernd würdigen zu können. Ich möchte mich deshalb vor allem auf die Aktivitäten und Leistungen als Behindertenbeauftragter konzentrieren, die den wesentlichen Anlass für die heutige Ehrung darstellen.
Karl Hermann Haack begann seine politische Laufbahn in der SPD im Jahre 1973, war zunächst in der Kommunalpolitik aktiv und hat in dieser Zeit u. a. an der Umsetzung der Psychiatrie-Reform in Ost-Westfalen mitgewirkt. Er ist seit 1987 Mitglied des Deutschen Bundestages und auch Mitglied des Vorstandes der SPD-Bundestagsfraktion. Das Direktmandat in seinem Wahlkreis hat er gerade erst wieder gewonnen, wozu wir herzlich gratulieren. Die inhaltlichen Schwerpunkte lagen von jeher in der Gesundheits- und Sozialpolitik. So war er beispielsweise an den „Lahnstein-Verhandlungen” zur Gesundheitsreform beteiligt, und innerhalb seiner Fraktion entwickelte er sich bald zu einem Experten für die Rehabilitation. Schon 1995 rief er Fachleute zusammen und schuf eine erste Gesprächsrunde, um das SGB IX voranzubringen. Deshalb überrascht es nicht, dass er im November 1998, also mit dem Beginn der neuen Bundesregierung, zum Beauftragten für die Belange behinderter Menschen ernannt wurde. Karl Hermann Haack füllte dieses Amt nicht nur mit großem Engagement aus, sondern war auch sehr erfolgreich, was sich nicht zuletzt in den sozialpolitisch hochbedeutsamen Gesetzen zur Weiterentwicklung des Rehabilitations- und Behindertenrechts niederschlug.
Um dieses nachvollziehen zu können, erscheint mir zweierlei unverzichtbar. Nämlich einen kurzen Einblick in die Rolle, die Funktion und die Möglichkeiten des Amtes eines Behindertenbeauftragen zu geben und zum anderen wenigstens einige entwicklungsgeschichtliche Stationen in der Rehabilitations- und Behindertenpolitik aufzuzeigen, ohne die der Stellenwert seiner erfolgreichen Politik nicht hinreichend deutlich würde.
Das Amt des Beauftragten der Bundesregierung für die Belange der Behinderten ist im Vergleich zu anderen wichtigen politischen Institutionen und Ämtern noch vergleichsweise jung. Das Amt des Behindertenbeauftragten wurde erstmals in der Regierungserklärung von Helmut Schmidt vom 24. November 1980 angekündigt und anschließend durch Kabinettsbeschluss eingerichtet. Die Idee dazu ist im Zusammenhang mit den vorbereitenden Kommissionsarbeiten zum Internationalen Jahr der Behinderten 1981 entstanden, aus denen zahlreiche Anregungen an die Politik hervorgingen, u. a. auch die Fortschreibung des bekannten Aktionsprogramms Rehabilitation aus dem Jahre 1970 in ein Programm für die 80er-Jahre. Eine der grundlegenden Ideen war es, für die betroffenen Menschen eine unmittelbare Ansprechstelle in der Politik zu schaffen, die politische Bedeutung der Behindertenpolitik dadurch zu unterstreichen und die Belange der behinderten Menschen in alle Politikbereiche hineinzutragen.
Das Amt stellt somit ein Bindeglied zwischen Legislative und Exekutive dar und hat zugleich eine Mittlerfunktion zwischen behinderten Menschen, den öffentlichen Verwaltungen und anderen gesellschaftlichen Bereichen. Es ist auf ein ressort- und sachgebietsübergreifendes Wirken angelegt und steht in einem engen Zusammenhang zu den Koordinations- und Kooperationsanforderungen im Gesamtsystem der Rehabilitation. Dem Beauftragten steht zwar ein interministerieller Arbeitsstab zur Seite, um die vielseitigen Aufgaben bewältigen zu können, seine Tätigkeit ist jedoch vor allem ehrenamtlich. Fachlich ist der Behindertenbeauftragte nur der Bundesregierung verantwortlich und es wird deutlich, dass mit dem Amt nicht nur ein hoher Anspruch verbunden, sondern zugleich ein bedeutsames Einflusspotenzial gegeben ist, das stark von der Persönlichkeit des jeweiligen Amtsinhabers geprägt wird.
