Klin Monbl Augenheilkd 2003; 220(4): 276-280
DOI: 10.1055/s-2003-38626
Kasuistik
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Seltene retinale Anomalie: Die doppelte Papille

Unusual Retinal Anomaly: The Double PapillaDieter  Schmidt1 , Marcel  Mathieu1 , Martin  Schumacher2
  • 1Augenklinik, Universität Freiburg i. B.
  • 2Sektion für Neuroradiologie, Universität Freiburg i. B.
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Publikationsverlauf

Eingegangen: 10. Januar 2003

Angenommen: 10. Februar 2003

Publikationsdatum:
15. April 2003 (online)

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Zusammenfassung

Hintergrund: Bisher ist nicht geklärt, ob es sich bei dem Befund einer doppelten Papille um Veränderungen im Rahmen von mehreren kongenitalen Augenfehlbildungen oder um eine fehlerhafte doppelte Anlage einer echten Papille handelt. Ein doppelter Sehnerv hinter dem Bulbus wurde bisher nie gefunden. Patient: Bei einer 87-jährigen Frau bestanden eine hochgradige Myopie und Amblyopie des rechten Auges bei deutlichem Strabismus convergens dexter seit früher Kindheit. Die Patientin wies rechts eine deutliche Katarakt auf. Es bestand der Zustand nach beidseitigem Teilinfarkt der A. cerebri posterior mit Defekt der Sehrinde. Das Sehvermögen war rechts auf 1/50 herabgesetzt. Mit dem Goldmann-Gesichtsfeld konnte nur die V/4-Marke gesehen werden. Ergebnisse: Der rechte Fundus zeigte eine doppelte Papillenkonfiguration bei zusätzlichen ausgedehnten myopischen Dehnungsveränderungen von Netz- und Aderhaut im hinteren Augenpolbereich. Die beiden Papillen waren übereinander angeordnet, indem die zweite etwas kleinere Papille temporal unterhalb der wirklichen Papille lokalisiert war. Beide Papillen wiesen durchblutete Zentralgefäße mit deutlicher Aufteilung in temporale und nasale Äste auf. Es konnte nachgewiesen werden, dass die großen Gefäße beider Papillen nicht miteinander verbunden waren. Im Kernspintomogramm der Orbita war nur ein N. opticus vorhanden, der unauffällig erschien. Schlussfolgerung: Unser Beispiel zeigt, dass eine doppelte Papille als entwicklungsgeschichtliche Anomalie ohne Sehnervenverdopplung vorhanden sein kann. Die unechte Papille befand sich in einem myopischen Dehnungsareal, entsprechend einer Netzhautaderhautatrophie, so dass eine Pseudoverdopplung anzunehmen ist. Wegen der Lokalisation unterhalb der echten Papille wurde als Entwicklungsstörung ein mangelnder Schluss des Becherspaltenstiels während der Embryonalzeit vermutet, so dass eine Scheinpapille mit sekundärem Einwachsen von Gefäßen in der Embryonalzeit entstanden sein könnte.

Abstract

Background: It is not clear whether doubling of the papilla occurs in connection with congenital ocular malformations or whether there is a double anlage of a real papilla. A double optic nerve close to the globe has never been observed. Patient: A 87-year old woman had high-grade myopia and amblyopia of her right eye together with an esotropia from early childhood. The right eye had a cataract. Some time ago she experienced a bilateral incomplete infarction of the territory of the posterior cerebral artery. The visual acuity of her right eye was 1/50. The Goldmann visual field showed a concentric constriction with the V/4 test mark. Results: The right fundus revealed a double configuration of a papilla, in addition to widespread myopic changes due to extension of the retina and choroid at the posterior eye pole. The two papillae were located one upon another and the slightly smaller pseudopapilla was found temporal beneath to the true papilla. The papillae had central vessels, well supplied with blood, and with distributions into temporal and nasal tributaries. The big vessels of both papillae were not connected. The MRI revealed only one optic nerve of normal appearance. Conclusion: The findings in our patient demonstrate that a double papilla occurs without a double optic nerve. The smaller papilla occurred in an area of widespread myopic changes of the retina and choroid that we assume the appearance of a pseudopapilla. The site beneath the true papilla in an colobomatous area points to a developmental failure due to an incomplete closure of the optic cleft of the embryo. A secondary ingrow of vessels could have developed into the pseudopapilla during the embryonal period.

Literatur

Prof. Dr. Dieter Schmidt

Univ.-Augenklinik

Killianstraße 5

79106 Freiburg

eMail: schmidtd@aug.ukl.uni-freiburg.de