Das Amt des Beauftragten für die Belange der behinderten Menschen wurde von allen Bundesregierungen beibehalten. Seit 1998 wird es mit großem Engagement von Karl Hermann Haack ausgeübt, der diesem Amt nicht nur neue Impulse gab und nicht nur neue Wege beschritt, sondern dem auch ein großer Sprung in der Rehabilitations- und Behindertenpolitik gelang. So wurden in seiner Amtszeit u. a. drei große Gesetzesvorhaben auf den Weg gebracht und verabschiedet, die die letzte Legislaturperiode zu einer der erfolgreichsten in der Rehabilitations- und Behindertenpolitik der Nachkriegsgeschichte machten.
Diese Gesetze möchte ich im Folgenden kurz ansprechen:
Das Gesetz zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter, das am 1. Oktober 2000 in Kraft trat. Mit diesem Gesetz ist der Anspruch einer neuen Arbeitsmarktpolitik für behinderte Menschen verbunden und es wurden neue effektive Instrumente eingeführt, um die Arbeitslosigkeit von Schwerbehinderten spürbar abzubauen. Eine Besonderheit des Gesetzes besteht darin, dass mit ihm eine konkrete Zielbestimmung in der Weise verbunden wurde, dass bis zum Oktober 2002 rund 50 000 arbeitslose Schwerbehinderte wieder beruflich eingegliedert werden sollten. Durch gemeinsame Anstrengungen und neue Kooperationsformen unter den Beteiligten ist es gelungen, diesem Ziel sehr nahe zu kommen. Das Gleichstellungsgesetz für behinderte Menschen, das in diesem Jahr verabschiedet wurde. Das Besondere dieses Gesetzes besteht darin, dass es den erst im Jahre 1994 in Artikel 3 des Grundgesetzes aufgenommenen Grundsatz, dass niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden darf, konkretisiert. Das Kernstück dieses Gesetzes besteht damit in dem umfassenden Ziel und Anspruch einer Barrierefreiheit in allen gesellschaftlichen Bereichen, die sich nicht nur auf die Beseitigung räumlicher Barrieren beschränkt, sondern auch die Beseitigung kommunikativer Barrieren einbezieht, beispielsweise bei elektronischen Medien. Es will ferner besonders den Belangen behinderter Frauen zur Durchsetzung verhelfen und erkennt die Deutsche Gebärdensprache als Sprache ausdrücklich an. Mit dem Gesetz wird nunmehr eine grundgesetzliche Norm direkt umgesetzt und somit ein wichtiger Schritt in der Gleichstellung der behinderten Menschen realisiert. Das Sozialgesetzbuch IX - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen, das bereits vor dem Gleichstellungsgesetz verabschiedet wurde und am 1. Juli 2001 in Kraft trat. Mit ihm soll der Anspruch einer bürgernahen Sozialpolitik realisiert werden und es vervollständigt den insgesamt in der Behindertenpolitik vollzogenen Paradigmenwechsel mit dem Anspruch der Selbstbestimmung und gleichberechtigten Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Alle drei Gesetze fügen sich zu einem Ganzen zusammen und finden ihre Ergänzung durch vielfältige Maßnahmen.
Mit dem Sozialgesetzbuch IX finden die bereits in den 70er-Jahren begonnenen Reformen in der Rehabilitations- und Behindertenpolitik einen vorläufigen Höhepunkt. Zugleich wird damit eine neue Phase der Sozialpolitik für behinderte Menschen eingeleitet.
Einige Anmerkungen zu Stationen dieser Politik sollen das verdeutlichen.
Nicht ganz zu Unrecht wurden die 70er-Jahre als eine „Dekade der Rehabilitation” bezeichnet. Auf der Grundlage eines Aktionsprogramms Rehabilitation leitete die damalige sozial-liberale Koalition im Jahre 1970 eine Reihe von Gesetzesvorhaben ein, im Zuge derer wesentliche Teile des Rehabilitations- und Behindertenrechts neu gestaltet wurden. Zu nennen ist neben dem Schwerbehindertengesetz vor allem das Rehabilitations-Angleichungsgesetz von 1974, mit dem insbesondere Nachteile des gegliederten Systems überwunden werden sollten. Im Mittelpunkt der damaligen sozialpolitischen Diskussion standen die Angleichung der Leistungen und Verfahren im gegliederten System sowie eine bedarfsgerechte Ausgestaltung der Leistungen und des berechtigten Personenkreises. Alle Betroffenen sollten unabhängig von der Ursache der Behinderung und unabhängig von dem zur Leistung verpflichteten Rehabilitationsträger einen Anspruch auf Leistungen haben. Gleichberechtigung, Angleichung und Finalitätsprinzip sowie eine Intensivierung der trägerübergreifenden Kooperation auf der Ebene der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation standen im Vordergrund.
Nicht nur damals, sondern auch im Rückblick erscheint das Rehabilitations-Angleichungsgesetz als Fortschritt in der Ausgestaltung des gegliederten Systems, wenngleich der Erfolg je nach Sichtweise unterschiedlich bewertet wurde. Während beispielsweise die Krankenversicherung mit dem Rehabilitations-Angleichungsgesetz in den Kreis der Rehabilitationsträger aufgenommen wurde, blieben die Sozialhilfeträger, die wichtige Aufgaben in der Integration behinderter Menschen wahrnehmen, noch außerhalb des Anwendungsbereiches des Rehabilitations-Angleichungsgesetzes.
Nicht zuletzt aufgrund der begrenzten strukturellen Reichweite des Rehabilitations-Angleichungsgesetzes blieben in der Folge die Weiterentwicklung und Zusammenfassung des Rehabilitations- und Behindertenrechtes zentrales Thema der Politik. Nachdem die Kommission für die Konzeption eines Sozialgesetzbuches im Jahre 1975 noch kein eigenes Buch für den Bereich der Rehabilitation vorgesehen hatte, wurde dieses explizit im Rahmen von Empfehlungen zum Internationalen Jahr der Behinderten 1981 gefordert und es ging als Forderung in das daraus entstandene „Aktionsprogramm für die Rehabilitation der 80er-Jahre” ein. Kurz darauf wurde dies auch Gegenstand einer Entschließung des Deutschen Bundestages, was den gemeinsamen Willen der Politik unterstrich. Vom Aktionsprogramm Rehabilitation aus dem Jahre 1970 bis zum Sozialgesetzbuch IX im Jahre 2001 vergingen somit - sieht man von den Zwischenphasen wie der des Rehabilitations-Angleichungsgesetzes ab - praktisch 30 Jahre, bis der umfassende Anspruch einer Zusammenführung des Rehabilitations- und Behindertenrechts im Grundsatz erreicht werden konnte. Trotz Verbesserungen im Detail und der politischen Willensbekundungen blieb der große Wurf zunächst aus. Dies hing u. a. auch mit Problemen der finanziellen Konsolidierung der öffentlichen Haushalte, den Prioritäten in der institutionellen Reform mit den Schwerpunkten in der Kranken- und Rentenversicherung sowie den Aufbauarbeiten im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung zusammen.
Nach mehreren Versuchen zu Beginn der 90er-Jahre begann ein neuer Anlauf im Jahre 1998 mit der Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und Bündnis 90/Die Grünen und der folgenden Berufung von Karl Hermann Haack zum Beauftragten der Bundesregierung für die Belange der behinderten Menschen. In der Koalitionsvereinbarung wurde die Neukodifizierung des Rehabilitations- und Behindertenrechts in einem Sozialgesetzbuch IX ausdrücklich als Ziel in das Programm aufgenommen. Damit begann die große Aufgabe für Karl Hermann Haack, die er mit einem Diskussionspapier zur medizinischen, beruflichen und sozialen Rehabilitation bereits im August 1998, also noch vor dem Amtsantritt, anging, und das den Titel trug „Rehabilitation und Prävention sichern, vernetzen und entbürokratisieren - soziale und berufliche Integration fördern und weiterentwickeln”. Zugleich wurde mit dem „Weg einer breiten Debatte” - wie es im Vorwort dieses Diskussionspapiers hieß - auch eine neue Form des politischen Dialogs mit allen Beteiligten gesucht. Schon im Oktober 1999 wurde von der Koalitionsarbeitsgruppe „Behindertenpolitik”, dessen Vorsitz Karl Hermann Haack innehatte, ein Eckpunktepapier mit den wesentlichen politischen Vorgaben aufgestellt, das deutlich die Handschrift des Bundesbeauftragten trug. Auf dieser Grundlage entstand in den Fachreferaten des Bundesarbeitsministeriums eine Reihe von Entwürfen für ein SGB IX, die in vielen Verhandlungen und Gesprächen immer wieder verändert und fortgeschrieben wurden, in ständiger Abstimmung mit der Koalitionsarbeitsgruppe und ihrem Vorsitzenden. Und vermutlich lag in diesem dialogischen Vorgehen eines der Geheimnisse des Erfolges, mit dem zunächst niemand so richtig gerechnet hatte. So kam eine über mehrere Jahre intensiv geführte, durchaus nicht konfliktfreie Diskussion um das Sozialgesetzbuch IX zustande, an dem sich viele beteiligten: die Parteien, die Gewerkschaften und Arbeitergeberverbände, die Behindertenorganisationen und Selbsthilfegruppen bis hin zu den Rehabilitationsträgern, den Vertretungen der Länder und Kommunen sowie der Ärzteschaft. Es gelang schließlich, einen politischen Kompromiss zu finden, dem sich letztlich keine der beteiligten Gruppen verschließen konnte und der praktisch die Zustimmung aller Parteien im Deutschen Bundestag erhielt. An dem Ergebnis haben viele mitgewirkt. Aber es bleibt letztlich ein Erfolg, der ganz persönlich dem Bundesbeauftragten Karl Hermann Haack zuzurechnen ist.
Entscheidender noch als die erfolgreiche Verabschiedung der Gesetze selber sind die sozialpolitischen Inhalte, die mit den genannten Gesetzen auf den Weg gebracht wurden und die für alle eine große Herausforderung für die nächsten Jahre darstellen. In den 70er-Jahren stand vor allem das sozialpolitische Prinzip der Finalität im Vordergrund der Politik. Das Internationale Jahr der Behinderten 1981, das unter dem Motto „Einander verstehen, miteinander leben” stand, ging darüber hinaus und zielte stärker auf das Zusammenleben von behinderten und nicht behinderten Menschen ab. Damit blieb die Diskussion in Deutschland allerdings noch hinter den internationalen Entwicklungen zurück. So forderte die Weltgesundheitsorganisation bereits damals „full participation and equality” für behinderte Menschen. Mit den neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen werden nunmehr gesellschaftliche Gleichstellung, gleichberechtigte Teilhabe und Selbstbestimmung zentrale Zielbestimmungen einer praktischen Rehabilitations- und Behindertenpolitik in Deutschland. Diesen Prozess dazu und diese Inhalte vorangebracht zu haben, sind das eigentliche Verdienst von Karl Hermann Haack.
Gerade zum Sozialgesetzbuch IX ließen sich noch viele Einzelthemen ansprechen, die in ihrer Summe das Ganze mit formen: die Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte für Betroffene und ihre Verbände, die neuen Leistungen wie das „persönliche Budget” oder die Arbeitsassistenz, die trägerübergreifenden Servicestellen, die eine bürgernahe Verwaltung realisieren sollen, die Regelungen zur Verfahrensbeschleunigung, die neuen Formen der trägerübergreifendenden Kooperation auf der Ebene der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation usw. Aus der Sicht der Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention ist es besonders zu begrüßen, dass das Sozialgesetzbuch IX ausdrücklich die Aufgabe der Prävention in das Rehabilitationsgesetz aufgenommen hat und damit die engen Zusammenhänge von Prävention und Rehabilitation herausstellt. Zudem wurden mit dem ausdrücklichen Bezug auf die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit der Weltgesundheitsorganisation auch wissenschaftliche Grundlagen und Orientierungen in das Gesetzeswerk mit aufgenommen, die das Verständnis der Rehabilitation in den letzten Jahren erheblich beeinflusst haben und von denen auch in Zukunft Rückwirkungen auf die Medizin in Lehre, Forschung und Praxis zu erwarten sind. Wir sehen hier einen entscheidenden Schlüssel dafür, der angestrebten Integration und Vernetzung von Prävention, Krankenbehandlung und Rehabilitation, die ohne die beteiligten Professionen nicht zu erreichen ist, entscheidend näher zu kommen.
Sehr geehrter Herr Haack, nachdem die Bundestagswahlen für Sie nunmehr positiv ausgegangen sind, werden Sie es sich sicher nicht nehmen lassen, in der Fortsetzung Ihres Amtes die Umsetzung der beschlossenen Gesetze weiterhin intensiv zu begleiten und voranzubringen. Mit großem Interesse haben wir zur Kenntnis genommen, dass Sie nun auch daran gehen wollen, das mit dem SGB IX entwickelte Paradigma der Selbstbestimmung und Teilhabe auch in die anstehende Reform des Gesundheitswesens einzubringen. Dazu haben sie bereits im August ein weiteres Eckpunktepapier in die sozialpolitische Debatte eingebracht. Wir wünschen Ihnen für die weiteren Aufgaben in Ihrem Amt und darüber hinaus viel Erfolg.
Herr Prof. Gostomzyk wird Ihnen als Präsident der Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention nunmehr die Salomon-Neumann-Medaille überreichen.